Streitverkündung/Nebenintervention/PKH/Vergleich

Fragen rund um die neuen Rechtsanwaltsgebühren nach RVG ab 01.08.2013
Antworten
CeNedra
Forenfachkraft
Beiträge: 233
Registriert: 03.03.2017, 18:39
Beruf: RAin
Software: RA-Micro

#1

09.10.2018, 17:05

Huhu,

ich habe hier eine Sache, bei der wir alle nicht mehr durchblicken, was jetzt abgerechnet werden kann bzw. ob das Gericht das überhaupt richtig gemacht hat.

Folgende Situation:

Kläger verkünden unserem Mandanten den Streit - er soll laut Klägern auf Klageseite dem Streit beitreten. Wir beantragen für den Mandanten PKH mit der Maßgabe, dass er dem Streit nur beitreten wird, wenn PKH bewilligt wird. Am 24.10.17 wird PKH bewilligt, wir bekommen den Beschluss am 9.11.17, wir fordern einen Vorschuss an. Sonst passiert erstmal gar nichts, außer dass unser Vorschuss gezahlt wird. Nach mehrfacher Nachfrage erfahren wir vom Gericht im Mai 2018, dass am 24.10.17 ein Vergleich zwischen den Parteien protokolliert wurde.

Dabei wurde folgende Kostenregelung getroffen: "Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 58%, die Kläger 42%."

Auf Antrag von uns erlässt das Gericht daraufhin folgenden Beschluss: "Von den Kosten der Nebenintervention tragen die Kläger 42%, der Streitverkündete 58%"

Jetzt meine vielen Fragezeichen zu dem Ganzen: Ich bin vor allem dahingehend verwirrt, welche Kostenfolgen bezüglich der PKH die einzelnen Möglichkeiten hätten.

1) Ist schon fraglich, ob unser Mandant dem Streit überhaupt beigetreten ist, wenn der Beitritt unter dem Vorbehalt der Bewilligung von PKH erteilt wurde, die Bewilligung aber erst am Tag des Vergleichsschlusses erfolgt ist. Wir haben weder nach Bewilligung nochmals erklärt, dass unser Mandant dem Streit nunmehr beitritt, noch haben wir erklärt, auf welcher Seite er überhaupt beitreten will. Folgt man OLG Karlsruhe, Az. 7 W 16/07, ist kein wirksamer Beitritt erfolgt, wenn nicht erklärt wird, auf welcher Seite dem Streit beigetreten wurde.

In diesem Fall wären die Kosten der Streitverkündung allein der streitverkündenden Partei aufzuerlegen (Sänger, § 101 ZPO, Rn. 12), da keine Nebenintervention eingetreten ist.

Welche Kosten könnten wir in diesem Fall gegenüber den Klägern geltend machen? Wenn der Streitverkündete nicht beitritt, aber PKH für den Beitritt bewilligt bekommt, welche Kosten kann er dann geltend machen? Eine Geschäftsgebühr nach 2300 oder vorzeitige Beendigung nach Nr. 3101, oder ganz normal 1,3 VG, 1,2 TG, PTP und MwSt., gar nichts, weil er nicht beigetreten ist? :shock: Müssten wir dann den PKH-Vorschuss zurückzahlen? :kopfkratz

2) Das Gericht hat die Kosten der Nebenintervention zu 42% den Klägern und 58% dem Streitverkündeten auferlegt.
Nachdem die Kläger den Streit verkündet haben, mit der Aufforderung auf ihrer Seite beizutreten, müsse es nicht genau andersrum sein? Dass die Beklagte 58% der Kosten trägt und der Streitverkündete (so er denn wirksam beigetreten ist) 42%?

Könnten wir in diesem Fall die vollen Kosten im KfA ansetzen, also 1,3 VG, 1,2 TG, Pauschale & MwSt.? oder müssen wir etwas bei der TG beachten?

Und die wichtigste Frage: Egal ob 42% oder 58%: Wenn die Kläger oder die Beklagten uns den entsprechenden Anteil an den Kosten zahlen, wie viel müssen wir dann von dem PKH-Vorschuss wieder abgeben?
Wir haben als Vorschuss 1.062,08 € erhalten. 42% der Regelvergütung (insg. 2.094,40 €) wären 879,65 €. Was davon müssen wir jetzt abgeben? Die 58%, die der Mandant laut Beschluss zu tragen hat, die werden doch grundsätzlich von der Staatskasse übernommen, oder?

