Abrechnung nach Verfahrensstadium, was ist entscheidend?

Fragen rund um die neuen Rechtsanwaltsgebühren nach RVG ab 01.08.2013
Julianchen
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#1

09.12.2013, 10:52

Guten Morgen,

ich brauche mal wieder einen Rat.

Wir haben eine Sache angenommen, bei der die Mandantin mit einem ihr zugestellten Mahnbescheid kam. Die Anwältin hat sie beraten. Den Widerspruch hat sie selbst eingelegt. Ob das Verfahren zwischenzeitlich abgegeben ist, weiß ich nicht. Der Antragsteller hat die sofortige Abgabe beantragt.

Nun hat meine Chefin ein anwaltliches Aufforderungsschreiben gemacht und stellt der Gegenseite eine Geschäftsgebühr in Rechnung, also als Schadenersatz. Ich war der Meinung, da die Sache anhängig und ggf. bereits abgegeben ist, dass dafür kein Raum mehr ist.

Wie ist das in dem Fall?
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#2

09.12.2013, 11:17

Der Mahnbescheid kam doch von der Gegenseite und betrifft eine Geldforderung. Wozu fordert denn Deine Chefin die Gegenseite in ihrem Schreiben auf?
:katze2 Jeder Tag ist ein Geschenk ... aber manche sind einfach grottenschlecht verpackt. :katze1
Julianchen
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#3

09.12.2013, 11:31

Das hat sie mir nicht verraten. :wink: Ich habe ihr auch gesagt, dass wir bereits im Widerspruchsverfahren sind. Was sie wem warum schreibt, ist ja ihre Sache. Aber für eine Geschäftsgebühr seh ich keinen Raum, auch wenn sie meint, sie wäre nicht direkt mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens beauftragt.
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#4

09.12.2013, 11:42

Wenn es bei diesem Aufforderungsschreiben nur darum geht, den bereits per MB geltend gemachten Anspruch zu bestreiten, dann geb ich Dir Recht. Die Frage ist halt wie ihr Auftrag lautet. Soll sie Eure Mandantin später im streitigen Verfahren vertreten? Nur alleine aufgrund Deiner Angaben könnte ich Dir jetzt nicht sagen, was sie genau abrechnen kann. Aber in einem geb ich Dir Recht: eine GG kann es nicht sein, wenn es um den Anspruch des Mahnverfahrens geht.
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Julianchen
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#5

09.12.2013, 12:15

Was genau bzgl. der Vertretung abgesprochen ist, weiß ich nicht. Meine Chefin meint, sie sei für das Widerspruchsverfahren nicht beauftragt und könne daher eine Geschäftsgebühr von der Gegenseite erstattet fordern. Sie fordert von der Gegenseite in dem Schreiben, die Sache als erledigt zu erklären und ihre Gebühren zu erstatten. Sie hat auch geschrieben, dass sie als PBV benannt werden soll, sollte die Sache weiterverfolgt werden. Wie gesagt, die Gegenseite hatte im Mahnbescheid bereits Abgabe beantragt. Eventuell ist die Sache auch schon abgegeben an das streitige Gericht.
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#6

09.12.2013, 14:26

Okay...wenn sie angibt, dass sie als PBV angegeben werden kann, dann muss sie ja insoweit bereits einen Auftrag haben. Es ist ganz egal, ob Deine Chefin mit dem Widerspruch beauftragt ist oder nicht; Fakt ist, es ist ein Mahnverfahren anhängig und wenn sie wegen dieses Anspruchs aus dem Mahnverfahren tätig wird, dann kann keine außergerichtliche Gebühr mehr anfallen, sondern allenfalls eine Gebühr im Mahnverfahren bzw. eine Gebühr im Streitverfahren. Klar passt ihr das nicht, weil die GG ja erstmal höher wäre. Aber wenn es nur um den Gegenstand des Mahnverfahrens geht, steht ihr eine GG nicht zu. Wenn sie also angibt, PBV zu sein, dann kann sie höchstens eine 1,3 VG nach 3100 abrechnen, da ja schon im Mahnverfahren die Abgabe beantragt wird und die kann sie nicht im Schadensersatzwege geltend machen, sondern muss auf eine entsprechende KGE im gerichtlichen Verfahren warten. Auf deutsch: Das Schreiben von ihr war "umsonst". Sie kann dafür keine extra Gebühr fordern.
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#7

09.12.2013, 14:31

Danke, das entspricht auch meiner Auffassung. Ich hoffe, ich kann ich das auch "verdeutlichen".
Julianchen
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#8

18.12.2013, 12:12

Ich muss den Thread nochmal nach oben schieben, da ich grad an 10 Jahren Berufserfahrung zweifle.

Wir hatten heute in einer anderen Sache das gleiche Thema wieder.

Die Gegenseite hat ein PKH-Bewilligungsverfahren eingeleitet. Wir haben uns angezeigt. Die Anwältin hat hauptsächlich mit dem gegnerischen Anwalt Korrespondenz geführt, um die Sache zu erledigen. Der Vergleichsabschluss steht kurz bevor. Jetzt haben wir die gleiche Diskussion wieder, dass meine Chefin eine Geschäftsgebühr abrechnen und diese auf die gerichtliche Gebühr anrechnen möchte. Wir waren vorgerichtlich nicht tätig. Sie meint außergerichtlich war sie tätig, da sie ja mit dem Anwalt geschrieben hat.

Ich will das nicht mehr ausdiskutieren, weiß aber nicht, was ich ihr vorlegen kann, damit sie mir glaubt. Ich zweifle wirklich an mir selbst. :(
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#9

18.12.2013, 13:28

Wenn der RA "sich anzeigt", dann muss er doch Verfahrensauftrag haben. Die Gebühren richten sich nach dem Auftrag. Für einen gerichtlichen Auftrag können keine außergerichtlichen Gebühren entstehen. Und jetzt, extra für die Kollegin, ganz deutlich:

§ 19 - Rechtszug; Tätigkeiten, die mit dem Verfahren zusammenhängen
Zu dem Rechtszug oder dem Verfahren gehören ... insbesondere
2. außergerichtliche Verhandlungen
Julianchen
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#10

18.12.2013, 13:52

Ok vielen Dank. Das ist eindeutig.

Aber nochmal zu dem Ausgangsproblem des Threads mit dem Widerspruchsverfahren. Im Kommentar steht auch, dass es da auf den unbedingten Auftrag ankommt, was man abrechnen kann, auch wenn außergerichtliche Verhandlungen geführt werden und ein gerichtliches Verfahren nebenbei läuft. Da kann man wohl auch einen Auftrag nur für das außergerichtliche Verfahren haben und dann keine Gebühr nach 3100 abrechnen. Zählt der Satz "Wir bitten Sie, uns als Prozessbevollmächtigte zu benennen" als unbedingter Auftrag?

Meine Dozentin im Fachwirtkurs meinte auch, dass es hier definitiv keine Geschäftsgebühr gibt. Aber der Kommentar § 19 zu Absatz 2 macht mich in dem Fall unsicher.
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