AG erkennt vorgerichtl. RA-Gebühr nur i. H. v. 0,3 an

Fragen rund um die neuen Rechtsanwaltsgebühren nach RVG ab 01.08.2013
Kroete
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#1

04.09.2013, 16:39

Hey,

ich stolpere hier gerade über etwas mir völlig Neues:

Folgender Fall:
Wir sind beauftragt, für unsere Mandantin eine Nebenkostenabrechnung für Wohnraum geltend zu machen.
Zunächst außergerichtliches Aufforderungsschreiben, dann Mahnbescheid, gegen den Widerspruch eingelegt wird. Im folgenden Klageantrag haben wir die außergerichtliche RA-Gebühr in voller Höhe als Nebenforderung geltend gemacht.

Jetzt sagt das Gericht (AG Hameln):
"Die vorgerichtlich entstandenen RA-Gebühren sind als Verzugsschaden entsprechend dem Vergütungsverzeichnis zu § 2 Abs. 2 S. 1 RVG lediglich in Höhe einer 0,3-Gebühr (Nr. 2302) schlüssig, denn dem Gericht erscheint die Entstehung eines vorgerichtlichen anwaltlichen Gebührenanspruchs gem. Nr. 2300 VV RVG als unschlüssig, da bereits vorgerichtlich ein unbedingter Klageauftrag hättet erteilt werden müssen. Es ist - insbesondere aufgrund der erfolglos gebliebenen Zahlungserinnerungen der nunmehr klagenden Partei - nicht zu erkennen, welche besondere Umstände das Vertrauen rechtfertigen, der Schuldner werde leisten, ohne dass zuvor gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss."

Wah? Kennt jemand eine entsprechende Entscheidung? Oder kann mir Gegenargumente liefern? Oder hat das Gericht etwa Recht, und ich kann froh sein, dass es überhaupt 0,3 nach 2302 zusprechen will??
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Adora Belle
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#2

04.09.2013, 18:14

Nett. Die Argumentation ist aber für mich nicht schlüssig.

Entweder es durfte damit gerechnet werden, dass die vorgerichtliche Aufforderung wirkt. Dann sind die entstandenen Kosten notwendig und erstattungsfähig.

Oder es war von vornherein klar, dass außergerichtlich nichts mehr geht. Dann wäre die erneute (anwaltliche) Aufforderung nicht notwendig gewesen.

Oder der Auftraggeber durfte damit rechnen, dass die Aufforderung fruchtet. Aber in der Sache ist eine 1,3 GG nicht gerechtfertigt, weil es nur um ein einfaches Schreiben geht. Ausschliesslich in diesem Fall könnte wie oben entschieden werden.
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Jana47
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#3

05.09.2013, 08:34

Ich sehe es wie Adora Belle.

Es ist doch spannend, dass das Gericht nicht nur in den Kopf des Beklagten zum Zeitpunkt vor Klagerhebung hineinschauen kann, sondern im Grunde den Mandanten in seiner Entscheidungsfreiheit vor Klagerhebung beschränkt. Es ist doch wohl Sache des Mandanten, welchen Auftrag er seinem Anwalt erteilt. Er kann schließlich erst alle vorgerichtlichen Optionen ausschöpfen und sich dann entscheiden, ob - und ggf. in welcher Höhe - er seine Ansprüche auf dem gerichtlichen Wege weiterverfolgt (ich werde auch mal Schadenminderungspflichten im Hinblick auf RS-Versicherer pauschal in den Raum; ich überblicke deren ARB nicht). Die gerichtliche Schlussfolgerung, dass dann, wenn der Gegner auf "privates" Mandantenschreiben nicht reagiert, auch auf ein anwaltliches Schreiben keine Reaktion zeigt, hat für mich auch keine Grundlage.

