Arbeit im Notariat - es ist wie im Irrenhaus

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Linda20032
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#1

17.03.2019, 16:26

Hallo zusammen,

mich interessiert es, wie es in anderen Notariaten zugeht. Es ist ja bekannt, dass wir Fachkräftemangel haben. Im Jahr 2016 hatten wir mal eine Stelle für eine Notarfachangestellte ausgeschrieben und keine einzige Bewerbung von einer Fachkraft erhalten! Wir haben dann eine RENO eingestellt, die aber nicht im Notariat gearbeitet hatte. War leider nicht so erfolgreich und wurde wieder beendet.

Zur Zeit - bzw. seit mehreren Jahren schon - sind wir zu dritt, 2 Vollzeitkräfte und eine Teilzeitkraft (25 Stunden/Woche). Wir haben ca. 1.200 Urkunden im Jahr.

Ich muss sagen, mein Beruf macht mir eigentlich Spaß, die beiden Kolleginnen bereiten die Urkunden vor und ich bin alleine mit der Abwicklung betraut (außer Handelsregister - davon haben wir aber nicht so viel). Bisher hab' ich es auch immer irgendwie geschafft, obwohl ich finde, dass es zu viel für 1 Person ist.
Dazu kommt noch, dass eine Kollegin gekündigt hat und wir jetzt auch noch Telefondienst und Mandantenempfang machen müssen, wo man ja ständig aus seiner Arbeit gerissen wird und was auch Zeit kostet.
Die Leute sind auch am Abdrehen. Wir sind schon schnell, aber scheinbar noch nicht schnell genug. Die werden immer anspruchsvoller.

Ich weiß nicht, wo das alles noch hinführen soll. Eine dezente Anfrage beim Chef, wie es mit Unterstützung aussieht, wurde erst mal auf Eis geschoben.

Unser Chef hat leider wenig Verständnis für unsere Belange, obwohl er immer so kumpelhaft tut. Er will von diesen Sachen nichts hören.
Wenn ich jetzt zu ihm gehen würde und sagen würde, ich schaffe die Arbeit nicht mehr (habe zur Zeit 22 (!) Akten auf dem Tisch und es kommt ja täglich mehr dazu - meistens so 4 bis 5 Stück mindestens), dann würde er sagen: "Dann müssen Sie eben Überstunden machen" - kostenlos - versteht sich. Das will ich aber nicht, sehe ich auch gar nicht ein. Er arbeitet ja auch nicht umsonst.

Ich glaube nicht, dass ich das noch bis zur Rente (in 11 Jahren) aushalten kann. Meine Kolleginnen sind auch fix und fertig. Eine sagte kürzlich: "Hoffentlich falle ich heute Abend einfach nur tot um". Ich finde das ganz ganz schlimm.

Ist das in allen Notariaten so, dass die Arbeit einfach zu viel ist und man nicht damit fertig wird? In 2018 war es besonders schlimm. Ich hatte sonst immer zwischendurch auch mal Tage, wo ich nichts zu tun hatte und Zeit war, Akten abzulegen. Dieses Mal nicht.

Es ist frustrierend, wenn man über Monate hinweg die Arbeit einfach nicht schafft. :sad:

LG

Linda
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paralegal6
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#2

18.03.2019, 07:11

Hallo, denke er sollte sich zumindest für Telefon und Mandanten jemand holen, damit ihr in Ruhe arbeiten könnt, das Problem vernünftige Kollegen zu finden ist im Notariat ja immer nochmal schwieriger als beim RA, wobei sie einem hier auch nicht grade die Tür einrennen
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Andy66
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#3

18.03.2019, 07:50

Du solltest dir gut überlegen, ob Du dir das weiterhin antun willst. Wie gesagt, wir haben Fachkräftemangel, da findest Du mit Sicherheit ganz fix was Neues. Wenn er nicht hören will, hilft es auch nicht, immer wieder mit ihm zu reden. Offenbar sieht er kein Problem. Und die Sache mit den Überstunden halte ich für eine Unverschämtheit. Immerhin verdient er ganz sicher genug daran, dass ihr euch krum arbeitet.
Erfahrung ist das, was man bekommt, wenn man das was man will nicht kriegt
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sh161
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#4

18.03.2019, 09:37

Linda20032 hat geschrieben:
17.03.2019, 16:26
dann würde er sagen: "Dann müssen Sie eben Überstunden machen" - kostenlos - versteht sich.

