Hilfe, Phonodiktat als Quereinsteiger

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Laurinchen
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#1

11.12.2020, 17:59

Hallo,

ich hätte ne Frage bzgl. Phonodiktat und in welcher Zeit man wie viel Text schaffen kann (soll). Ich arbeite seit 3 Wochen für 2 x 4 h/Woche in einer kleinen Anwaltskanzlei. Ich bin weder gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte, noch habe ich vorher jemals per Phonodiktat geschrieben. Ich bin gelernte Industriekauffrau, war über 20 Jahre aus dem Job draußen und komme an jedem Arbeitstag mehrmals an meine Grenzen.

Die Diktate finde ich oft sehr undeutlich besprochen (vor allem, wenn direkt nebenan der Reißwolf läuft), die Ausdrucksweise ist mir oft sehr fremd und die diktierten Kommata finde ich häufig sehr fragwürdig gesetzt (fehlende Korrektur derselben meinerseits führt zu despektierlichen Bemerkungen ) :kopfkratz . Oft muss ich die Schreiben umformulieren, was bei der juristischen Ausdrucksweise ohne Fachkenntnisse nicht ganz einfach ist. Meine Chefin setzt Wissen voraus, das ich nicht habe und bei Nachfrage ist es schon passiert, dass ich angeschrien wurde. :wirr Deshalb versuche ich mich selbst "durchzuwurschteln".

Da ich nie fertig werde in den vier Stunden, mache ich mir jetzt einen Kopf wie schnell diese Diktate denn als Reinschrift gefertigt sein müssen. Irgendwie scheint meine Chefin anzunehmen, dass ein 16 min-Diktat (ca. 6 Seiten) auch in ca. 16 min fertig sein soll? Ich habe heute für ein 15 min-Diktat ca. 1 h und 15 min gebraucht.

Da ich keine Vergleichsmöglichkeit habe (die vorherige Bürostelle hatte eine wesentlich entspanntere Arbeitsatmosphäre), frage ich mich, ob das in jeder Kanzlei so ist? Ich kann schon gar nicht mehr abschalten. :cry:
Feldhamster
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#2

12.12.2020, 22:35

Es ist Ewigkeiten her, dass ich ein Phonodiktat geschrieben habe, daher kann ich dir genaue Zeiten nicht nennen.

Generell:
Je deutlicher diktiert wird, desto schneller ist das Diktat geschrieben. Je weniger Nebengeräusche, desto besser die Diktatqualität. Juristische Fachbegriffe fehlen dir am Anfang, die lernst du mit der Zeit. Viel schlimmer waren bei mir andere Fachbegriffe, z.B. aus dem medizischen Bereich oder im Baurecht. Da haben mir meine juristischen Wörter damals nicht geholfen.

Ich habe immer, wenn ich etwas nicht verstanden habe, die entsprechende Stelle kenntlich gemacht (z.B. mit Farbe hinterlegt oder in anderer Farbe geschrieben) und den Chef drübergucken lassen. Das hat immer prima funktioniert und je länger ich seine Diktate gehört habe, desto eher wusste ich, was er bei undeutlich gesprochenen Wörtern meinte.

Anschreien bei Nachfrage geht jedenfalls überhaupt nicht. Und das gilt für mich generell im Verhältnis RA/Mitarbeiter.
Laurinchen
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#3

13.12.2020, 17:44

Danke für die Antwort. Meine Chefin ist oft nicht zu erreichen, von daher weiß ich nie, ob ich vor Ausdruck die unklaren Stellen klären kann. Ich hatte deshalb mehrere Stellen mit kleinen Postit markiert und bin deshalb übel in Ungnade gefallen. Sie fühlte sich von den rosa Zettel provoziert (ich glaube, das war sogar der genaue Wortlaut) und dann musste ich mir vorrechnen lassen wie teuer die wären. :kopfkratz

Auf meine letzte Frage, weil ich was nicht verstanden hatte, bekam ich zur Antwort :"Schreiben Sie nur irgendwas, im Zweifelsfall ist es sowieso immer verkehrt."

So langsam schwant mir, warum sie die Stelle nicht dauerhaft besetzt bekommt, vor allem nicht von einer Fachkraft. Angeblich sind alle Kräfte, die sie bisher hatte, dumm, faul, unwillig und alle Azubis waren nicht in der Lage den Beruf zu lernen. Es arbeiten nur ungelernte Kräfte in der Kanzlei.
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skugga
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#4

13.12.2020, 20:57

Ganz ehrlich? Such Dir schleunigst was Neues. Es gibt Leute, die ihren Sch*** echt alleine machen sollten.

