Wahlanwaltsgebühren nach Freispruch bei Pflichtverteidigung

Fragen rund um die neuen Rechtsanwaltsgebühren nach RVG ab 01.08.2013
Trine
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#1

26.02.2019, 08:52

Guten Morgen zusammen,

ich habe eine Frage zu einem Fall.

Beiordnung Pflichtverteidigung liegt vor. Unser Mandant wurde freigesprochen. Nun habe ich Kostenerstattungsantrag gestellt und Wahlanwaltsgebühren festsetzen lassen wollen, auf Grund des Freispruches.

Grundgebühr 4100 200,00
Verfahrensgebühr 4104 165,00
Anrechnung Beratungshilfe -60,00
Verfahrensgebühr 4106 165,00
Terminsgebühr 4108 275,00
PTE 40,00
UST + Auslagen

Nun schreibt die Bezirksrevisorin Folgendes:

Es bestehen gegen die Höhe der Ansprüche grundsätzlich keine Bedenken. Allerdings kommt eine Festsetzung zu Gunsten des ehemals Angeklagten nur bei Vorlage einer Erklärung des Pflichtverteidigers, dass er auf die Pflichtverteidigervergütung verzichtet, oder bei Vorlage einer Abtretungserklärung in Betracht. Denn mit dem Kostenfestsetzungsantrag gem. § 464b StPO i.V.m. § 103 ff ZPO i.V.m. § 52 RVG wird der Erstattungsanspruch des Angeklagten geltend gemacht. Parallel dazu hat aber der Pflichtverteidiger selbst einen Anspruch auf die (geringere) Pflichtverteidiger-Vergütung gegen die Staatskasse. Die Verzichts- bzw. Abtretungserklärung ist daher erforderlich, um die Staatskasse vor eventuellen Doppelzahlungen zu schützen.
Eine getrennte Abrechnung von Pflichtverteidiger- und darüber hinausgehender Wahlanwaltsvergütung ist natürlich auch möglich.
Der Fairness halber weise ich darauf hin, dass der Verzicht auf die Pflichtverteidigervergütung die Möglichkeit eröffnet, in voller Höhe mit eventuellen Gegenansprüchen der Landeskasse an den Angeklagten aufzurechnen.

Aber was heißt das für mich? Der Mandant ist nicht ganz zuverlässig, dass so wenig wie möglich von ihm gefordert werden sollte. Aber was kann ich jetzt tun? Muss ich wie bei PKH zwei Abrechnungen in einem Erstattungsantrag stellen ? Einmal Pflichtverteidiger und dann einmal Wahlanwaltsgebühr abzgl. der Pflichtverteidigung?

So ganz weiß ich nicht, was ich jetzt machen soll. Ich habe nicht viel Ahnung von Strafrecht. :kopfkratz
Vllt. könnt ihr mir ja helfen, wie ich jetzt weiter verfahren soll?

Ich tendiere zu einem korrigierten Erstattungsantrag aber mit dieser Verzichtserklärung bin ich irritiert.

Einen schönen Dienstag wünsche ich euch. :wink2
:thx
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Adora Belle
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#2

26.02.2019, 09:16

Ich würde die PV-Vergütung abrechnen, und für die darüber hinausgehende Differenz die Abtretungserklärung des Mandanten gem. §43 RVG nachreichen. Das ist die sicherste Vorgehensweise. Oder für die ganze WA-Vergütung die Abtretungserklärung. Für beide Möglichkeiten ist natürlich Voraussetzung, dass Ihr die Erklärung vom Mandanten erhaltet.
Trine
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#3

26.02.2019, 09:21

Also gibt's keine andere Möglichkeit, als dem Mandanten hinterher zu laufen? Was meint die nette Dame mit ihrem letzten Absatz? : "Der Fairness halber weise ich darauf hin, dass der Verzicht auf die Pflichtverteidigervergütung die Möglichkeit eröffnet, in voller Höhe mit eventuellen Gegenansprüchen der Landeskasse an den Angeklagten aufzurechnen."