Sagt er das wirklich so oder glaubst du nur, er könnte das vermutlich so sagen? Manchmal reagieren Chefs anders, als man sich das vorher ausmalt.
Das will ich aber nicht, sehe ich auch gar nicht ein. Er arbeitet ja auch nicht umsonst.
Und genau SO würde ich ihm das dann auch entgegenhalten.
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Ramona A.
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#5

18.03.2019, 10:13

Ich verstehe nicht, wieso zwei Leute Urkunden vorbereiten und nur eine abwickelt. Die Abwicklung dauert doch viel länger mit Kopien und Siegeln pp.. Zumal du ja wahrscheinlich erst mal in die Urkunde reingucken musst, was eigentlich gemacht werden muss in welcher Reihenfolge.
Im übrigen ist Vorbereitung von Urkunden eigentlich und theoretisch Chefsache.
Ich würde in jedem Fall verlangen, dass jemand als Hilfe zum Kopien und Siegeln eingestellt wird. Das muss ja keine Fachkraft sein. Dann kannst du die Anschreiben vorbereiten und anschließend die Anlagen anfügen.
Sera
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#6

19.03.2019, 11:11

Mich würde auch interessieren, warum zwei Leute die Verträge vorbereiten aber nur einer mit der Abwicklung betraut ist. :kopfkratz

Wir sind hier zu zweit für eine Notarin zuständig und machen beide die Vorbereitung sowie die Abwicklung. Wir versuchen es auch so zu handhaben, dass derjenige, der Vertrag X vorbereitet hat, diesen dann auch abwickelt. Das klappt leider nicht immer, aber doch sehr oft.

Telefon und Mandantenemfpang machen wir dazu auch noch - muss eben sein, nervt jedoch.

Wir haben hier auch alle Hände voll zu tun und die Mandanten werden immer ungeduldiger. Am liebsten würden die meisten ihren Kaufvertrag gleich mitnehmen nachdem er beurkundet wurde (mal übertrieben gesagt...). Diesen Mandanten muss man dann aber irgendwie erklären, dass alles seine Bearbeitungszeit braucht.

Wenn es deinem Chef allerdings zu lange dauert, bis die Urkunden abgewickelt sind, dann liegt es an ihm da Verstärkung ranzuholen. Denn die kostenlosen Überstunden würde ich an deiner Stelle auch nicht machen. Ich denke auch, dass du dich evtl. nach einer neuen Stelle umschauen solltest, wenn sich nicht schnellstens was bei euch im Büro ändert. Es ist ja nicht so, als hätte unsere Berufsgruppe Probleme was zu finden.
Linda20032
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#7

23.03.2019, 18:25

Hallo zusammen,

entschuldigt, wenn ich erst jetzt antworte, aber ich bin abends einfach nur platt.

@paralegal6
Wir haben beschlossen, diese Woche mal mit ihm zu reden. Wobei eine der Kolleginnen meinte, es würde nichts bringen. Wir hätten ja keine Lösung. Ich allerdings finde die Lösung mit einer Hilfskraft, die nur die Mandanten empfängt und das Telefon bedient, schon mal sehr viel. Zumindest für mich, weil ich meistens die Telefonate vermitteln muss.
Früher konnte ich meistens in Ruhe arbeiten, als die Kollegin aus dem RA-Bereich das noch gemacht hat. Man glaubt ja nicht, wie das aufhält.....

@sh161
Ich werde demnächst mal mit ihm reden müssen wegen Überstunden. Habe zur Zeit 25 Urkunden zu bearbeiten und will in der Woche vor Ostern 4 Tage Urlaub haben. Urlaub dürfen wir allerdings erst dann nehmen, wenn der Schreibtisch leer ist. Ohne Überstunden ist das nicht zu schaffen. Dann werde ich sehen, was er sagt.

Die beiden anderen Kolleginnen machen schon seit Jahren - von sich aus - kostenlose Überstunden. Ich hab' das erst gar nicht angefangen, weil ich das nicht einsehe.
Aber von daher ist das für ihn selbstverständlich, was ich einfach unmöglich finde. Geizhals!!!


Ich habe auch schon über einen Wechsel nachgedacht. Das Dumme ist, man weiß ja nie, ob man nicht vom Regen in die Traufe kommt.......


@Ramona
Weiß nicht, hat sich so ergeben. Wenn man sich wenigstens darauf verlassen könnte, dass kopieren und siegeln ordentlich gemacht wird. Aber da haben wir schon Sachen erlebt........Die kontrollieren ja noch nicht mal, ob alle Seiten vollständig sind und man muss alles nachprüfen. Schlimm! Es gibt - außer uns - irgendwie keine zuverlässigen Leute mehr.

