Warum ist ein kompetenter Umgang mit Beschwerden wichtig für gute Mandantenbetreuung und -bindung?

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Ein Mandant, der sich beschwert, möchte eine zügige Lösung für seine vorgetragene Beschwerde. Genau an dieser Stelle stellen sich mit Ihrer Reaktion auf die Beschwerde die Weichen, ob Sie den Mandanten und das in Ihre Kanzlei verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen können, oder – leider – nicht. Schaffen Sie es nicht, dann ist dieser Mandant vorerst verloren und dieser Mandant wird in der Regel im Freundes- und Bekanntenkreis auch nicht gut über Ihre Kanzlei sprechen. Die Kanzlei sollte sich bewusst sein, dass der Mandant eine gute juristische Tätigkeit des Rechtsanwaltes als gegeben voraussetzt (sonst hätte er einen anderen Berufsträger beauftragt) und im Grunde aber am Ende die geleistete juristische Dienstleistung gar nicht beurteilen kann. Aber neben der juristischen Dienstleistung erwartet der Mandant eine dienstleistungsorientierte Betreuung durch das gesamte Kanzleiteam und eine rundum fehlerfreie und zügige Bearbeitung seiner Angelegenheit. Und diese Faktoren kann und wird er bewerten und sich bei einer nicht zufriedengestellten Erwartung – gerechtfertigt oder nicht – beschweren. Und nun gilt es, der Beschwerde professionell zu begegnen um den Mandanten weiter an die Kanzlei zu binden.

Ziel eines kanzleieigenen Beschwerdemanagement sollte sein, dass

  1. das verloren gegangen Vertrauen des Mandanten wiederhergestellt wird,
  2. der Mandant durch ein gutes Beschwerdemanagement weiter an die Kanzlei gebunden wird und
  3. durch die Nachbereitung der Beschwerde im Kanzleiteam durch Anpassung von Prozessabläufen oder anderweitig zu treffende Vorkehrungen werden Fehler künftig vermieden und damit die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der Kanzlei gesteigert.

Nimmt man diese Ziele als Grundlage wird ersichtlich, dass eine Beschwerde zwei Prozesse innerhalb der Kanzlei nach sich ziehen sollte.

Zunächst ist es wichtig, die Beschwerde entgegenzunehmen und dem Mandanten einen Lösungsweg anzubieten. Hier ist es empfehlenswert den Mandanten einzubinden, denn ein gemeinsam erarbeiteter Lösungsweg steigert die Zufriedenheit des Mandanten. Er fühlt sich beteiligt und ernst genommen.

Im Umgang mit Beschwerden sollte das Kanzleimitglied, das die Beschwerde (persönlich oder telefonisch) entgegen nimmt, folgende Punkte beachten:

  • über allem stehen: bleiben Sie souverän
  • bedanken Sie sich für die mitgeteilte Beschwerde
  • Bleiben Sie höflich und bewahren Sie Ruhe und Gelassenheit
  • Nehmen Sie nichts persönlich. Der Mandant gibt Rückmeldung zur Kanzlei, nicht zu Ihnen als Person
  • Stellen Sie Verständnisfragen, um die Beschwerde konkret zu erfassen
  • Hören Sie aufmerksam zu
  • Tragen Sie aktiv zur Konfliktklärung bei
  • Entschuldigen Sie sich (für die Kanzlei), wenn die Beschwerde berechtigt ist
  • Klären Sie mit dem Mandanten konkret das weitere Vorgehen
  • Fassen Sie am Ende des Gespräches das Gesagte noch einmal kurz (!) zusammen und bedanken Sie sich erneut für die Hilfe zur Optimierung der Kanzleiabläufe

Im Anschluss sollte der Lösungsweg kurzfristig umgesetzt und der Mandant über die erfolgte Umsetzung direkt in Kenntnis gesetzt werden. Hier liegt es in der Entscheidung des verantwortlichen Kanzleimitgliedes oder den Kanzleivorgaben, ob eine E-Mail ausreicht, oder es sinnvoller ist, den Mandanten kurz telefonisch über das Ergebnis zu unterrichten.

Ein konkretes Beispiel:

Der Prozess für den Mandanten wurde gewonnen, der Urteilsbetrag ist auf dem Kanzleikonto eingegangen und wurde, leider aber erst zeitverzögert, an den Mandanten überwiesen. Der Mandant hat die Zeitverzögerung, die ihm bekannt geworden ist, akzeptiert. Aufgrund einer personellen Unterbesetzung in der Kanzlei wurden im weiteren Verlauf die Originalunterlagen, die der Mandant zu Beginn des Mandats eingereicht hatte, nicht zurückgesandt. Der Mandant hatte im Laufe der Zeit bereits drei Mal telefonisch um die Rücksendung gebeten. Aber die Akten haben sich gestapelt, Fristabläufe hatten Vorrang und so ist die Akte liegengeblieben und die Unterlagen wurden nicht zurückgesandt. Nun steht der Mandant in den Kanzleiräumen und beklagt sich über die Unzuverlässigkeit der Kanzlei.