Ich wusste bis dato nicht, dass Erstattungsanträge im Strafrecht so kompliziert sein können.
:thx
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#4

26.02.2019, 09:27

Trine hat geschrieben:
26.02.2019, 09:21
Also gibt's keine andere Möglichkeit, als dem Mandanten hinterher zu laufen? Was meint die nette Dame mit ihrem letzten Absatz? : "Der Fairness halber weise ich darauf hin, dass der Verzicht auf die Pflichtverteidigervergütung die Möglichkeit eröffnet, in voller Höhe mit eventuellen Gegenansprüchen der Landeskasse an den Angeklagten aufzurechnen."

Ich wusste bis dato nicht, dass Erstattungsanträge im Strafrecht so kompliziert sein können.
Die Dame möchte euch damit den Hinweis geben, dass unter Umständen euer Mandant in einer anderen Angelegenheit PKH bzw. VKH erhalten hat und die Staatskasse dann damit aufrechnen könnte.
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#5

26.02.2019, 09:40

Wieso aufrechnen? Was hat eine andere Angelegenheit mit unserer zutun? Muss ich da jetzt irgendetwas beachten?
:thx
Feldhamster
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#6

26.02.2019, 10:00

Wenn die Staatskasse irgendwelche Forderungen gegen den Mandanten hat (egal ob aus anderen PKH/VKH-Verfahren, offene Geldstrafen oder sonstiges) und nunmehr euer Mandant einen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse wegen der Anwaltsgebühren hat, rechnet die Staatskasse grundsätzlich immer Erstattungsansprüche mit den eigenen Forderungen auf, so dass sich die anderen Forderungen gegen euren Mandanten verringern.
Dem könnt ihr nur entgegen, wenn ihr eine Abtretungserklärung von dem Mandanten unterschrieben vorlegt, dass er seinen Erstattungsanspruch aus dem Strafverfahren an euch RAe abtritt und ihr RAe diese Abtretung annimmt.
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#7

26.02.2019, 10:06

Vielleicht gibt es gar keine Gegenansprüche, aber das wisst Ihr eben nicht. Lasst einfach den Mandanten die Abtretung unterschreiben, in der Zwischenzeit könnt Ihr vorerst die PV-Vergütung geltend machen. Wenn Ihr die Abtretungserklärung habt, schiebt Ihr die Differenz nach.

Auf keinen Fall solltet Ihr auf die PV-Vergütung verzichten.
Trine
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#8

26.02.2019, 10:17

Also erst Pflichtverteidigervergütung geltend machen, um Frist zu wahren, parallel Abtretungserklärung beim Mandanten einholen über die komplette Summe der Wahlanwaltsvergütung und dann die Abtretung mit neuem Erstattungsantrag über Differenz zur Wahlanwaltsvergütung hinterherjagen? Hab ich das richtig verstanden?
:thx
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#9

26.02.2019, 10:41

So würde ich es machen. Wobei es keine Fristen zu wahren gibt. Der RPfl wird abwarten, ob Ihr nun den Verzicht erklärt, vorher kann er ja nicht festsetzen.

Ihr könnt den Schritt mit der PV-Vergütung auch weglassen und erstmal versuchen, die Abtretung vom Mandanten zu erhalten. Wenn Ihr die habt, könnt Ihr sofort die komplette WV-Vergütung geltend machen. Die PV-Vergütung wäre nur der Zwischenschritt, wenn so schnell wie möglich Geld fließen soll.
Trine
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#10

26.02.2019, 10:46

Wir haben eine Frist von 2 Wochen gesetzt bekommen vom Rechtspfleger. Oder ich beantrage eine Fristverlängerung.

Wie würdet ihr dem Mandanten erklären, diese Abtretungserklärung zu unterzeichnen ? Habe eine Abtretungserklärung vorbereitet. Nun muss ich den Mandanten überzeugen, diese zu unterzeichnen.
:thx
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