Aufgabenbereich Refa Inso-Kanzlei

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Ryutsun
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#1

24.01.2020, 09:40

Moin,

bin, wie ich bereits an anderer Stelle mal erwähnt habe, Azubi im bald 2. Lehrjahr in einer Insolvenzkanzlei.

Der Alltag gestaltet sich oft schwierig, die Aufgabenbereiche wechseln fast täglich und man ist für alles zuständig, was als Azubi ja erstmal vermutlich nichts ungewöhnliches ist.
Dennoch ist es ein schwerer Stand in diesem Beruf: Die geringe Bezahlung für viele (ich hab mich schon erfolgreich hochgehandelt und kann in der Beziehung im Vergleich zu 80% meiner Berufsschuleklasse nicht meckern, ausgenommen Azubis in Großkanzleien), Überstunden für viele (trifft in diesem Fall auch nicht auf mich zu [noch]), Mädchen für alles sein etc..

Man findet eben keinen Leitfaden, wofür man letztlich angestellt wird. Die Insolvenz scheint sowieso nochmal etwas Besonderes zu sein und somit kann ich das auch nicht mal mit Leuten aus meiner Klasse vergleichen, größtenteils. Im Februar beginnt mein 2. Lehrjahr und ich saß die ersten 3 Monate eigentlich nur am Empfang und habe Post gemacht + Akten angelegt, aber keine Fristen notiert. Allein die Zuordnung der Post an die verschiedenen Sachbearbeiter und die ganzen Sonderfälle, wo dann aufeinmal etwas an die Buchhaltung anstelle des SB geht war überfordernd, wenn man neu ist und 0 in dem Gebiet vorher zu tun hatte.
Unsere einzige Refa hat gekündigt...vor gut 6 Monaten, seitdem sind wir 1 Teilzeit Buchhaltung, 2 Azubis (eine davon seit 3 Monaten erst), 1 Empfangsdame, 4 Anwälte inkl. Chef, 2 der Anwälte sind gleichzeitig Insolvenzverwalter. Neue Mitarbeiter sind nach unter 3 Wochen wieder weg.

Mit dem Chef braucht man gar nicht über Ausbildungsthemen zu reden und es ist allgemeiner Tenor, dass er menschlich bzw. sozial eher ungeeignet ist um auszubilden, aber juristisch eben top.
Ein Großteil der Ausbildung ist learning by doing und wie gut man sich Sachen über Google selbst erschließen kann. Es wird immer eigenständiges Arbeiten vorausgesetzt und als Voraussetzung benannt, aber ich finde, das ist hier in dem Beruf, auch nach Erfahrungsberichten meiner Klassenkammeraden, nochmal eine ganz andere Hausnummer, was einem hier vorgesetzt wird. Lediglich eine Anwältin versucht sich wirklich Zeit zu nehmen, die als Anwalt wahrlich begrenzt sein mag aber ich seh natürlich, dass es nicht alle sind, die einen nur als billige Arbeitskraft sehen.

Soll gar nicht alles negativ klingen, mir macht vieles Spaß und laut Feedback kriege ich das alles dezent hin, aber das ist alles noch weit weg von dem, wie es imo sein sollte oder könnte.

Die Anwältin meint, dass es als Refa auch dazu gehört, "simple" juristische Aufgaben zu lösen. Wie eben Kaufverträge und wer ist im Recht, wem steht was zu, was stand im Lieferschein etc. und ich bin geneigt ihr teilweise Recht zu geben, aber muss ich das in meinem - noch - 1. Ausbildungsjahr wirklich bereits können bzw. ist es dann auch direkt meine Aufgabe? Ich kann es größtenteils, keine Frage, das lernt man schließlich in der Schule. Hier werden aber ständig Schritte übersprungen und man sitzt oft mit Aufgaben alleine da, die einen komplett überfordern und das ist demotivierend.

Dann soll ich noch Sachen in die Verwalterberichte schreiben, das müsse man ja auch später können und ich hab keine Anhaltspunkte, was ich wirklich können muss und was Kanzleispezifisch ist oder was die Kanzlei gerne hätte, dass ich es können soll aber es keinesfalls ein Muss ist. Ganz nach dem Motto der ehemaligen Refa hier: "Zeig nie, dass du mehr kannst als du machst, sonst musst du am Ende alles machen."

Wirklich zu denken gab mir die Bewerbung in einer Großkanzlei, wo ich auf die Erwähnung hin, dass ich nach nicht mal einem halben Jahr Ausbildung bereits einen Verwalterbericht eigenständig anhand der vorhergehenden Quartalsberichte selbst geschrieben habe (natürlich mit einer entsprechenden Menge an Fehlern, ich hatte ja mal so überhaupt keine Ahnung was ich da mache) schräg angeguckt wurde, als ob ich die veralbern will. Ich bin an dem Bericht auch wirklich verzweifelt damals und hatte zu der Zeit überhaupt keine Lust mehr und dachte schlicht ich bin einfach zu dumm für diesen Beruf, da man das offensichtlich einfach können muss und ich hab es nicht richtig hinbekommen.

