Azubi mit Rechtschreibproblemen

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xRefia
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#1

20.09.2018, 10:09

Guten Morgen ihr Lieben! :wink2

Habe lange überlegt ob ich mich hierfür an das Forum wenden soll, aber vielleicht hat ja jemand von euch mit einem vergleichbaren Fall schon Erfahrung?
Seit dem 01.08. haben wir nun wieder eine Auszubildende. An sich ein ordentliches Mädel, noch recht jung, ziemlich schüchtern und verschlossen, hält sich soweit auch an ihr gegebene Anweisungen, fällt eigentlich nicht negativ auf - wir sind bislang recht zufrieden mit ihr.

Nun habe ich schon beim Probearbeiten festgestellt, dass ihr Wortschatz nicht der größte ist (und nein, ich rede nicht vom Anwaltsdeutsch, sondern eher von gängigen Sprichwörtern und ganz alltäglichen Begriffen) und habe auch in den knapp zwei Monaten bemerkt, dass bei ihr die Rechtschreibung nicht ganz so gut sitzt... Adjektive vor Substantiven werden immer groß geschrieben und die Substantive nach den großgeschriebenen Adjektiven dann klein, das typische "dass" und "das" Problem, "seid" und "seit" usw. ... Dafür habe ich mir dann auch immer beim jeweiligen Fall direkt Zeit genommen und ihr erklärt, warum es so nicht richtig ist und wie es stattdessen richtig wäre. Sie hat dann immer Besserung gelobt.
Gestern dann habe ich sie wegen einer weiteren falschen Anwendung von "dass" und "das" angesprochen und sie meinte, dass sie in der Schule nie damit Probleme gehabt hätte und auch nie wegen Groß- und Kleinschreibung angesprochen worden sei...
Nun muss ich mir natürlich überlegen wie ich das ein wenig "gerade biegen" kann, da die Schreibweise für unseren Beruf nunmal elementar ist und sie in einem halben Jahr oder so kleine Diktate selbst ausfertigen soll...
In Deutsch hatte sie im Abschlusszeugnis der Realschule eine 3, von der Berufsschule liegt mir noch nichts vor, die startete erst letzte Woche, aber ich will möglichst verhindern, dass sie hier vielleicht in ihrer ersten Deutsch-Klausur eine schlechte Note wegen der obigen Punkte bekommt und sich dadurch runterziehen lässt - ist ja schließlich ein nettes Mädel das sich (so schätze ich sie ein) sowas zu Herzen nehmen würde...

Vielleicht sehe ich das auch zu streng, aber gerade was Groß- und Kleinschreibung und auch die Frage "Schreibe ich dieses Wort nun zusammen oder nicht?" (ein Beispiel hierfür ist, dass sie in einem Diktat "Tanz Veranstaltung" geschrieben hatte) angeht finde ich nunmal außerordentlich wichtig. Von der Menge dieser Fehler her schließe ich auch ein immer wieder auftretendes "Verschusseln" aus, zumal sie mir auch nicht erklären kann, weshalb sie manche Wörter groß und andere klein schreibt - vielleicht traut sie sich aber auch nicht. :-|

Hat jemand eine Idee wie ich ihr da besser unter die Arme greifen kann? Komme mir langsam schon wie ein richtiger Miesepeter vor, weil ich sie korrigieren muss und fürchte, dass das auf lange Sicht ihre Motivation beeinflussen könnte...
Haben Sie es schon mit Ab- und erneutem Anschalten probiert? :engel
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#2

20.09.2018, 10:32

Kleine Probleme mit der Rechtschreibung schleichen sich im Laufe der Zeit meistens aus. Bei gravierenden Problemen (und die sehe ich hier grade bei der Problematik Groß- und Kleinschreibung) muss man m.M. überlegen, ob das Mädel für unseren Beruf geeignet ist. Vernünftige Rechtschreibkenntnisse gehören zu der Basis, die ein Azubi einfach mitbringen muss. Das neben dem Ausbildungsstoff noch zu lehren halte ich für nur bedingt machbar.
Für die einen ist es die US-Wahl, für den Rest der Welt ist es 9/11
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Adora Belle
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#3

20.09.2018, 10:32

Klingt für mich nach Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. Sowas kann man nicht vollständig kompensieren, fürchte ich. Die Rechtschreibkontrolle im Schreibprogramm anschalten, und ansonsten - üben üben üben. Wenn Ihr sie trotzdem eingestellt habt und behalten wollt, werdet Ihr bis zu einem gewissen Grad damit leben müssen.
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#4

20.09.2018, 10:49

Bei den Erfahrungen beim Probearbeiten waren wir davon ausgegangen, dass die Fehler durch die Nervosität gegeben waren und so viel hatten wir sie an den beiden Tagen nicht schreiben lassen wie sie heute schreiben muss... Wir hatten uns zwar eine Bewerberin mit einer 2 in Deutsch gewünscht, aber dass bei einer 3 dann vielleicht Schwierigkeiten kommen könnten hatten wir nicht geglaubt...
Aber schon mal vielen Dank für die bisherigen Einschätzungen, vielleicht muss ich hier doch mal ausgedehnt mit dem Chef drüber sprechen um zu schauen, wie wir doch noch was erreichen können.
Oder vielleicht hat noch jemand eine zündende Idee?
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#5