(Entscheidungen hierzu kenne ich nicht).
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#4

05.09.2013, 11:25

Danke für die Antworten. Dann sehen wir das wohl alle ähnlich... Komisches Gericht! Ich werde mal weiter stöbern, ob ich irgendetwas finde.
Eigentlich sollten die Gerichte doch froh sein, dass man - als Anwalt - außergerichtliche Aufforderungsschreiben macht. Immerhin sitzt da ein bisschen mehr "Druck" dahinter, als wenn der Mandant "privat" mahnt. Dadurch sollen doch auch Gerichte entlastet werden! Naja....

Ich werde weiter berichten, falls es interessiert! ;-)
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#5

05.09.2013, 11:27

@ Andora Belle: Was ich bei Deinem Beitrag nicht ganz verstehe, wieso eine 1,3 GG nach 2300 nicht gerechtfertigt sein sollte. So rechnet man doch außergerichtliche Aufforderungsschreiben ab?! Oder verstehe ich da jetzt etwas komplett falsch?
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Adora Belle
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#6

05.09.2013, 11:33

Es gibt auch noch sowas wie ein "einfaches Schreiben". In dem Fall fällt eben keine 2300, sondern eine 2302 an. Und es gibt auch noch sowas wie Ermessen. Innerhalb des Gebührenrahmens der 2300 kann was anderes anfallen als eine 1,3. Es entsteht nicht automatisch eine 1,3.
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#7

05.09.2013, 12:21

Das AG Hameln bezieht sein Wissen bestimmt aus der Entscheidung hier: Amtsgericht Kehl, Urt. v. 04.01.2005, Az.: 4 C 740/04

Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass es bereits Entscheidungen gibt, die die 1,3 als gerechtfertigt ansehen, da der Anwalt ja nicht nur das "einfache Schreiben" machen muss. Vor jeder Auftragserteilung steht in der Regel eine Beratung und der Anspruch ist vor Geltendmachung durch den Rechtsanwalt auch zu überprüfen, um die Erfolgsaussichten abklären zu können. Wie oft mir hier schon falsche Rechnungen vorgelegt wurden, die so vor Gericht keinen Bestand gehabt hätten, kann ich gar nicht zählen.

Nur leider finde ich eine entsprechende Entscheidung grad nicht :cry:
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#8

05.09.2013, 12:58

Adora Belle hat geschrieben:Nett. Die Argumentation ist aber für mich nicht schlüssig.

Entweder es durfte damit gerechnet werden, dass die vorgerichtliche Aufforderung wirkt. Dann sind die entstandenen Kosten notwendig und erstattungsfähig.

Oder es war von vornherein klar, dass außergerichtlich nichts mehr geht. Dann wäre die erneute (anwaltliche) Aufforderung nicht notwendig gewesen.

Oder der Auftraggeber durfte damit rechnen, dass die Aufforderung fruchtet. Aber in der Sache ist eine 1,3 GG nicht gerechtfertigt, weil es nur um ein einfaches Schreiben geht. Ausschliesslich in diesem Fall könnte wie oben entschieden werden.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich würde es verstehen, wenn es sich um ein Schreiben einfacher Art handeln würde. Allerdings schreibt das Gericht dazu ja nichts.
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#9

05.09.2013, 13:04

Klar gibt es auch 2302. Den nehmen wir aber nie als Grundlage für ein Aufforderungsschreiben. Und Mittelgebühr (1,3) für ein Aufforderungsschreiben ist absolut üblich. Oder nimmt wer in diesem Forum für ein Aufforderungsschreiben weniger als 1,3?

Naja, das Gericht fragt jedenfalls, ob - soweit das Gericht vorstehend Bedenken geäußert hat - die Klage zurückgenommen wird.

Da werden wir wohl zurücknehmen...

Ich kann dem Gericht ja jetzt schlecht schreiben, dass es seine Auffassung unschlüssig dargelegt hat. Dann krieg ich nämlich höchstwahrscheinlich gar nix!

;-(
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Adora Belle
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#10

05.09.2013, 13:48

1,3 ist nicht die Mittelgebühr. Die beträgt 1,5.

Ich würde nicht zurücknehmen. Das ist Nebenforderung und erhöht den Streitwert nicht. Bei Abweisung dürfte auch keine Quotelung folgen.
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