Eine Refa zum Fragen hab ich ja nicht und ich rechne bei dem Anwaltsgeiz auch nicht in Bälde mit einer neuen, sodass ich viel auf Dr. Google, FoReNo und Co. angewiesen bin und sein werde.
Deswegen wollte ich hier vielleicht einfach mal nach Erfahrungsberichten fragen, ob man wirklich so umfangreiches Allroundwissen braucht und gefühlt zum halben Anwalt werden muss, oder gibt es Dinge, die man dem Anwalt nicht abnehmen muss/darf/sollte.

Viele Grüße
Pitt
...ist hier unabkömmlich !
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#2

24.01.2020, 10:18

Du musst als Azubi nicht alles können, es gibt hier im Forum immer wieder Erfahrungsberichte, die zeigen, dass einige Büros versuchen, mit möglichst wenig Personal und möglichst niedrigen Personalkosten, ihr Büro am Laufen zu halten.
viewtopic.php?f=10&t=84023&hilit=Erfahr ... t&start=10
viewtopic.php?f=8&t=81232&hilit=Azubi+%C3%BCberfordert
Ryutsun
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#3

24.01.2020, 10:50

Ja, nur ist es eben als "Laie" erstmal schwierig zu trennen, wo eben Refa aufhört bzw. Anwalt anfängt. Das ist ja auch eher hier benanntes Problem, aber ich schau mir mal bei Gelegenheit die Beiträge in dem verlinkten Thread genauer an.

Die Anwälte arbeiten auch viel für sich, sodass sie den Anschein machen, auch ohne Azubi klar zu kommen, zur Not. Es ist also nicht so, dass alles auf mich abgewälzt wird und ich in Arbeit ersticke, dafür kann ich ja schon mal dankbar sein.

Nur wenn es eben dann mal eine Aufgabe gibt, dann gibt es gefühlt nur schwarz oder weiß. Entweder ich buche etwas ins Forderungskonto / hefte ein Schreiben in eine Akte, wo der schwierigste Teil sich als das Suchen der Akte herausstellt, weil der Chef gerne mal Akten hortet, oder aber man kriegt als extremes Beispiel eine ZV in eine Immobilie, wo ich mir vorher über Grundbucheinträge oder irgendwelche Indizes dann m² Preise anschauen soll, damit ich weiß, wieviel Wert die Immobilie hat und ob ich es mit der ganzen Forderung belastet werden kann, mit minimaler Hilfestellung in dem Fall und dann such ich mir noch selber eine Vorlage raus, wie man sowas in etwa schreibt, denn gemacht hat ein Anwalt sowas ja selbst auch nie. Hier gibt die benannte Anwältin ab und zu wirklich gut Hilfestellung, indem sie z.b von IWW mal eine Vorlage ausdruckt. Sie hat ja selber kaum Ahnung davon aber wir erarbeiten uns die Sachen eben dann zusammen und sie weiß schließlich immer noch mehr als ich. Dauerhaft kann man eben auch nur so viel von einem Anwalt erwarten, der zeitlich gut eingespannt ist und ich glaube, ein großes Problem ist einfach, dass sie keine Vorstellung davon haben, nicht in dieser Blase von Anwaltsprech zu hängen, sodass oft Begriffe fallen, mit denen man kaum bis nichts anfangen kann und sie es nicht schaffen, für den kleinen Pöbel wie mich ein mal "ordentlich" zu erklären :D

Hat eben auch Vorteile, sodass ich jetzt Sachen kann, von denen andere in meiner Klasse nie etwas gehört haben, aber gerade anfangs führt das wie bereits erwähnt zu einer Unlust und dem Gefühl, zu doof zu sein.
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#4

24.01.2020, 11:34

Ryutsun hat geschrieben:
24.01.2020, 10:50
Dauerhaft kann man eben auch nur so viel von einem Anwalt erwarten, der zeitlich gut eingespannt ist und ich glaube, ein großes Problem ist einfach, dass sie keine Vorstellung davon haben, nicht in dieser Blase von Anwaltsprech zu hängen, sodass oft Begriffe fallen, mit denen man kaum bis nichts anfangen kann und sie es nicht schaffen, für den kleinen Pöbel wie mich ein mal "ordentlich" zu erklären :D
Dauerhaft darfst du erwarten, ordentlich ausgebildet zu werden! :schock
Ich habe auch in einer Kanzlei nur mit Azubis gelernt (ich zusammen mit meiner Kollegin im selben Jahrgang, der Kollege war ein Jahr weiter), aber wir wurden von unserem Anwalt tatsächlich ausgebildet. Wir haben Vorgänge bekommen, die wir uns selbst erarbeiten sollten und dann wurde das alles zusammen durchgesprochen, erklärt, im Schönfelder nachgeschlagen etc.
Das was du da beschreibst, geht mMn gar nicht. Du sollst alles alleine können/herausfinden, aber erklären kann/will es niemand. :patsch :motz
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