Familiensache - Welche Streitwerte für welche Gebühren?

Fragen rund um die neuen Rechtsanwaltsgebühren nach RVG ab 01.08.2013
BBTB
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#1

17.06.2015, 09:19

Ich habe hier mal wieder eine etwas wirre Familienakte auf dem Tisch, die ich nun abrechnen soll. Allerdings weiß ich gar nicht so recht was bzw. mit welchen Streitwerten ich hier abrechnen kann.

Es wurde seinerzeit von der Gegenseite der Antrag auf Scheidung gestellt. Später dann noch ein Antrag (Scheidungsfolgesache) unsererseits, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin Auskunft über Anfangs- und Endvermögen erteilen soll. In dem Termin zur Scheidung wurde dann ein Scheidungsfolgenvergleich getroffen, den die Anwälte untereinnder Wochen vorher schon miteinander ausverhandelt haben.

In dem Beschluss des Gerichts steht daher, dass die Beteiligten einen Scheidungsfolgenvergleich mit Inhalt X treffen (hierin enthalten: elterl. Sorge, Umgangsrecht, Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt, Zugewinnausgleich, Hausrat und Versorgungsausgleich).

Es wurde also dieser Vergleich beschlossen sowie:
Die am ... geschlossene Ehe der Beteiligten wird geschieden.
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Zu den Werten des Verfahrensgegenstandes führt das Gericht aus:
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für das Scheidungsverfahren auf 30.000 €, für den Versorgungsausgleich auf 12.000 € und für den Vergleich und Mehrvergleich wird der Verfahrenswert auf 145.000 € festgesetzt.
Der Wert der Folgesache GÜ wird auf 500 € festgesetzt.

Normalerweise hätte ich ja nun gedacht, dass ich die 1,3 VG aus dem Streitwert Scheidung + VA berechne, eine 0,8 aus dem Differenzsstreitwert (145.000 € abzgl. Scheidung + VA), eine 1,2 TG aus 145.000 € ...

Aber irgendwie wird das wohl so nicht stimmen. Ich bin durch die Formulierung "für den Vergleich und Mehrvergleich" überfordert und weiß auch nicht so ganz, wo ich diese "Folgesache GÜ" mit 500 € einordnen soll.

Eine Berechnung müsste wohl so aussehen:
Aber welcher Streitwert ist denn nun für welche Gebühr relevant?

1,3 VG aus SW: ...
0,8 VG aus SW: ...
Berechnung, dass beide Gebühren zusammengerechnet nicht höher sein dürfen als eine 1,3 VG aus einem SW von ...
1,2 TG aus SW: ...
1,0 EG aus SW: ...
1,5 EG aus SW: ...
Berechnung, dass beide Gebühren zusammengerechnet nicht höher sein dürfen als eine 1,5 EG aus einem SW von ...
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#2

17.06.2015, 09:24

Anhängig war Scheidung, VA und GÜ. Aus diesen zusammengerechneten SW entsteht die 1,3 VG und die 1,2 TG. Da über den VA ein Vergleich geschlossen wurde, entsteht aus diesem SW noch eine 1,0 EG.

Von dem Vergleichswert ist dann der SW vom VA abzuziehen, so dass ein Mehrvergleich über 133.00,00 Euro verbleibt.

So, jetzt mach mal einen Vorschlag, wie du abrechnen würdest.
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#3

17.06.2015, 09:38

Dankeschön. Ich verstehe nur nicht, warum von dem Vergleichswert nur der VA abzuziehen ist. Muss nicht auch der Scheidungswert und der GÜ-Wert abgezogen werden, damit man den Mehrvergleichswert hat? Mein Abrechnungsvorschlag wäre nun:

1,3 VG aus SW: 42.500 € (Scheidung + VA + GÜ)
0,8 VG aus SW: 102.500 (145.000 € Vergleichswert abzgl. Scheidung, VA und GÜ, somit bleiben noch die Restwerte der nicht anhängigen Sachen übrig)
Berechnung, dass beide Gebühren zusammengerechnet nicht höher sein dürfen als eine 1,3 VG aus einem SW von 145.000 €
1,2 TG aus SW: 145.000 (es wurde ja auch über die nicht anhängigen Punkte vor dem Termin zwischen den Anwälten verhandelt um den Scheidungsfolgenvergleich abzustimmen)
1,0 EG aus SW: 500 € (GÜ)
1,5 EG aus SW: 102.500 (145.000 € Vergleichswert abzgl. Scheidung, VA und GÜ)
Berechnung, dass beide Gebühren zusammengerechnet nicht höher sein dürfen als eine 1,5 EG aus einem SW von 145.000.
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#4

17.06.2015, 09:50

Vom Vergleichwert sind die Scheidung und GÜ nicht abzuziehen, da hierüber kein Vergleich geschlossen wurde. Über Scheidung kann sich im i.Ü. nie verglichen werden.

Die TG bekommst du nicht aus dem Mehrwert, wenn hierüber nicht im Termin erörtert wurde.