Je mehr ich recherchiere, desto verwirrter unsicherer werde ich. Ich weiß schon gar nicht mehr, ob ich sofortige Beschwerde einreichen soll, in der Hoffnung, dass den Klägern die Kosten zu 100% auferlegt werden bzw. den Beklagten zumindest zu 58%. Man will ja auch dem Mandanten nicht schaden.

Vielleicht könnt Ihr mir hier bei meinen Denkknoten helfen. Danke!
Feldhamster
Absoluter Workaholic
Beiträge: 1992
Registriert: 07.09.2018, 22:08
Beruf: Rechtsfachwirtin, Notarfachwirtin
Software: AnNoText
Wohnort: NRW

#2

09.10.2018, 23:01

Hallo,

ich versuche mal, Ordnung in deine „Chaosgedanken“ zu bringen:

1. Mandatsverhältnis Auftraggeber/RA
Euer Mandant hat euch beauftragt. Dh er ist euer Kostenschuldner. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation wurde ihm PKH bewilligt, so dass die Landeskasse die Anwaltsgebühren nach den PKH-Vorschriften für ihn übernimmt.
Jetzt ist zu überlegen, ob eine VG 3100 oder 3101 entstanden ist. Dein Sachverhalt gibt dazu nichts her, Aufsätze etc. habe ich dazu zwar gefunden, aber diese Frage ist mE nicht mehr relevant für dich.
Du schreibst, du hast PKH-Vorschuss abgerechnet und erhalten. Nach dem Wortlaut des § 47 RVG werden als Vorschuss nur bereits entstandene Gebühren gezahlt. Also hat das Gericht die von dir im PKH-Vorschuss angesetzte VG als entstanden angesehen.
Eine TG 3104 sehe ich nicht. Du schreibst nicht, dass ihr einen Termin wahrgenommen habt oder sonstige Tätigkeit (Besprechung mit Gegner etc) entfaltet habt, die eine TG entstehen lassen.

Somit ist euer Gebührenanspruch gegenüber dem Mandanten geklärt und bezahlt.


2. Kostenerstattungsanspruch eures Mandanten
Nun ist zu prüfen, ob für eure Anwaltsgebühren ein Kostenerstattungsanspruch des Mandanten besteht.
Ein ausdrücklicher Beitritt und auf welcher Seite ist nach deiner Schilderung nicht erfolgt.
Ohne Beitritt des Streitverkündeten habe ich folgenden Beitrag gefunden:
http://www.zpoblog.de/entscheidung-uebe ... verfahren/
ME passt die dortige Entscheidung des BGH vom 19.12.2013 – VII ZB 11/12 zu eurem Fall. Ich würde sie – da höheres Gericht und jünger – deiner Entscheidung des OLG Karlsruhe bevorzugen.
Ausgehend davon, dass die Klägerin eurem Mandanten den Streit verkündet hat und die Klägerin 42 % der Kosten trägt, hat sie auch 42 % der Kosten des Streithelfers (Streitverkündeten) zu tragen.

Daher würde ich überlegen, den Kostenbeschluss mit der Quote zu akzeptieren.


3.
Durch die bewilligte PKH ist der Kostenerstattungsanspruch nach § 59 RVG auf die Staatskasse übergegangen.
Das heißt, dass die Staatskasse sich darum kümmert, dass der durch Quotelung entstandene Kostenerstattungsanspruch durchgesetzt wird und sie wird vermutlich die Klägerin auffordern 42 % der im Wege der PKH an euch gezahlten Gebühren der Staatskosten zu erstatten. Die anderen 58 % würden gemäß dem Kostenbeschluss bei eurem Mandanten verbleiben und die Staatskasse würde im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens ihn regelmäßig anschreiben, um zu prüfen, ob durch eine Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse eine ratenweise Rückzahlung an die Staatskasse erforderlich ist.
Also brauchst du keinen Kfa zu stellen.
CeNedra
Forenfachkraft
Beiträge: 233
Registriert: 03.03.2017, 18:39
Beruf: RAin
Software: RA-Micro

#3

10.10.2018, 11:18

Huhu,
vielen Dank für deine Antwort.

Wahrscheinlich macht es Sinn, das so zu akzeptieren. Allerdings noch folgende Gedanken:

Das Urteil des BGH habe ich sogar gelesen. Da war der Streitverkündete aber im selbstständigen Beweisverfahren beigetreten. Bei uns wäre es ja so, dass gar kein Beitritt erfolgt wäre.