Ganz nebenbei: ich hab Chefs die im Großen und Ganzen gut und verständlich diktieren, trotzdem brauche ich - es kommt ja immer noch irgendwas dazwischen, was einen im Schreiben bremst - für ein 16-Minuten-Diktat bei größtmöglicher Ruhe gut und gerne die doppelte Zeit. Und ich mach den Sums jetzt schon seit mehr als 32 Jahren.
Milchreis schmeckt ganz vorzüglich, wenn man ihn kurz vor dem Verzehr durch ein saftiges Steak ersetzt.
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#5

14.12.2020, 08:59

Nach 3 Wochen wirst Du angeschrien? Wenn Du die Möglichkeit hast, such Dir schnellstens was neues, geht gar nicht.

An Diktate schreiben und die unterschiedlichen Ausdrucksweisen muss man sich erstmal gewöhnen, das geht nicht von heute auf morgen; irgendwann wirst Du aber auf jeden Fall schneller. Auch ich hab heute immer wieder Stellen, die ich einfach nicht verstehe; manchmal hilft es, die Stelle mal laut - ohne Kopfhörer zu hören; ansonsten frei lassen, Hinweis dran; manchmal hilft auch kurzes googlen, wenn Du zumindest einen Teil des ungewohnten Wortes verstehst. Wenn Du Word benutzt, die Rechtschreibprüfung ist nicht fehlerfrei aber auch gar nicht so schlecht und findet auch mal falsche oder fehlende Komma; lasse ich immer nochmal kurz drüber laufen, auch bei kurzen Texten; manchmal sieht man die einfachsten Fehler nicht wenn man ständig auf den Text guckt.

Wie lange man für ein Band braucht ist ganz unterschiedlich; für ungewohnte Texte - z.B. wenn es mal ein anderes Rechtsgebiet betrifft - brauch ich auch mal länger für ein Band, auch wenn es die zeitlich gleiche Länge hat wie ein anderes; Nebenbeiarbeiten wie evtl. Adressen erfassen oder Suchen kommen ja auch noch dazu.
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#6

14.12.2020, 09:19

Laurinchen hat geschrieben:
11.12.2020, 17:59
Irgendwie scheint meine Chefin anzunehmen, dass ein 16 min-Diktat (ca. 6 Seiten) auch in ca. 16 min fertig sein soll? Ich habe heute für ein 15 min-Diktat ca. 1 h und 15 min gebraucht.
Als gelernte Reno mit jahrelanger Erfahrung auch im Diktate schreiben habe ich immer für ein Diktat mindestens doppelt so lange gebraucht, wie es diktiert wurde. Bei längeren Texten oftmals auch etwa die dreifache Zeit (in deinem Beispiel also etwa 45 Minuten). Wenn schlecht diktiert war, ich viel nachgucken und/oder rechnen musste und bei Störungen (Telefonate, Mandanten, Chefs ;-)) konnte es aber auch noch länger dauern.
Dass oft noch Etliches umgestellt und die Zeichensetzung angepasst werden muss, ist glaube ich normal, das muss ich jetzt, wo ich "nur noch" Korrektur lesen muss, auch noch tun.

Dass deine Chefin dich anschreit - zumal für Dinge, für die du noch nicht kannst (dass du nicht vom Fach bist, wird sie ja wohl wissen) - geht mal gar nicht und zeugt von schlechtem Stil/schlechter Mitarbeiterführung.
Ich würde mir das nicht lange gefallen lassen und entweder schleunigst ein ernstes Wort mit der Dame reden oder mir direkt was anderes suchen.
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#7

14.12.2020, 11:33

Es kommt immer darauf an, was es ist. Eine große Sache ist schneller geschrieben/erledigt als viele kleinere. Aber im Schnitt - da bin ich bei meinen Vorschreibern - kann man die doppelte Diktatzeit als Bearbeitungszeit rechnen.

Anschreien geht gar nicht. Such Dir was anderes.
Für die einen ist es die US-Wahl, für den Rest der Welt ist es 9/11
Laurinchen
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#8

14.12.2020, 13:13

Danke für die Antworten. Ich denke auch, dass es keinen Wert hat, dort weiter zu arbeiten. Schade, die Arbeit als solches macht Spaß, aber der Umgang dort geht irgendwie gar nicht.

Nachdem ich das erste Mal größere Schreiben gemacht hatte (laut Anweisung sollte ich es genauso schreiben, wie es diktiert wurde), lag tags drauf ein Zettel in der Unterschriftsmappe "Tolle Leistung - kein einziges Schreiben unterschriftsreif". Nach genauer Durchsicht, fand ich lediglich einen Fehler meinerseits (Namensschreibung). Alle anderen angeblich grauseligen Schreiben (Wortlaut meiner Chefin) entsprachen zu 100 % dem Phonodiktat (inklusive der diktierten Fehler). Kommaregeln hat sie mir auch noch dazu gelegt.

Manchmal frage ich mich, warum ich da nicht gleich den Kanzleischlüssel hingelegt habe und gegangen bin. Sarkasmus braucht man echt nicht.
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