Kanzlei annehmen oder erst nächstes Jahr wiedereinsteigen?

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Literature96
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#1

03.09.2022, 15:16

Hallo liebe Community :-),

ich bin ganz neu hier im Forum und war vorhin immer ein stiller Mitleser. Kurz etwas zu mir. Ich bin 26 Jahre alt, habe zuerst vier Semester auf Lehramt für Gymnasien studiert und entschied mich danach eine Ausbildung beim Rechtsanwalt anzufangen. Nach einem Jahr habe ich meinen Partner kennengelernt und entschied mich parallel für Kanzleien im Wohnraum meines Partners zu bewerben. Tatsächlich bin ich dann auch in der neuen Kanzlei in mein letztes Ausbildungsjahr eingestiegen. Leider wurde ich in der Probezeit gekündigt.

Die Gründe wurden nicht geäußert, aber ich kann mir stark denken, dass es an meiner Langsamkeit und starken Vergesslichkeit liegt. Diese Probleme sind auch dem Rechtsanwalt in meiner ersten Ausbildungskanzlei stark aufgefallen. Um ein Beispiel zu nennen: Mein Chef gab mir die Aufgabe zuerst ein Urteil einzuscannen und dann zu kopieren. Nach dem Scannen habe ich leider vollkommen vergessen, was danach kommt. Dann bin ich zum Chef hingegangen und fragte nach. Ihr müsst euch vorstellen: Dieses Muster passierte sehr oft, bis mein Chef meinte, dass er sowas noch nie erlebt hatte. Des Weiteren antworte ich nicht immer direkt bei Rückfragen, sondern schweige zuerst, da ich erstmal über die Antwort nachdenken muss. Ich kann mich durchaus in die SItuation hineinversetzen und verstehe schon, man deute das als Ignoranz. Aber es ist nicht ignorant gemeint. Ich tue mir wirklich schwer eine prompte Antwort zurechtzulegen.

Nach meiner Kündigung wurde beim Arbeitsamt eine Behinderung bei mir festgestellt. Meine ehemalige und neue Therapeutin denkt, dass es ADHS oder Autismus sein kann. Dem soll ich näher auf den Grund gehen.

Deswegen habe ich mich aktiv um eine Anmeldung bei einer Klinik gekümmert. Fazit: Zwischen dem Monatszeitraum Dezember und März werden die Diagnostiken ausgeführt. Das wäre denke ich schon ein guter Lösungsansatz. Wenn ich erst weiß, was los ist, kann ich daran arbeiten.

Mit meiner Verhaltenstherapeutin lerne ich mich sicherer in sozialen Situationen zurechtzukommen.

Was habe ich zwischen meiner Kündigung und jetzt gemacht ?

Ich habe danach eine Stelle als Aushilfskraft an einer Realschule erhalten. Nun möchte mich der Schulleiter für das jetzige Schuljahr weiterhin haben.

Jetzt kommt das eigentliche Thema:

Ich habe auch noch eine Zusage von einer Kanzlei, um meine Ausbildung fertigzumachen und dort weiterzuarbeiten.
Als ich die Anwältin auf meine meine Langsamkeit und auf das ADHS zum Beispiel hinwies, klang Sie nicht wirklich verständnisvoll. Sie möchte mich aber dennoch haben, weil Sie vor allem betonte, dass die unterbesetzt seien.

Ich habe einfach Angst wieder gekündigt zu werden, obwohl ich wirklich sehr arbeitswillig und lernwillig bin.

Was soll ich nur machen ?

Meine Idee: Ich steige erst nächstes Jahr ins dritte Jahr ein, unterrichte und wiederhole den Stoff fürs BGB, für die ZPO in diesem Jahr. So gehe ich einfach sicher, dass ich den Stoff auch wirklich für die Prüfung anwenden kann.

Soll ich lieber erst nächstes Jahr nochmal ins dritte Jahr einsteigen ?

Ich bin für eure Einschätzung wirklich sehr dankbar.

LG
Coco Lores
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#2

05.09.2022, 13:00

Hallo,

ich denke du hast dir die Frage schon selbst beantwortet. Wenn du sagst die potentiell neue Chefin klang nicht besonderes verständnisvoll hinsichtlich deiner Einschränkungen, will dich aber dennoch, weil sie mit dir Personalengpässe ausgleichen will, dann kann das meines Erachtens nur in die Hose gehen. Das ist absolut nicht böse gemeint, aber in einer Kanzlei geht es auch gern mal stressig zu und in dieser Kanzlei ist wahrscheinlich auch schon einiges liegen geblieben und muss schnellstmöglich bearbeitet werden etc. da ist der Stress schon vorprogrammiert. Ich denke das ist für dich auch nicht von Vorteil, wenn du gerade dabei bist an deiner Erkrankung zu arbeiten.