Folgt man den vorgenannten Eckpunkten, so ist es ratsam, dem Mandanten zunächst aufmerksam und mit einem freundlichen Gesichtsausdruck zuzuhören. Die Sachlage ist eindeutig und die vom Mandanten – höflich, aber verärgert – vorgetragene Beschwerde erfolgt zurecht. So ist eine Entschuldigung hier zunächst ein gutes Mittel um den Ärger des Mandanten etwas abzumildern. Denken Sie hier daran, eine ehrlich vorgetragene Entschuldigung wirkt souveräner, als der Versuch, den Fehler schönzureden. Oder – noch schlimmer – zu versuchen, den Fehler auf andere Kanzleimitglieder abzuwälzen. Letztendlich ist es egal, wer für das Fehlverhalten verantwortlich ist. Nach außen ist die Kanzlei ein Team und dem Mandanten ist es auch egal, wer die Verantwortung trägt. Für ihn hat die Kanzlei sich falsch verhalten. Und das sollte auch Ihre Botschaft sein.

Der Lösungsweg ist bei dieser Sachlage denkbar einfach. Die Akte wird herausgesucht, die Originalunterlagen gegen Quittung dem Mandanten unter Mitgabe eines Umschlages ausgehändigt und ihm bei der Verabschiedung noch einmal für seine Geduld und sein Verständnis gedankt.

Nun folgt der 2. Teil eines kanzleieigenen Beschwerdemanagements. Die vom Mandanten vorgetragene Beschwerde deckt Fehlerquellen und Qualitätsdefizite im Kanzleialltag auf. Wichtig ist, dass dieser Fehler bekannt gemacht wird damit das Kanzleiteam aus dem Fehler lernt und sich diesen für die Zukunft nutzbar macht. Im Beispiel war es so, dass der Mandant mehrfach um Rücksendung gegeben hat. Dies ist im Alltag untergegangen. Und hier setzt der Lösungsweg für alle Kanzleimitglieder an. Im Sinne einer qualitativ hochwertigen Sachbearbeitung muss für die künftige Aktenbearbeitung festgelegt werden, dass der Hinweis eines Mandanten auf Rücksendung von Unterlagen dokumentiert werden muss (Telefonnotiz o.ä.) und die Akte, sofern der Bitte nicht direkt nachgekommen werden kann, eine zeitnahe Wiedervorlage mit einem entsprechenden Wiedervorlagegrund und einer hohen Priorisierung erhält. So kann garantiert werden, dass künftig diese Art von Beschwerden nicht erfolgen.

Das Beschwerdemanagement stellt ein Teil des kanzleieigenen Qualitätsmanagements dar Das Kanzleiziel im Bereich Qualitätsmanagement ist die fortlaufende Qualitätssicherung der Kanzleiabläufe. Dabei legt das Kanzleiteam die Messlatte für die von der Kanzlei festgelegten Qualitätsmaßstäbe fest und dokumentiert diese in einer entsprechenden Verfahrensanweisung.

Ein Beispiel: Die Kanzlei legt fest, dass Rückrufbitten taggleich erledigt werden, oder aber, sofern dies nicht erfolgen kann, der Mandant aktiv einen Rückruf der sachbearbeitenden Mitarbeiterin erhält, das der Rückruf des Rechtsanwaltes heute nicht mehr erfolgen kann und sie einen Telefontermin, z. B. für den nächsten Tag, vereinbart.

Läuft einmal etwas schief und in der internen Bürobesprechung wird dieses „Fehlverhalten“ öffentlich gemacht, ist es wichtig eine offene Fehlerkultur in der Kanzlei zu leben, d. h. der Prozess steht im Mittelpunkt und die Weiterentwicklung einer fehlerfreien Arbeitsleistung. Hier ist persönliche Kritik fehl am Platz, konstruktives Feedback und neue Lösungsansätze dagegen sehr willkommen. Beherzigt man diese Vorgehensweise werden Fehler nicht „unter den Teppich gekehrt“, Fehlerquellen zeitnah aufgedeckt und durch eine kontinuierliche Umsetzung der festgelegten künftigen Verfahrensweise der festgelegten Qualitätsstandards gewährleistet.

Fazit: Der professionelle Umgang mit Beschwerden als Teil eines kanzleieigenen Qualitätssicherungskonzeptes

  • schafft Sicherheit und Transparenz für alle Kanzleimitglieder,
  • ist ein Motivationsfaktor für alle Kanzleimitglieder (angstfreier Umgang mit Fehlern),
  • fördert die positive Arbeitsatmosphäre innerhalb der Kanzlei,
  • erhöht die Mandantenzufriedenheit und damit einhergehend das Empfehlungsmarketing (positive Mundpropaganda) sowie
  • den wirtschaftlichen Erfolg der Kanzlei durch neue Mandatsaufträge.

Es bestehen also mindestens 5 gute Gründe, um sich mit vorgetragenen Beschwerden positiv auseinanderzusetzen, alle Kanzleimitglieder in den Lösungsweg mit einzubinden um als Team geschlossen aufzutreten.