Terminverlegung im streitigen Verfahren

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osched
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#1

09.04.2020, 16:16

Ich habe hier eine Akte auf dem Tisch mit einem Mahnverfahren, dass sich nach Widerspruch seit rund 12 Monaten verschleppt hat. Hauptsächlich dauerte es immer so lange, weil die Gegenseite geflissentlich "vergessen" hat, Schriftsatzkopien einzureichen, diese wurden dann jeweils vom Gericht nachgefordert. Ursprünglich sollte bis Dezember 2019 abschließend vorgetragen werden, dann wurde Termin für Ende März bestimmt und dieser Termin wieder aufgehoben (Corona) und jetzt wurde für Mitte Mai neu terminiert. Jetzt kommt der Beklagte (Kaufmann, wegen Gerichtsstandsvereinbarung läuft das streitige Verfahren am Ort des Klägers) auf die Idee, kurz nach der Terminverschiebung erstmals einen Einzelanwalt zu beauftragen, der natürlich ausgerechnet an diesem Termin bereits in einer größeren Strafsache verteidigt und daher nicht kann. Außerdem möchte der Anwalt des Gegners Akteneinsicht, weil er nicht sicher ist, von seinem Mandanten sämtliche Unterlagen erhalten zu haben.

Jetzt finde ich zwar einiges an Rechtsprechung zu Terminverlegungen nach Anwaltswechseln, aber ich bin mir dennoch nicht sicher, ob das Gericht verpflichtet ist in dieser Situation (Beklagter nimmt sich 10 Monate nach Zustellung der Anspruchsbegründung erstmalig einen (Einzel-)Anwalt, der den bereits anberaumten Verhandlungstermin aber nicht wahrnehmen kann) den Termin zu verlegen. Kennt jemand passende Rechtsprechung? Im Zöller bin ich nicht wirklich fündig geworden. Vielen Dank im Voraus!
Feldhamster
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#2

09.04.2020, 17:57

Ist das Verfahren bei einem LG anhängig (also Anwaltszwang)?
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#3

09.04.2020, 18:05

Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier Anwaltszwang herrscht, denn dann hätte der Beklagte sich ja schon viel früher einen Anwalt nehmen müssen und nicht erst monatelang Schriftsätze in nicht ausreichender Menge eingereicht.

Aber auch wenn kein Anwaltszwang besteht, so kann jede Partei sich der Hilfe eine Rechtsanwalts bedienen. Dieses Recht kannst Du einer Partei nicht absprechen. Und jede Partei hat auch das Recht auf freie Anwaltswahl. Ich wüsste nicht, dass irgendwo im Gesetz geregelt wäre, dann sich eine Partei bereits zu Beginn eines Verfahrens einen Anwalt nehmen muss/kann und ihr danach das Recht verwehrt wäre; ebenso wüsste ich nicht, dass irgendwo im Gesetz steht, dass die Partei bei der Anwaltssuche irgendetwas zu beachten hätte und - bezogen auf den hier vorliegenden Fall - einen Anwalt beauftragen muss, der den Termin auch wahrnehmen kann.

So ärgerlich das Ganze ist, da hier von dem Beklagten wohl eine Hinhaltetaktik angewandt wird; gegen einen ersten Terminverlegungsantrag eines Rechtsanwalts wirst Du meiner Meinung nach leider nicht ankommen.
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#4

09.04.2020, 18:13

Ich würde versuchen, auf einen extrem zeitnahen Ersatztermin hinzuwirken, möglicherweise noch vor der ursprünglichen Terminierung.
osched
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#5

11.04.2020, 09:32

Nein, die Sache ist nicht beim Landgericht anhängig. Der Streitwert ist auch recht gering.

Richtig, eine Prozesspartei hat natürlich auch beim AG das Recht, sich im Prozess oder auch nur in einem Termin durch einen Anwalt vertreten zu lassen. Aber so zwischen den Zeilen klingt es fast so, als ob der gegnerische Anwalt selbst nicht so ganz an eine Verlegung des Termins glaubt. Immerhin hat er sich aber erkundigt, ob sein Mandant überhaupt schon einen Antrag gestellt hat.

Gefunden habe ich bislang eine BGH-Entscheidung (BGH, Urteil vom 24.01.2019 - VII ZR 123/18, BeckRS 2019, 1588), wonach -hier ohne Anwaltswechsel - bei wiederholten Verlegungsanträgen die Verlegung abgelehnt werden kann, wenn die Absicht der Prozessverschleppung besteht: Eine Verzögerungsabsicht, die im Einzelfall den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs rechtfertigen könnte, kann sich dabei insbesondere aus dem vorausgegangenen Prozessverhalten der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten ergeben.

Wenn man das (mehr als ein Verlegungsantrag) als Maßstab nimmt, dürfte der Antrag der Gegenseite Erfolg haben.
Ich würde versuchen, auf einen extrem zeitnahen Ersatztermin hinzuwirken, möglicherweise noch vor der ursprünglichen Terminierung.
Den Gedanken werde ich auf jeden Fall aufgreifen. Die Gegenseite nennt 2 Ersatztermine, die nach dem ursprünglichen Termin liegen. Da das Gericht aber auch noch einen Hinweis in Bezug auf den geltend gemachten Zahlungsanspruch gegeben hat und wir dazu noch vortragen müssen, dürfte es ohnehin möglicherweise knapp werden mit dem Termin.
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