Abrechnungsfrage Erbrecht

...für das vom 01.07.2004 bis 31.07.2013 geltende Gebührenrecht
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Ollimolli
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#1

17.12.2012, 09:21

Hallo,

ich bin mal wieder überfordert :-(

In einer Erbrechtsangelegenheit haben wir zunächst das Nachlassverzeichnis angefordert und später die Erbmasse vergleichsweise auseinandergesetzt. Wir haben einmal den Mandanten, der eigentlich unentgeltlich in dem Haus (eigentliche Erbmasse) sein Leben lang wohnen darf und dessen Schwester, die nur den Pflichhteil fordert, vertreten.

In der ersten Berechnung kommen wir auf einen bereinigten Nachlasswert von 126.000 €. Allerdings ist noch der Wert des Wohnrechts streitig - und zwar wie dieses in der Erbmasse und der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen ist:

Nun haben wir vergleichsweise den Pflichtteil für die Schwester mit 16 TS berechnet und der Bruder bekommt vergleichsweise 40 TS und der Nachlass ist komplett auseinander gesetzt.

Aus welchem Wert nehme ich jetzt meine 1,3 GG und 1,5 VG? Ich hätte jetzt 126.000 genommen. Ich sehe es doch richtig, dass ich nur eine Abrechnung mache und lediglich eine 0,3 Erhöhung der GG nehme, oder? Schriftsätze folgten alle im Prinzip gemeinsam.

Danke schon einmal!
Kuko
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#2

18.12.2012, 19:05

:shock: Wie, ihr habt beide vertreten? Ist das nicht ein Fall einer Interessenkollision, wenn der Wert des Wohnrechts ggf. den Nachlasswert und damit den Pflichtteil der Schwester mindern?

Wie auch immer: Die Erb- oder Pflichtteile Eurer Mandanten sind nicht "derselbe Gegenstand" im Sinne des 1008 VV-RVG Anmerkung 1 ("(1) Dies gilt bei Wertgebühren nur, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist."), weil jeder Mandant einen eigenen Erb- oder Pflichtteil hat.

Stattdessen werden nur die Werte der jeweiligen Erb- oder Pflichtteilsansprüche aller Mandanten zusammengerechnet.
Ollimolli
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#3

18.12.2012, 19:22

Das heißt, ich nehme als Gegenstandswert die Höhe des Pflichtteils plus die Höhe des Vergleichswerts und nehme daraus die 1.3 Gebühr plus die 0,3 Erhöhung? Also 56 TS?

Die Mandanten wurden auf eine mögliche Interessenskollision hingewiesen, haben aber laut Akte wohl bestätigt, dass sie sich untereinander einigen - es ging nur ums Prinzip :smile:
Kuko
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#4

19.12.2012, 10:49

Nein, ohne die Erhöhung 0,3

Eigentlich ist der Gegenstandswert das Interesse der Mandanten. Das ist nicht unbedingt der Wert, auf den man sich am Ende einigt, sondern der Wert, den die Mandanten ursprünglich angenommen haben.

Wenn z. B. der Erbe Auskunft erteilt und die Mandanten davon ausgehen, dass der Wert bestimmter Nachlassgegenstände höher ist als angegeben oder noch Nachlassteile verschiweigen wurden, wäre der sich nach dem angenommenen "Mehrwert" errechnete Pflichtteil maßgeblich. Das sollte man aber zur Streitvermeidung unbedingt per Vergütungsvereinbarung festschreiben, damit der Mandant nicht später, wenn die Rechnung gestellt wird, auf die Idee kommt, der Anwalt habe aus Gebühreninteresen zu hohe Ansprüche gestellt.

Wenn sich die Mandanten vorher überhaupt keine Vorstellungen machen, wäre der Wert maßgeblich, der sich nach der Auskunft ergibt. Das wären z. B. hier für die Schwester die 16 TS. Für den Mandanten wären es die 16 TS + der Wert der Abgeltung des Wohnrechts, über den verhandelt wurde. Wenn er z. B. 30 TS gefordert hatte, wären es sein Pflichtteil von 16 TS + die 30 TS, auch wenn er am Ende nur 24 TS für das Wohnrecht bekommt.

Die Werte werden dann zusammengerechnet, da es "eine Angelegenheit" (Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund des gleichen Erbfalls) im Sinne des § 7 RVG ist.

Es gibt jedoch keine Erhöhung nach 0,3, da es nicht um "denselben Gegenstand" im Sinne der Anmerkung (1) zu 1008 VV RVG (siehe Zitat oben) geht. Die Ansprüche der S stehen nur ihr zu, die Ansprüche des M nur ihm. Nur wenn es um einen gemeinsamen Anspruch geht (M + S haben z. B. einen gemeinsamen Kaufpreisanspruch gegen einen Dritten, der den Wert bildet), gibt es die Erhöhung. Bei der gemeinsamen Geltendmachung unterschiedlicher Forderungen, die im Prinzip auch getrennt geltend gemacht werden könnten, werden lediglich die Werte zusammengerechnet.

Anders gesagt: Die Erhöhungsgebühr nach 1008 VV RVG gibt es für den Mehraufwand, wegen der gleichen Forderung mehrere Beteiligte unterrichten zu müssen. Bei der gemeinsamen Geltendmachung mehrerer Forderungen profitieren hingegen die Mandanten von dem nichtlinearen Anstieg der Gebühren bei zusammengerechneten Streitwerten, weil der Anwalt eben nicht zwei Verfahren, sondern nur eines führt und dadurch nicht alles doppelt schreiben muss.
Ollimolli
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#5

19.12.2012, 11:13

:thx - ich glaub, ich habs kapiert... und schöne Weihnachten!
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