@Sera
Ja, die Leute sind sehr sehr ungeduldig. Ganz schlimm.


LG

Linda
Ramona A.
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#8

24.03.2019, 19:21

Es macht schon Sinn, zum Chef zu gehen und einen Vorschlag zu haben, wie man es anders machen könnte. Dass Chef's zu einer Lösungsfindung keine Lust haben, kennt man ja. Letztlich wird er auch nicht Rumsitzen und Däumchendrehen, für ihn soll es nur funktionieren.
Wären denn deine Kolleginnen bereit, auch die Abwicklung zu machen? Dann könnte man die Arbeit entweder nach Buchstaben oder nach Sachgebieten aufgliedern und gleichmässiger verteilen. Man müsste das Konzept gemeinsam erarbeiten und könnte sich dann darauf verständigen, es für eine bestimmte Zeit mal so zu versuchen. Wenn es nicht funktioniert, muss man neu überlegen. Beim Gespräch mit dem Chef kann und muss man dann natürlich auf die angefallenen Überstunden und deren Abgeltung hinweisen. Möglicherweise ist ihm das so nicht bewusst und er ist zu entsprechenden Zugeständnissen bereit.

Weiter Überstunden -wie auch immer bezahlt oder unbezahlt- zu machen, lösen das Problem nicht, sondern verschleiern es nur.
Sicherlich ist es schwierig, jemanden Gescheites zu finden aber auch nicht unmöglich.
Wichtig ist, dass deine Kolleginnen und du an einem Strang ziehen. Wenn da keine Einigkeit herrscht, kannst du es gleich vergessen. Dann ändert sich nichts.
Linda20032
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#9

25.03.2019, 19:50

Hallo Ramona,

heute habe ich mir ein Herz gefasst und dem Chef klipp und klar gesagt, dass ich meine Arbeit nicht mehr schaffe. Und dann gleich gesagt, ich würde gerne mal ein paar Überstunden machen, aber dann hätte ich dafür gerne auch einen Ausgleich.
Damit war er einverstanden - man höre und staune! - nix von wegen kostenlose Überstunden.

Ich hab' mich zunächst voll gefreut, endlich meinen Schreibtisch leer zu kriegen und ein bisschen Extra-Geld kann man ja auch immer brauchen.

Dann hat meine Kollegin das mitbekommen und ist daraufhin zum Chef und hat sich beschwert, sie hätte jahrelang gedacht, das sei im Gehalt mit enthalten und ich würde die Überstunden bezahlt bekommen.

Ende vom Lied: Ich darf also jetzt keine Überstunden machen und die Arbeit bleibt nach wie vor liegen :-(

O.k. dann ist es halt so. Obwohl mich das nervös macht, wenn ich 20 Akten auf dem Tisch habe. Hab' immer Angst, dass mir da mal was "durch die Lappen" geht.

Und ich frag' mich, wie das werden soll, wenn ich in Urlaub gehe. Normalerweise soll da immer der Tisch leer sein, aber mit der normalen Arbeitszeit ist das nicht zu schaffen.

Mir reicht es echt schon wieder für heute :-( :-( :-(

Dass jeder vorbereitet und bearbeitet, wäre eine gute Idee, aber ich hab' mit Vertragsvorbereitung nix am Hut. Das machen die anderen beiden.

LG

Linda
Ramona A.
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#10

26.03.2019, 08:20

Damit ist aber auch klar, dass ihr nicht an einem Strang zieht. Dann kannst du für dich einfach nur schauen, deine Arbeit so gut wie möglich zu organisieren und ansonsten sich nach etwas anderem umzusehen. Ich mache ja hier auch beides, also Vorbereitung und Abwicklung. Ich habe mir im Aktenschranke eine Schublade für die Abwicklung freigehalten. Dort hänge ich die Akten für den Tag herein, an dem ich sie bearbeiten möchte, je nach Dringlichkeit, die sich ja aus der Sache ergibt. Wenn ein Kaufpreis erst in vier oder fünf Monaten fällig ist und ich die Bearbeitungszeiten des zuständigen Gerichts und der abzulösenden Bank in etwa kenne, muss ich den Vertrag nicht am nächsten Tag nach der Beurkundung sofort abwickeln, das reicht dann auch noch eine Woche später. Bei Post ist es ähnlich. Ich bekomme die Post morgens auf den Tisch und sortiere dann, an welchem Tag der Woche ich die Sache bearbeiten muss. Das funktioniert ganz gut, man verzettelt sich dann nicht mit Sachen, die noch nicht so eilig sind und die eiligen Sachen bleiben nicht liegen.
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