Anwalt besucht Mandant im Ausland - Reisekosten?

Fragen rund um die neuen Rechtsanwaltsgebühren nach RVG ab 01.08.2013
CeNedra
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#1

22.01.2019, 16:22

Huhu,

wir (Klägervertreter) haben hier gerade einen Fall, bei dem der Beklagte seinen ständigen Wohnsitz im Ausland (Spanien) hat und alle paar Wochen - warum auch immer - nach Belgien fährt.

Jetzt hat der gegnerische Anwalt (Sitz in Deutschland) im Kostenfestsetzungsantrag über 4000€ Reisekosten geltend gemacht, unter anderem einen 5-tägigen Aufenthalt im 5-Sterne-Hotel in Spanien mit Hin- und Rückflug und Abwesenheitsgeld, sowie 4x Reisen nach Belgien; jeweils mit der Begründung man hätte Unterlagen einsehen und umfangreiche persönliche Gespräche führen müssen.

Muss unser Mandant den "Urlaub" des anderen Anwalts (anteilig nach Kostenverteilung) zahlen?

ich habe nur Urteile gefunden, in denen ein ausländischer Mandant einen Anwalt in ganz Deutschland und nicht nur am Ort des Gerichts beauftragen muss. Weiter wären ja sogar die Reisekosten vom Ort des Mandanten nach Deutschland zu ersetzen - aber einen 5-Tägigen Aufenthalt in Spanien, sowie 4 Reisen nach Belgien?! :schock Kennt jemand da zufällig Urteile, die ggf auch auf die Verhältnismäßigkeit abstellen?

Danke :)
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Anahid
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#2

23.01.2019, 09:29

Grundsätzlich bin ich Deiner Meinung. Urteile find ich dazu leider auch nicht. Aber wir können Argumente suchen.

Der Beklagte ist eine Privatperson oder ist das eine Gesellschaft?
:katze2 Jeder Tag ist ein Geschenk ... aber manche sind einfach grottenschlecht verpackt. :katze1
CeNedra
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#3

23.01.2019, 10:34

Eine Privatperson, die - laut Aussage der Gegenseite - wegen ihres Alters nicht mehr Reisen kann (Wie kommt sie dann nach Belgien?)

Die Frage ist - kann man Mandant und Anwalt auf Telefongespräche verweisen? Kann man sie auf ein einziges persönliches Gespräch verweisen? Muss die Gegenseite nachweisen, dass die Gespräche - und so viele und so lang - notwendig waren?

Ein Argument wäre jedenfalls, dass ein Aufenthalt maximal mit einer Übernachtung für ein Gespräch - egal in welchem Umfang - vollkommen ausreichend gewesen wäre. Unterlagen hätte man mitnehmen, kopieren können, per Post oder Mail schicken können. Damit wären schonmal 3 von 4 Übernachtungen im Hotel weg, sowie mindestens 3 Tage Abwesenheitsgeld a 90€.
Feldhamster
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#4

23.01.2019, 10:45

Legt denn der gegn. RA für jede Reise konkret dar, weshalb die mehrtägigen Reisen ins Ausland erforderlich waren? 5 Tage Spanien für Besprechung und Unterlagensichtung kann ich zB. nicht nachvollziehen.


Gerold, 22. Auflage, VV 7003-7006 Rn 68:
"Es genügt, dass die Reise zweckmäßig war. Der RA darf die Reise nicht unnötig in die Länge ziehen. Er darf aber für die Hinfahrt ein Polster einplanen, um auch bei etwaigen Verzögerungen, zB. Stau, rechtzeitig zum Termin zu erscheinen (Celle, RVGreport 2012, 269 Rn 6.).

Ansonsten zu Übernachtungskosten dort ab Rn 71. Unter Rn 83 z.B. ausdrücklich, dass von den Hotelkosten Frühstückskosten abzuziehen sind, da diese aus dem Tage- und Abwesenheitsgeld zu bestreiten sind (Düsseldorf AGS 2012, 561; Karlsruhe AnwBl 1986, 110; Saarbrücken AGS 2014, 251).
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mücki
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#5

23.01.2019, 11:00

Erstmal stellt sich doch schon die Frage, ob der gegnerische Mandant die ach so dringend benötigten Unterlagen nicht per Post hätte übersenden können.

Dann gibt es eine Entscheidung des OLG FF/M die besagt, dass die Übernachtung in einem Mittelklassehotel ausreichend ist

https://www.burhoff.de/asp_weitere_besc ... e/4187.htm

Und dann habe ich da noch diesen - schon etwas älteren - Beitrag bei IWW gefunden, der wohl weiterhelfen könnte:

https://www.iww.de/rvgprof/archiv/ausla ... lts-f46971

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#6

23.01.2019, 11:57

Der gegnerische RA sagt dazu weiter gar nichts, außer, dass es notwendig war und sie ja schon Geld gespart haben, weil sie 4x nach Belgien und nicht nach Spanien gereist sind...