Möglicherweise könnte man aber folgendes aus dem Urteil auf den vorliegenden Fall übertragen: "Ein Beitritt setzt des Weiteren voraus, dass der Streithelfer rechtzeitig Kenntnis von dem Hauptsacherechtsstreit erhält. Erfährt er hiervon erst nach dessen Abschluss, könnte er seinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch nicht mehr geltend machen. In einem solchen Fall würde der Streithelfer häufig eine Erstattung seiner Kosten nicht mehr erlangen können."
D.h. wenn der Mandant nicht mehr rechtzeitig beitreten konnte, hat er gar keinen Kostenerstattungsanspruch.

Wir haben nur den PKH-Antrag begründet, also begründet, warum der Beitritt nicht mutwillig ist.
Wenn PKH für eine Klage beantragt wird und der Antrag wird abgelehnt, muss der Mandant ja, wenn der Anwalt hierauf nicht verzichtet, die 1,0 Gebühr Nr. 3335 VV RVG zahlen.
Nachdem PKH nun bewilligt wurde für den Beitritt, der Beitritt aber tatsächlich nicht erfolgt ist, gibt es ja keine VG, in die die VG fürs PKH-Verfahren aufgehen könnte. D.h. im schlimmsten Fall müsste der Mandant die 1,0 Gebühr selbst zahlen, wir müssen den PKH-Vorschuss komplett zurückzahlen und keine der Parteien muss irgendwas ersetzen.

Sehe ich das so richtig? Dann doch lieber akzeptieren, weil die Zahlungen, die wir vom Staat bekommen haben sind abzüglich der anteiligen Zahlungen der Gegenseite definitiv weniger (wenn der Mandant irgendwann mal wieder zahlungsfähig ist), als wenn der Mandant die 1,0 Gebühr voll aus eigener Tasche zahlen müsste.

Da wir einen Vorschuss auch für die Terminsgebühr erhalten haben, müssen wir die wohl wieder zurückerstatten. Wie macht man das? Neuen Antrag auf Festsetzung der Vergütung stellen und mitteilen, welche Gebühren man bereits vom Staat erhalten hat?
Feldhamster
Absoluter Workaholic
Beiträge: 1992
Registriert: 07.09.2018, 22:08
Beruf: Rechtsfachwirtin, Notarfachwirtin
Software: AnNoText
Wohnort: NRW

#4

10.10.2018, 11:44

1.
In dem Urteil des BGH ist kein Beitritt erfolgt:
Beschluss vom 19.12.2013 – VII ZB 11/12

Mit Beschluss vom 19.12.2013 – VII ZB 11/12 hat der VII. Senat daran anknüpfend entschieden, dass über die Kosten des nicht beigetretenen Streithelfers auch dann (durch gesonderten Beschluss) zu entscheiden sei, wenn das Hauptsacheverfahren mit einem Vergleich endet. Die Kostenentscheidung dem Streithelfer gegenüber habe sich dabei inhaltlich nach der im Vergleich vereinbarten Kostenregelung zu richten:

„Der sich aus der entsprechenden Anwendung des § 101 Abs. 1 ZPO ergebende Grundsatz der Kostenparallelität führt dazu, dass der Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers inhaltlich dem Kostenerstattungsanspruch entspricht, den die von ihm unterstützte Hauptpartei gegen den Gegner hat. Das gilt nicht nur für richterliche Kostenentscheidungen nach Maßgabe der §§ 91 bis 97 ZPO, sondern, wie sich aus der Bezugnahme des § 101 Abs. 1 ZPO auf § 98 ZPO ergibt, auch bei Vereinbarungen der Parteien über die Verteilung der sie betreffenden Prozesskosten in einem Vergleich, den sie ohne Beteiligung des Streithelfers geschlossen haben. Eine solche Vereinbarung ist nach § 101 Abs. 1, § 98 ZPO maßgeblich für die Verteilung der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.“


2.
Du musst weiter zwischen Entstehung und Erstattungsfähigkeit der Gebühren unterscheiden. Hier ganz gut unter Rz 39 beschrieben:
https://www.haufe.de/recht/deutsches-an ... 19597.html

Danach kann durchaus die 1,3 Nr. 3100 für euch bzw. euren Mandanten entstanden sein. Da das Gericht den Vorschuss an euch gezahlt hat, sieht das Gericht das anscheinend auch so. Also würde ich mir über die 3335 gar keine Gedanken machen.
Die Frage ist, ob die 3100 erstattungsfähig im Rahmen der Kostenausgleichung/Kostenfestsetzung ist. Das wäre aber mE wegen des Übergangs nach § 59 RVG von der Staatskasse zu prüfen.


