Die Überlebenden

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Hütte an schwedischem See

Die drei Brüder Pierre, Niels und Benjamin kehren nach 20 Jahren an einen Ort ihrer Kindheit zurück. Sie fahren in das Sommerhaus der Eltern an einem abgelegenen See, in den sie regelmäßig ihre Ferien verbrachten. Nun haben sie die Aufgabe den letzten Wunsch ihrer verstorbenen Mutter zu erfüllen. Sie sollen ihre Asche auf dem See verstreuen.

Das Verhältnis der Brüder untereinander ist von Kindheit an schwierig, genauso wie das zu den Eltern. Deren Ehe ist zerrüttet und von Alkohol und ständigen Auseinandersetzungen geprägt. Oftmals geraten die Kinder zwischen die Fronten. In den kurzen guten Phasen von Vater und Mutter buhlen die Jungs um deren Aufmerksamkeit und Liebesbekundungen. Sie sind sogar auf den Hund eifersüchtig, weil der mehr Aufmerksamkeit von der Mutter erhält als sie. Schnell genug schlägt das Verhalten der Eltern um und das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern kippt in völlige Gleichgültigkeit um. Auch kümmern sich die Eltern in Alltag nicht ausreichend um die Kinder, das Ferienhaus und die Wohnung sind der Stadt ist verdreckt, die Jungs unzureichend gekleidet.

Pierre, Niels und Benjamin leiden natürlich unter diesen oftmals extremen Stimmungsschwankungen und es beeinflusst ihr Verhalten untereinander. Entweder halten sie zusammen und passen aufeinander auf oder offene Streitigkeiten brechen aus, die oft genug auch mit körperlichen Auseinandersetzungen ausgetragen werden.

In einem Jahr in den Ferien geschieht ein Unglück, das die Familie endgültig innerlich zerbrechen lässt. Pierre ist 7, Benjamin 9 und Niels 13. Die drei laufen durch den Wald und stoßen auf eine Umspannstation. Der Zaun ist defekt und Benjamin geht hinein und wird von einem Spannungsbogen getroffen. Er wird schwer verletzt, der Hund tödlich getroffen.

Danach ist nichts mehr wie vorher. Auch verbringt die Familie keine Ferien mehr in dem Haus am See. Der Vorfall aus der Vergangenheit treibt alle noch um und die Streitereien der Brüder setzen sich weiter fort und sie fügen sich unentwegt tiefe Verletzungen zu. Vor allem Benjamin leidet schwer darunter. Er unternimmt sogar einen Selbstmordversuch. Erst eine Psychotherapie bringt verdrängte Erinnerungen zurück. Und auch ein Brief, den die Brüder nach dem Tod der Mutter beim Ausräumen der Wohnung finden, bringt die Wahrheit, die verdrängte Wahrheit über den Vorfall in jenem Sommer vor 20 Jahren zurück. Die Brüder fahren gemeinsam zurück zur Hütte an den See, um wunschgemäß die Asche der Mutter im See zu verstreuen. Und sie fahren noch ein letztes Mail in ihre Vergangenheit zurück, die drei Überlebenden, um ein letztes Mal zu überleben. „Es ist, als würde ein Teil von mir sagen, dass ich zu Hause bin. Und ein anderer Teil brüllt: Lauf weg!“

Der Roman „Die Überlebenden“ von Alex Schulman ist ein eindringliches Buch. Das große Thema des Romans ist Versöhnung, Schuld und Vergebung. Als Leser ist man stellenweise fassungslos, was sich die Erwachsenen und Kinder untereinander an Verletzungen zufügen – innerlich wie äußerlich. Und man ist auch ein Stück weit ratlos, denn erst am Ende weiht der Autor uns in das wahre Ausmaß des Unglücks vor 20 Jahren ein. Eine Familie, die nie wusste und lernte, was es heißt, eine echte Familie zu sein, wurde von außen nur noch durch massive Verdrängung der Wahrheit über das Vorkommnis zusammengehalten. Ein seidener Faden, der immer wieder gerissen ist. Erst durch Benjamins Therapie und durch den Brief der verstorbenen Mutter müssen sich die drei Brüder, die drei Überlebenden dieser zerrissenen Familie, der Realität und damit auch dem Leben stellen.


Alex Schulman, Die Überlebenden
Deutscher Taschenbuch Verlag
Gebunden, 978-3-423-28293-2, 22,00 €
Taschenbuch, 978-3-423-14853-5, 13,00 €
EBook, 978-3-423-43940-4, 4,99 €
Hörbuch, 978-3-7424-2086-2, 22,00 €