Kann eine öffentliche Zustellung nachträglich für unwirksam erklärt werden?

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schebi
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#1

12.04.2024, 16:17

Wir müssen eine Klage gegen einen Schuldner einreichen, der nicht auffindbar ist.
Eine Bescheinigung vom Einwohnermeldeamt, dass er unter seiner Wohnadresse nicht gemeldet ist, haben wir.
Wir gehen davon aus, dass die Klage öffentlich zugestellt wird.

Aber:

Ich habe mal gehört, dass eine öffentliche Zustellung manchmal auch nachträglich für unwirksam erklärt werden kann.

Mal angenommen die Klage wird öffentlich zugestellt und der Schuldner wird verurteilt.
Kann es passieren, dass diese öffentliche Zustellung später für unwirksam erklärt wird? Was müsste der Schuldner dafür tun, um das zu erreichen?

Wenn wir 1 Monat nach Rechtskraft des öffentlich zugestellten Urteils die richtige Adresse des Schuldners erfahren, können wir dann einfach die Zwangsvollstreckung betreiben? (Der Schuldner wird sich dann sicherlich beschweren).
Pitt
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#2

12.04.2024, 16:50

Ja, eine öffentliche Zustellung kann nachträglich für unwirksam erklärt werden, wenn z.B. das Gericht eine öffentliche Zustellung bewilligt, obwohl der Gläubiger nicht alle ihm obliegenden Pflichten zur Beibringung der aktuellen Anschrift erfüllt hat oder wenn der Gläubiger wissentlich eine mögliche aktuelle Wohnanschrift unerwähnt lässt. Das sind nur einige Beispiele. Wenn Du googelst, wirst Du zum Thema Zustellungsmängel diverse Entscheidungen finden. Kommt das Gericht am Ende zu der Erkenntnis, dass die öffentliche Zustellung unrechtmäßig erfolgt ist, bleibt die Heilung nach § 189 ZPO durch erneute Zustellung.
schebi
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#3

12.04.2024, 23:13

OK Danke.

In unserem Fall haben wir ja die Bescheinigung vom Einwohnermeldeamt, dass er nicht unter der Adresse gemeldet war/ist, wo er gewohnt hat.
Wenn die öffentliche Zustellung bewilligt wird, haben wir dann trotzdem das Risiko, dass die öffentliche Zustellung nachträglich für unwirksam erklärt wird?
Weil wir haben doch alle unsere obliegenden Pflichten zur Beibringung der aktuellen Anschrift erfüllt. Was hätten wir sonst noch tun sollen?
Wir haben auch nicht wissentlich eine mögliche aktuelle Wohnanschrift unerwähnt gelassen.

Ich verstehe nicht, wieso dann trotzdem die öffentliche Zustellung später für unwirksam erklärt werden sollte?

Jedenfalls entstehen für diese öffentliche Zustellung der Klage keine zusätzlichen Gerichtskosten, oder?
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paralegal6
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#4

13.04.2024, 10:08

Wie Pitt schon sagt, google doch mal, steht alles da zB https://www.haufe.de/recht/deutsches-an ... 74007.html oder auch hier in einigen threads. Ob das nun genau bei deinem Fall widerrufen werden kann ist 1. Rechtsberatung und 2. nicht Aufgabe des Forums eure Arbeit zu machen. Die zugrundeliegenden Infos hast du alle, sh #2
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Pitt
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#5

13.04.2024, 12:17

Nach meiner Erfahrung verlangen die Gerichte häufig mehr als nur eine EMA. Da wurde in meinen Fällen z.B. auch um Mitteilung gebeten, ob man Infos bei Nachbarn, beim Arbeitgeber, dem Vermieter eingeholt hat. Wenn mir die nicht bekannt waren, habe ich das so mitgeteilt und dargelegt, aus welchen Gründen es mir nicht möglich war, da weiter nachzuforschen.