3.
Warum ihr die Terminsgebühr von der Staatskasse erhalten habt, verstehe ich nicht, da ihr nach deiner Schilderung weder am Termin mitgewirkt habt noch diese sonstwie entstanden ist. Wenn du in der Akte nicht noch irgendeine Tätigkeit für das Entstehen der Terminsgebühr hast, würde ich nun eine endgültige PKH-Rechnung (vorher war es nur eine Vorschussrechnung) nur über die 3100 machen abzgl. des erhaltenen Vorschussbetrages. Es müsste sich dann ein Guthaben für die Staatskasse bezüglich der Terminsgebühr + USt ergeben. Insoweit würde ich das Gericht um die Bekanntgabe einer Bankverbindung zwecks Erstattung bitten.
CeNedra
Forenfachkraft
Beiträge: 233
Registriert: 03.03.2017, 18:39
Beruf: RAin
Software: RA-Micro

#5

11.10.2018, 13:24

Das ist mir jetzt soweit klar. :) Danke!

Jetzt verwirrt mich allerdings das Gericht wieder leicht. Wir hatten einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt und haben daraufhin die Antwort bekommen:

"Bezugnehmend auf Ihren Kostenfestsetzungsantrag vom ... und den Antrag auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts vom ... wird um Mitteilung gebeten, inwieweit welcher Antrag gelten soll. Eine Erstattung des Betrages aus der Staatskasse neben einer Festsetzung gegen die Klagepartei kann nicht erfolgen."

Nach meinen Berechnungen müssten wir PKH-Gebühren (ohne TG) bekommen in Höhe von 563,70. Die Kläger müssten 42% der Regelgebühren zahlen: 462,22.

Sehe ich das richtig, dass wir dann bezüglich Kostenfestsetzung gar nichts tun brauchen, weil wir eh mehr bekommen haben und der Staat macht die 42% Regelgebühren selbst geltend?
Feldhamster
Absoluter Workaholic
Beiträge: 1992
Registriert: 07.09.2018, 22:08
Beruf: Rechtsfachwirtin, Notarfachwirtin
Software: AnNoText
Wohnort: NRW

#6

11.10.2018, 14:21

Doch, du musst was tun: entweder den Kfa gegen die Klägerin zurücknehmen oder den PKH-Vergütungsantrag.

Ich würde - allein schon um einen gesicherten Zahlungsschuldner zu haben - den PKH-Vergütungsantrag weiter laufen lassen und den Kfa gegen die Klägerin zurücknehmen. So muss sich die Staatskasse aufgrund des Übergangs mit der Klägerin auseinandersetzen. Du schreibst selbst, dass 42 % Wahlanwaltsgebühren weniger sind als die PKH-Gebühren.

Du könntest allenfalls noch daran denken, den Kfa zu korrigieren als Kfa nach § 126 ZPO. Das würde bedeuten, dass dein RA im eigenen Namen den Kfa gegen die Klägerin wegen der Differenz Wahlanwaltsgebühren/PKH-Gebühren stellen kann (RA ist also Gläubiger, nicht euer Mandant). Du musst ausdrücklich schreiben "...beantrage ich gemäß § 126 ZPO...."
Wenn du das machen willst, muss aber auch wieder die Quotelung von 42 % und die erhaltene PKH-Vergütung beachtet werden. Ob dann betragsmäßig irgendwas Festsetzbares bei rauskommt, weiß ich nicht. Zudem kommt dann wieder der Streit auf, lag wirksamer Beitritt vor, welche Verfahrensgebühr ist erstattungsfähig etc. Ob ich mir an deiner Stelle diese ganze Arbeit machen würde....ich eher nein.
Feldhamster
Absoluter Workaholic
Beiträge: 1992
Registriert: 07.09.2018, 22:08
Beruf: Rechtsfachwirtin, Notarfachwirtin
Software: AnNoText
Wohnort: NRW

#7

11.10.2018, 14:23

P.S.
ich stelle diese § 126 ZPO-Anträge nur bei 100 % Kostenlast der Gegenseite.
Antworten