1,3 VG aus SW 42.500,00
0,8 VG aus SW 133.000,00
Berechnung, dass beide Gebühren zusammengerechnet nicht höher sein dürfen als eine 1,3 VG aus einem SW von 175.500,00
1,2 TG aus SW 42.500,00 (sofern über GÜ auch verhandelt bzw. erörtert wurde)
1,0 EG aus SW 12.000,00
1,5 EG aus SW: 133.000,00
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#5

17.06.2015, 10:11

Liesel hat geschrieben:Vom Vergleichwert sind die Scheidung und GÜ nicht abzuziehen, da hierüber kein Vergleich geschlossen wurde. Über Scheidung kann sich im i.Ü. nie verglichen werden.
Ach ok, jetzt merke ich, wo mein Denkfehler diesbezüglich lag. Bei so vielen miterledigten Sachen usw. hat mein Kopf einfach nur geraucht :mrgreen:

Vielen lieben Dank für deine Hilfe. Ohne dich wäre ich jetzt hier mit der Akte nicht weitergekommen :thx
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#6

17.06.2015, 10:37

Ich muss hier wegen der Terminsgebühr nochmals einhaken. Im Enders steht zum Thema Scheidungsfolgenvereinbarung, dass - wenn über die nicht anängigen Folgesachen eine auf die Vermeidung des Verfahrens gerichtete Besprechung geführt wird - nach dem Wert der nicht anhängigen Folgesachen, die Gegenstand einer derartigen Besprechung waren - auch eine 1,2 Terminsgebühr entsetht. "Unerheblich ist, ob diese Besprechung vor Gericht oder außergerichtlich geführt wird." Darunter ist dann ein Beispielfall in dem auch nur Scheidungsantrag gestellt wurde und von Amts wegen dann auch der VA anängig wurde. Dann kamen die nicht anhängigen Sachen hinzu über die ein SCheidungsfolgenvergleich geschlossen wurde und auch der hierfür vom Gericht angesetzte Verfahrenswert/Vergleichswert ist bei der Terminsgebühr berücksichtigt.
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#7

17.06.2015, 10:50

3104 Abs. 2 und 3 RVG sagt was anderes.
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#8

17.06.2015, 11:18

Hier wird im Enders auf Vorbemerkung 3 Abs. 3 verwiesen. Hier steht:

"(3) Die Terminsgebühr entsteht sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Sie entsteht jedoch nicht für die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins nur zur Verkündung einer Entscheidung. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen entsteht für

1. die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins und
2. die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber."

Mit der Scheidungsfolgenvereinbarung wurden Verfahren vermieden, die ggf. noch über den Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt usw. hätten geführt werden müssen. Daher wird im Enders darauf eingegangen, dass die Terminsgebühr sich entsprechend um die nicht anhängigen Verfahrenswerte erhöht.
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#9

17.06.2015, 11:33

<a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3406574025/ref=nosim/foreno-21" target="_blank">Gerold/Schmidt</a>, 21. Aufl., Rn 136 zu 3104:

Bloße Protokollierung nirgendwo rechtshängiger Ansprüche

Gem. VV 3104 Anm Abs. 3 fällt keine Terminsgebühr an, wenn sich die Tätigkeit des Anwalts ausschließlich darauf beschränkt, eine Einigung über nirgendwo rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu geben.
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#10

17.06.2015, 12:19

Ich habe leider keinen <a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3406574025/ref=nosim/foreno-21" target="_blank">Gerold/Schmidt</a> hier, zitiere jetzt nur, was im Enders angegeben ist:

"Wirkt der Rechtsanwalt an einer auf die Vermeidung des gerichtlichen Verfahrens gerichteten Besprechung wegen noch nicht rechtshängiger Ansprüche mit, so entsteht die Terminsgebhr auch nach dem Wert dieser nicht rechtshängigen Ansprüche (<a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3406574025/ref=nosim/foreno-21" target="_blank">Gerold/Schmidt</a> VV Vorb. 3 Rdnr. 107; Hartung/Schons/Enders Vorbem. 3 VV Rdnr. 55; LG Regensburg JurBüro 2005, 647; LG Mönchengladbach JurBüro 2006, 420; OLG Koblenz JurBüro 2006, 473 = AGS 2006, 349; AG Marburg AGS 2007, 510; OLG Hamm JurBüro 2007, 482). Unerheblich ist, ob diese Besprechung in einem Termin vor Gericht oder außergerichtlich - ohne Beteiligung des Gerichts - stattfindet (<a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3406574025/ref=nosim/foreno-21" target="_blank">Gerold/Schmidt</a> VV Vorb. 3 Rdnr. 83; Hartung/Schons/Enders Vorbem. 3 VV Rdnr. 47)."

"Voraussetzung, damit die Terminsgebühr auch nach dem Wert nicht rechtshängiger Ansprüche entsteht, ist aber, dass der Rechtsanwalt auch wege der bislang nicht rechtshängigen Ansprüche einen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung bzw. zur Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren hat."

Ich hoffe es ist erlaub, hier diesen Riesenbatzen aus dem RVG für Anfänger zu zitieren.
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