Bei der Zustellung kann es immer Probleme geben, da gibt es keine wasserdichte Lösung. Eine Kollegin hat mal eine Zustellung an eine Firmenanschrift vorgenommen. Derjenige, der die Zustellung entgegengenommen hat, war aber gar nicht berechtigt, die Zustellung entgegenzunehmen. War ein Familienunternehmen und ein Bekannter, nicht Angestellter hat die Zustellung entgegengenommen. Im anschließenden Rechtsstreit wurde die Zustellung dann für unwirksam erklärt. Warum der Bekannte die Zustellung letztlich vereitelt hat, ob aus Absicht oder Versehen, ist egal. Wie gesagt, schau Dir die unterschiedlichen Entscheidungen an, BGH, Bayerisches OLG usw., die haben sich alle schon dazu geäußert.
schebi
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#6

14.04.2024, 17:55

Pitt hat geschrieben:
13.04.2024, 12:17
Nach meiner Erfahrung verlangen die Gerichte häufig mehr als nur eine EMA. Da wurde in meinen Fällen z.B. auch um Mitteilung gebeten, ob man Infos bei Nachbarn, beim Arbeitgeber, dem Vermieter eingeholt hat. Wenn mir die nicht bekannt waren, habe ich das so mitgeteilt und dargelegt, aus welchen Gründen es mir nicht möglich war, da weiter nachzuforschen.

Bei der Zustellung kann es immer Probleme geben, da gibt es keine wasserdichte Lösung. Eine Kollegin hat mal eine Zustellung an eine Firmenanschrift vorgenommen. Derjenige, der die Zustellung entgegengenommen hat, war aber gar nicht berechtigt, die Zustellung entgegenzunehmen. War ein Familienunternehmen und ein Bekannter, nicht Angestellter hat die Zustellung entgegengenommen. Im anschließenden Rechtsstreit wurde die Zustellung dann für unwirksam erklärt. Warum der Bekannte die Zustellung letztlich vereitelt hat, ob aus Absicht oder Versehen, ist egal. Wie gesagt, schau Dir die unterschiedlichen Entscheidungen an, BGH, Bayerisches OLG usw., die haben sich alle schon dazu geäußert.
Entstehen für diese öffentliche Zustellung der Klage zusätzliche Gerichtskosten?
Pitt
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#7

15.04.2024, 09:24

Nein.
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Adora Belle
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#8

15.04.2024, 10:41

schebi hat geschrieben:
12.04.2024, 23:13
Ich verstehe nicht, wieso dann trotzdem die öffentliche Zustellung später für unwirksam erklärt werden sollte?
Es kommt halt nicht drauf an, ob Ihr die öff. Zustellung wider besseres Wissen erwirkt habt, sondern ob zum Zeitpunkt der Zustellung deren Voraussetzungen objektiv vorlagen. Wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das nicht der Fall war, dann kann die Zustellung für unwirksam erklärt werden. Ganz unabhängig von Eurem guten oder bösen Willen.
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#9

15.04.2024, 16:01

Adora Belle hat geschrieben:
15.04.2024, 10:41
schebi hat geschrieben:
12.04.2024, 23:13
Ich verstehe nicht, wieso dann trotzdem die öffentliche Zustellung später für unwirksam erklärt werden sollte?
Es kommt halt nicht drauf an, ob Ihr die öff. Zustellung wider besseres Wissen erwirkt habt, sondern ob zum Zeitpunkt der Zustellung deren Voraussetzungen objektiv vorlagen. Wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das nicht der Fall war, dann kann die Zustellung für unwirksam erklärt werden. Ganz unabhängig von Eurem guten oder bösen Willen.
Ja OK.

Nur wenn die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung zum Zeitpunkt der öffentlichen Zustellung gar nicht vorlagen, dann hätte das Gericht die öffentliche Zustellung ja gar nicht bewilligen dürfen. Dann ist ja das Gericht selber schuld.
Ist ja ungerecht, dass unser Mandant dann dafür haften muss, dass das Gericht vorher eine öffentliche Zustellung bewilligt hat, die es gar nicht hätte bewilligen dürfen.
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#10

15.04.2024, 16:07

Wenn der Gläubiger falsche Angaben macht kann doch das Gericht nichts dafür (und Beiträge direkt über deinem komplett zitieren ergibt null Sinn, nur so am Rande)
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