Reicht das theoretisch aus, wenn man einfach schreibt "Notwendigkeit bzw. Zweckmäßigkeit nicht ausreichend dargelegt"?

Der letzte Artikel von Mücki ist da besonders interessant: Je weiter weg, desto notwendiger muss es sein.

Darüber hinaus hat der gute RA auch die Preise ohne Abzug von Steuern angegeben und schön nochmal 19% oben drauf geschlagen. Aber das lässt sich ja einfach nachweisen, dass das nicht zulässig ist.
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icerose
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#7

23.01.2019, 12:04

CeNedra hat geschrieben:
23.01.2019, 11:57
Reicht das theoretisch aus, wenn man einfach schreibt "Notwendigkeit bzw. Zweckmäßigkeit nicht ausreichend dargelegt"?
Theoretisch ja. Aber womöglich weist er dann nach und du musst da noch mal ran. Würd ihm gleich den Wind aus den Segeln nehmen.
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mücki
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#8

23.01.2019, 12:38

Ich stimme icerose da zu:

Am besten gleich soviel wie möglich in den Schriftsatz reinpacken, damit man möglichst wenig (oder gar nicht) nachlegen braucht.

Also ausführen, das ein fünftägiger Aufenthalt in Spanien kaum dazu gedient haben kann, Informationen vom Mandanten zu beschaffen. Soll er mal nachweisen, was er an den fünf Tagen dort gemacht hat, bestimmt nicht 24/7 mit dem Mdt. über den Fall gesprochen. In diesem Zusammenhang vielleicht auch gleich auf die Entscheidung bzgl. des "Mittelklassehotels" hinweisen. (Falls eine Informationsreise von einem Tag Dauer zugestanden werden sollte, deren Notwendigkeit ihr aber bestreiten solltet.)

Dann würde ich Nachweise verlangen, wieso eine Beschaffung der Infos per Telefon, Mail, Post nicht möglich war.

Ich würde auch noch auf den Umstand eingehen, warum 4 Reisen nach Belgien nötig waren, wenn der Gegner in Spanien lebt? Ich weiß ja nicht wie das bei euch ist, aber ich pflege meine Unterlagen dort aufzubewahren, wo ich meinen ständigen Wohnsitz habe und nicht etwa in der Kleingartenanlage, in der wir einen Garten haben (obwohl das entfernungstechnisch keinen Unterschied machen würde) :mrgreen:

Also im Grunde genommen: Der Gegner hätte entweder alle Unterlagen auch bei einem Termin übergeben können (auch hier Notwendigkeit bestreiten, s.o.), der Rest hätte auf anderen wegen geklärt werden können.

Und dann habe ich noch das hier gefunden (auch schon etwas älter, dürfte aber gute Argumente enthalten):

https://www.iww.de/rvgprof/archiv/der-g ... tet-f35142

Insbesondere der Satz: "Ein auswärtiger Prozeßbevollmächtigter muß nur ausnahmsweise durch die Partei selbst informiert werden."

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#9

23.01.2019, 12:44

Ob ein einziges Gespräch ausreichend wäre, lässt sich nur anhand der Schwierigkeit und Komplexität des Streitfalls bemessen. In "einfach" gelagerten Fällen dürfte wohl ein einziges Informationsgespräch ausreichend sein. Ich würde hier auch darauf abstellen, dass gerade dann, wenn der Gegner so alt und gebrechlich ist, nicht ersichtlich ist, warum er dann keinen Anwalt in Spanien beauftragt hat; unabhängig davon, dass - wie Du ja selbst schon ausführst - nicht ersichtlich ist, warum der Gegner zwischen Spanien und Belgien hin- und herfliegen kann, aber nicht nach Deutschland. Vor allen Dingen unter der Prämisse, dass z.B. die Flugzeit von Brüssel nach Lancarote ebenso 4 Stunden dauert, wie der Flug von Lancarote nach Düsseldorf. Da ich nicht weiß, von welchen Orten hier konkret die Rede ist, kannst Du mit der Flugzeitsuche selbst die Zeiten vergleichen. Das alleine dürfte wohl schon ausreichen, um dem Anwalt einen Erstattungsanspruch abzusprechen.
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#10

23.01.2019, 15:09

Vielen Dank für eure Hilfe! :)

Dann argumentiere ich mal fein gegen jeden einzelnen Cent und warte ab, was der Richter dazu sagt. ;)

P.S.: Die Reisen nach Belgien waren "nur" Besprechungen, jeweils mit einer Übernachtung. Bei den Hotelkosten hat er aber tatsächlich das Essen weggelassen.

Ich werde berichten :)
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