Wenn es dir in der Schule gefällt und du dort zurecht kommst, spricht doch nichts dagegen dort zu bleiben und erstmal zu schauen, wie dein weiterer Weg mit deiner Verhaltenstherapeutin aussieht und was sich bei dir tut. Sprich es doch auch mal bei deiner Therapeutin an und versuch mit ihr eine Lösung zu finden.

Wenn du die Ausbildung definitiv beenden willst, kannst du das auch nach einer Pause noch tun.

Ich wünsche dir jedenfalls alles Gute.

LG
Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen!!!
Jara
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#3

05.09.2022, 13:29

Ich habe jetzt einen anderen Ansatz:

Wie war denn das Studium für Dich? Konntest Du Dir da Dinge besser merken?

Und was meinst Du mit: "Beim Arbeitsamt wurde eine Behinderung festgestellt?" Seit wann kann da Arbeitsamt etwas diagnostizieren?

Kann es vielleicht auch sein, dass die Aufgaben zu leicht für Dich waren und Du deshalb die Dinge vergessen hast? Ich meine das wirklich ernst.

Wenn Du länger überlegst bevor Du antwortest kann es auch einfach sein, dass Du "die richtige" Antwort geben möchtest und deshalb erstmal überlegst.

Lass Dir bloß nichts einreden und pass auf, dass es für Dich stimmig bleibt! Heutzutage wird mit ADHS und Autismus Diagnosen ja sehr inflationär umgegangen.
Literature96
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#4

05.09.2022, 20:22

Hallo liebe Jana,

vielen Dank für dein Kommentar. Es hat mich ein starkes Stück aufgeheitert.

Ehrlich gesagt, verstehe ich meine Aussetzer nicht. Ich versuche mir wirklich überall Mühe zu geben. Im Gegenteil fand ich das Verhalten meiner Kollegen leider sehr herablassend. Obwohl man mit mir so umging, habe ich versucht zu kooperieren und meine Arbeit einfach gemacht. Schon allein, wie mit mir als Azubi umgegangen ist, habe ich durch das Aushalten gelernt: So möchte ich später mit Kindern oder künftigen Azubis nicht umgehen. Zudem habe ich durch Pädagogik und Praxiserfahrung aus der Schule sehr gut das Zwischenmenschliche gelernt: Bzw. wie man es schafft, mit Geduld Kindern etwas näherzubringen.

Jetzt fragt Ihr euch: Warum dann Refa ??

Als Corona anfing, musste ich einen neuen Job finden und entschied mich mein Studium auf Eis zu legen. Dann habe ich die Ausbildung angefangen. Nicht falsch verstehen: Das Juristische macht mir ungemein sehr viel Freude. Alternativ wollte ich vorübergehend Sprache und Politik im Beruf erstmal haben. Da hat die Justiz, die Behörde und der Rechtsanwalt gepasst. Leider wurde ich für das duale Studium zum Rechtspfleger nicht angenommen, da ich noch im Staatsangehörigkeitsverfahren drinstecke.

Lange Rede kurzer Sinn:
Ich wollte erstmal eine Ausbildung in dem Bereich machen. Danach wollte ich mit dem erlernten Beruf ,, Refa" mein Studium zum angehenden Lehrer fortsetzen.
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#5

05.09.2022, 20:26

Hallo liebe Jara und liebe Coco Lores,

vielen Dank für dein Kommentar. Es hat mich ein starkes Stück aufgeheitert.

Ehrlich gesagt, verstehe ich meine Aussetzer nicht. Ich versuche mir wirklich überall Mühe zu geben. Im Gegenteil fand ich das Verhalten meiner Kollegen leider sehr herablassend. Obwohl man mit mir so umging, habe ich versucht zu kooperieren und meine Arbeit einfach gemacht. Schon allein, wie mit mir als Azubi umgegangen ist, habe ich durch das Aushalten gelernt: So möchte ich später mit Kindern oder künftigen Azubis nicht umgehen. Zudem habe ich durch Pädagogik und Praxiserfahrung aus der Schule sehr gut das Zwischenmenschliche gelernt: Bzw. wie man es schafft, mit Geduld Kindern etwas näherzubringen.

Jetzt fragt Ihr euch: Warum dann Refa ??

