Stets zu Diensten, stets verschwiegen – wie weit greift die anwaltliche Schweigepflicht?

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In § 43a Abs. 2 BRAO ist sie normiert, eine der wichtigsten Pflichten der Robenträger und ein „hohes Gut“ wie das OLG München treffend erklärte: die anwaltliche Schweigepflicht.

Für Rechtsanwaltsfachangestellte, Auszubildende und Kanzleimitarbeiter gilt diese Pflicht auch. Und sie endet auch nicht, wenn man die Kanzlei verlässt.

Die anwaltliche Schweigepflicht ist Grundlage des notwendigen Vertrauensverhältnisses zu den Mandanten und bezieht sich auf alles, was der Anwalt anlässlich seiner Berufsausübung erfährt, wie es der BGH in diesem Jahr noch einmal ausgeführt hat (Urt. v. 29.01.2018, Az. AnwZ (Brfg) 32/17). Jene Pflicht zu verletzen ist gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB mit Strafe bedroht. Hieraus ergibt sich dann weiter auch sein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO). Es steht dem Anwalt gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bezüglich allen Tatsachen zu, die ihm im Mandatsverlauf anvertraut wurden. Und „anvertraut“ heißt nicht, dass es dabei nur um solche Dinge geht, bei denen der Mandant ausdrücklich wünscht, dass sie vertraulich bleiben, so jüngst das OLG München (Urt. v. 24.10.2018, Az. 13 U 1223/15). Es genügt auch das stillschweigende Verlangen nach Geheimhaltung. Daher ist auch nicht zwischen Schriftstücken oder mündlichen Mitteilungen zu unterscheiden, die dem Anwalt bekanntwerden.

Die anwaltliche Schweigepflicht entfällt auch nicht, wenn beispielsweise der Mandant verstirbt oder die Aufbewahrungsfrist der Akte endet. Scheidet ein Mitarbeiter aus der Kanzlei aus, dauert seine Schweigepflicht fort und er darf weiterhin weder Dritten noch seinem neuen Arbeitgeber mandatsbezogene Informationen geben, die ihm aus seinem alten Arbeitsverhältnis bekannt sind. Und auch zu dem Motto „Was bekannt ist, darf ich auch erzählen“ hält man besser Abstand: Es ist nicht von Belang, ob Einzelheiten zu einem Mandat oder einem laufenden Rechtsstreit bereits der Öffentlichkeit bekannt sind, da sie möglicherweise Teil der lokalen Berichterstattung waren.

Nicht ganz so einfach kann es auch steuerrechtlich werden. Hier hat ein Anwalt Nachweispflichten, wenn er bei einer finanzamtlichen Prüfung angibt, dass der Mandant eine Privatperson mit Sitz in einem Drittland ist und dessen Name und Anschrift nennen muss. Wie man in diesem Fall vorgeht, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift RENOpraxis (11/2018, S. 12), die auch in der ReNoSmart-Bibliothek steckt.

Und natürlich erstreckt sich die Schweigepflicht auch auf das Kanzleipersonal bzw. alle dort beschäftigten Personen, also Auszubildende, Rechtsanwaltsfachangestellte oder Schreibkräfte. Diese sind über die Schweigepflicht und vor allem umfassend darüber zu belehren, wie weitreichend sie ist. Wie Sie das organisatorisch in der Kanzlei am besten hinbekommen, können Sie im Fachbuch Personalmanagement für Anwaltskanzleien nachschlagen, das auch zur ReNoSmart-Bibliothek gehört. Ein Muster für die Belehrung über die Schweigepflicht für Kanzleimitarbeiter und Auszubildende bietet auch die Bundesrechtsanwaltskammer zum Download an.

Wie dem Anwalt steht auch dessen Mitarbeitern in ihrer Eigenschaft als Berufshelfer ein Zeugnisverweigerungsrecht zu (§ 53a StPO). Dieses greift bereits dann, wenn einem Kanzleimitarbeiter in einem Ermittlungsverfahren lediglich dazu Fragen gestellt werden, ob überhaupt ein Mandatsverhältnis mit einer bestimmten Person besteht (LG Dresden, Beschl. v. 14.06.2007, Az. 3 AR 05/07). Und die Pflicht nimmt natürlich auch Einfluss auf die Bürogestaltung: Die Kanzlei ist so einzurichten, dass Dritte keinen Zugriff oder mögliche Einsicht in sensible Dokumente oder Aktenbestandteile haben. Dies spiegelt sich vielleicht in einer klugen Anordnung von Büromöbeln, Sichtschutze im Empfangsbereich sowie Bildschirmen und Schreibtischen, die während des Publikumsverkehrs nicht direkt ins Blickfeld von Mandanten und anderen Besuchern geraten.

Hinweis Kann die Geheimhaltungspflicht so weit gehen, dass man dem Mandanten die Handakte nicht aushändigt? Klingt erst einmal merkwürdig, kann aber tatsächlich geschehen, wie der BGH erläutert hat (Urt. v. 17.05.2018, Az. IX ZR 243/17). Grundsätzlich muss ein Anwalt natürlich die Handakte herausgaben, wenn dies verlangt wird. Er kann allerdings argumentieren, dass er die Geheimhaltungspflichten gegenüber anderen Mandanten verletzt, wenn er dies tut. Dies muss er dann aber genauer und nachvollziehbar begründen sowie glaubhaft machen, soweit die Gründe hierfür nicht offensichtlich sind. Das Gericht muss sich ein Bild machen können, inwiefern das Mandat Berührungspunkte zu sonstigen Mandaten des Anwalts hat (vgl. zur Frage eines „Doppelmandats“ OLG Hamm, Beschl. v. 27.02.2018, Az. III-4 Ws 9/18, 4 Ws 9/18). In derartigen Konstellationen hat ein Anwalt dann dieselben Darlegungspflichten wie ein Zeuge, der sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt (vgl. §§ 386 Abs. 1, 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).