Der Moment zwischen den Zeiten

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Das Buch „Der Moment zwischen den Zeiten“ ist im Sommer als Taschenbuchausgabe erschienen. Und da die Autorin Marta Orriols in Barcelona lebt und Spanien Gastland auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse ist, schien mir das Buch bestens für eine Besprechung geeignet zu sein. Ausschlaggebend dafür war aber natürlich, dass mir der Roman außerordentlich gut gefiel.

Die zentrale Figur des Romas ist Paula Cid, 42 Jahre alt und wohnt in Barcelona. Paula ist in einer trostlosen, schier ausweglosen Situation. Ihr langjähriger Lebensgefährte Mauro kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Paula ist geschockt. Sie durchlebt apathisch den Alltag. Ihr Umfeld versucht sie zu trösten und ihr gut zuzureden, allen voran ihr Vater. Er wohnt in einem Dorf am Meer und dort verbringt Paula den Sommer, um Abstand zu gewinnen und ihre innere Balance wiederzufinden.

Was aber niemand weiß, und was Paula auch niemanden erzählen kann: Mauro hat ihr nur wenige Stunden vor seinem Tod bei einem Mittagessen völlig überraschend eröffnet, dass er sie wegen einer anderen Frau verlassen will. Innerhalb weniger Sekunden ist das gemeinsame Leben zu Ende. Paula steht vor den Scherben ihres Lebens. Sie fühlt sich, als wären zwei Kugeln auf sie abgefeuert worden: zwei Kugeln Namens Betrug und Tod, und je nachdem welches Einschussloch stärker brennt, wird Mauro zum Verräter oder zum Heiligen. Von einem Toten betrogen, macht aus Mauro einen Unschuldigen, einen Heiligen. Der Tod schafft den Betrug aus der Welt und nimmt Mauro in Schutz. Das macht Paula unbeschreiblich wütend. Andererseits vermisst sie ihn, denn sie empfindet immer noch Liebe für ihn, auch wenn ihre Beziehung durchaus anfing zu bröckeln. Sie erträgt kaum die leere Wohnung. Sie unterscheidet die Zeit vor und nach seinem Tod, die Zeit des Glücks und die Zeit des Leidens.

Diese doppelte Tragödie kann sie mit niemanden teilen, nicht mit ihrer besten Freundin, nicht mit ihrem Vater, der Mauro als einen perfekten Schwiegersohn verehrte. Sie sucht vergebens nach Auswegen, aber, wie sie selbst erkennen muss, gibt es leider kein Handbuch für Hinterbliebene. Irgendwann will Paula wieder leben, sich wieder spüren. Sie trifft sich mit einem Mann, mit dem sie einmal einen One-Night-Stand hatte, aber es funktioniert nicht. Der Versuch in ein Leben zurückzukehren, nach dem sie sich so sehr sehnt, schlägt fehl. Sie meint keine Beziehung mehr eingehen zu können, weil sie sich nie wieder so fühlen wird wie mit Mauro. Sie spürt, dass mit Mauros Tod viel mehr gestorben und sie spürt, etwas ist noch unerledigt. Am Ende steht die Erkenntnis: es wird dauern und sie muss sich mit Hilfe der Familie und den Freunden Stück für Stück in ein Leben zurückkämpfen, wie immer das auch immer aussehen wird.

Dieser Roman ist sehr eindringlich. Die Zerrissenheit, die Verzweiflung und die Wut von Paula bringt uns die Autorin Marta Orriols sehr nahe. Auch wer nie eine solche Situation erlebt hat, kann die Tiefe der Gefühle dennoch nachempfinden. „Der Moment zwischen den Zeiten“ zeigt auf, dass Liebe und Hass manchmal untrennbar miteinander verbunden sind. Ich mag Bücher, die trotz aller Tiefen des Lebens einen positiven Ausklang haben. Marta Orriols lässt uns am Ende hoffen, dass Marta wieder ihren Weg zurück in ein neues Leben finden wird. Die Zeit heilt zwar nicht immer die Wunden, lässt den Schmerz aber erträglicher werden.


Marta Orriols, Der Moment zwischen den Zeiten
Deutscher Taschenbuch-Verlag
Taschenbuch, 978-3-423-21978-5, 12,00 €
Gebunden, 978-3-423-28212-3, 20,00 €
EBook, 978-3-423-43680-9, 9,99 €