Als Corona anfing, musste ich einen neuen Job finden und entschied mich mein Studium auf Eis zu legen. Dann habe ich die Ausbildung angefangen. Nicht falsch verstehen: Das Juristische macht mir ungemein sehr viel Freude. Alternativ wollte ich vorübergehend Sprache und Politik im Beruf erstmal haben. Da hat die Justiz, die Behörde und der Rechtsanwalt gepasst. Leider wurde ich für das duale Studium zum Rechtspfleger nicht angenommen, da ich noch im Staatsangehörigkeitsverfahren drinstecke.

Lange Rede kurzer Sinn:
Ich wollte erstmal eine Ausbildung in dem Bereich machen. Danach wollte ich mit dem erlernten Beruf ,, Refa" mein Studium zum angehenden Lehrer fortsetzen.
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#6

05.09.2022, 20:50

Also die die ich kenne mit adhs, die das nicht als Kind diagnostiziert bekommen haben, haben kein Abi und Studium geschafft, die holen das jetzt erst nach, denn die konnten sich auch nicht konzentrieren, daher würde ich nicht drauf tippen, bin aber kein Arzt. Ich hab long covid und vergess auch viel und wenn Chef mit mir redet schreib ich tatsächlich alles mit. Die Entscheidung weiter zu machen oder zu warten solltest du mit deinem Therapeuten besprechen. Sachen lernen und sozial interagieren sind ja zwei ganz verschiedene Sachen. Und ob Asberger und eine stressige Stelle sich gut vertragen glaube ich nicht, aber wie gesagt, bin kein Arzt
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Jara
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#7

06.09.2022, 10:01

:lolaway Das freut mich, dass ich Dich aufheitern konnte...

Ich meine das aber wirklich ernst. Und wenn Du noch dazu solchen Belastungen ausgesetzt warst kann es doch einfach dazu kommen, dass der Körper streikt.

Da kommen vielleicht einige Faktoren zusammen, aber eine Diagnose leichtfertig zu stellen ist eine andere Sache!

Lass Dir da nichts vormachen und höre auf Dein Gefühl. Das ist das allerbeste.

Alles Liebe :wink1
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#8

07.09.2022, 20:26

Hallo paralegal6,

vielen Dank für dein Kommentar. Tatsächlich ist es schwierig das so einheitlich festzulegen. Es gibt schon einige, die auch das Abitur schaffen. Da kenne ich auch einige aus meinem Freundeskreis, die auch im Moment fast mit dem Studium fertig sind.

Jara, ich verstehe nur einiges im Leben nur nicht:

Ich habe in der Schule immer mein Bestes gegeben und bin seit Kindesbeinen an eine sehr wissensbegierige Person. Und trotzdem ist im Moment mein Lebenslauf etwas kaputt gegangen.

Denkst Du, dass ich trotzdem eine Chance habe erst im nächste Jahr eine Kanzlei zu finden ?

Ich möchte mir einfach auch beweisen, dass ich trotz einigen Widrigkeiten Sachen abschließe. Das kommt denke ich sehr blöd, wenn die Ausbildung wie ein Abbruch aussieht. Das erschwert denke ich meine Chancen enorm.

Ich habe mich auch für andere Ausbildungsberufe nach meiner Kündigung beworben. Meine Erfahrung hat mir den Atem genommen: 80 % Absagen, und nein es liegt nicht am Anschreiben. Der Coach sagte mir, es liege eher an meinem Ausbildungsabbruch bei der Rechtsanwältin.

Worauf will ich hinaus:

Mein Leben ist noch nicht komplett ruiniert oder? Ich will nämlich nicht beim Refagehalt bleiben :/.
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#9

07.09.2022, 20:37

Ahso und die Sache wegen des Arbeitsamtes:

Man muss ja zum Arbeitsamt, sobald man gekündigt wurde. Dann hat mein Berater mir vorgeschlagen, einen Test beim Psychologen, der beim Arbeitsamt arbeitet, zu machen. In dem Test wurde meine Stressresistenz getestet und es kam heraus, dass ich zu langsam beim Test war. Die Beurteilung meines Beraters und das Testergebnis haben dann die Diagnose ergeben. So kamen die auf die Idee, dass ich eine Behinderung hätte.

In einem freien Aufsatz musste ich meine Lebensgeschichte kurz skizzieren und dort war auch erwähnt gewesen, dass ich mich von der Förderschule bis zum Studium jedenfalls hochgekämpft habe. Ob die Förderschule schon für die ein Hinweis auf eine vorhandene Behinderung war, das weiß ich leider nicht.
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#10

09.09.2022, 15:32

Du musst ein bisschen an deiner Einstellung arbeiten und an dich glauben. Wenn du selbst nicht denkst dass du es schaffst, glaubt dir das auch kein Arbeitgeber. Sieh was du bisher geschafft hast und bau etwas Selbstvertrauen auf. LG
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