20.09.2018, 10:58

Rechtschreibung hat in der Schule leider einen geringen Stellenwert eingenommen und es zeigt sich ja gerade aktuell, dass die alte Lernweise nach Fibel doch bessere Ergebnisse bringt, als das Schreiben nach Gehör.
Ich vermute auch, dass Eure Azubine die Schwachstelle Rechtschreibung behalten wird, aber bei Einsatz von Rechtschreibprüfung und viel Übung kann es besser werden. Das kostet aber Energie und notwendige Kontrolle. Leider erkennt die Rechtschreibprüfung auch nicht alle "Klopper".
Meine Azubi-Erfahrung ist, dass die Rechtschreibung nur ein Teilbereich der "Schwachstelle" ist. Das Schreib-/Lese Verständnis ist für unseren Beruf ebenfalls unverzichtbar.
Eigenständiges Formulieren bleibt bei geringem Wortschatz immer problematisch. Wie soll eine selbständige Sachbearbeitung funktionieren, wenn das Leseverständnis von Urteilen, Gesetzen und Korrespondenz dürftig ist?
Lustig ist natürlich, wenn die Azubine mangels Wortschatz gar nicht versteht, was daran falsch ist z.B. ein "stattliches Kindergeld" in Abzug zu bringen, wie es sich im Diktat anhörte. Da gab es ja keine Unterstreichung von Word und der Begriff "staatliches Kindergeld" war nicht bekannt.
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AliceImWunderland
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#6

20.09.2018, 11:10

Adora Belle hat geschrieben:
20.09.2018, 10:32
Klingt für mich nach Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. Sowas kann man nicht vollständig kompensieren, fürchte ich. Die Rechtschreibkontrolle im Schreibprogramm anschalten, und ansonsten - üben üben üben. Wenn Ihr sie trotzdem eingestellt habt und behalten wollt, werdet Ihr bis zu einem gewissen Grad damit leben müssen.
Sehe ich genau so. Bei einer amtlich attestierten Lese-Rechtschreib-Schwäche hatte sie in der Schule möglicherweise in Deutsch eine Erleichterung bei den Arbeiten bzw. diese werden dann anders bewertet. In diesem Fall kann man sich nicht auf die Schulnote verlassen. Dann ist eine 3 nicht eine 3 im "normalen" Sinne. Wenn sie diese Schwäche tatsächlich hat, dann wird das ganze Üben wenig nutzen. Ihr werdet dann - wie Adora schon geschrieben hat - damit leben müssen. Ist schon eine gewisse Einschränkung in unserem Job. Aber dann kann sie wirklich nichts dafür. Sie wird es einfach nicht besser können.
Warum ist am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig?!

Ich habe kein Whatsapp und ich werde auch keins bekommen. Ich stehe auf Datenschutz und bin voll Threema.
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Anahid
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#7

20.09.2018, 11:10

Ich hatte auch einmal eine solche Auszubildende. Super nett, fleißig, bemüht und gute Auffassungsgabe, aber an der Rechtschreibung haperte es extrem. Selbes Vorgehen wie bei Dir: Probearbeiten, ein paar Fehler waren in dem Diktat drin, aber auch die habe ich auf die Nervosität geschobe. Die ersten zwei Jahre bin ich fast verzweifelt. Ich habe ihr Fehler immer und immer wieder erklärt und kam mir dann genau wie Du wie so ein Miesepeter vor, der die ganze Zeit nur nörgelt. Ich hab sie viel Akten lesen lassen, einfach, damit sie auf diese Weise auch nochmals die Schreibweisen verinnerlicht und viele Redewendungen werden ja von Chefs auch immer und immer wieder benutzt. Im dritten Jahr hat sich dann das Ganze erheblich gebessert. Natürlich war mal ein Schreibfehler drin (meine Güte...hab ich auch....keiner ist fehlerfrei) aber es hielt sich in Grenzen.

Mein Ratschlag wäre daher, gib ihr Akten zum lesen, damit sie auf diese Art und Weise zusätzlich lernt.
:katze2 Jeder Tag ist ein Geschenk ... aber manche sind einfach grottenschlecht verpackt. :katze1
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#8

20.09.2018, 11:35

Sylvia1964 hat geschrieben:
20.09.2018, 10:58
... bei Einsatz von Rechtschreibprüfung und viel Übung kann es besser werden. Das kostet aber Energie und notwendige Kontrolle. Leider erkennt die Rechtschreibprüfung auch nicht alle "Klopper".
Rechtschreibprüfung ist bei Word natürlich eingestellt, bei unserer Spracherkennungssoftware die wir für Diktate nutzen ist die natürlich nicht drin, manche Ausreißer sollte sie dann aber bei Übergabe an Word sehen... Sie soll nun auch mehr Diktate nach Gehör schreiben in der Hoffnung, dass sie dann ein wenig gewissenhafter vorgeht - unterstellt, dass vielleicht doch auch Unachtsamkeit ist...

AliceImWunderland hat geschrieben:
20.09.2018, 11:10
Sehe ich genau so. Bei einer amtlich attestierten Lese-Rechtschreib-Schwäche hatte sie in der Schule möglicherweise in Deutsch eine Erleichterung bei den Arbeiten bzw. diese werden dann anders bewertet. In diesem Fall kann man sich nicht auf die Schulnote verlassen. Dann ist eine 3 nicht eine 3 im "normalen" Sinne.
Aber müsste das dann nicht zumindest im Zeugnis irgendwie ausgewiesen sein?
Wie gesagt, als ich sie angesprochen hatte war davon keine Rede. Möglich dass sie sich dafür schämen oder Angst um ihre Ausbildungsstelle haben könnte und das ganze dann deshalb verschweigt. Aber eine gewisse Schreibsicherheit gehört - wie bereits durch einige andere geschrieben - dazu und es fällt eben auf.

Anahid hat geschrieben:
20.09.2018, 11:10
Ich hatte auch einmal eine solche Auszubildende. Super nett, fleißig, bemüht und gute Auffassungsgabe, aber an der Rechtschreibung haperte es extrem. Selbes Vorgehen wie bei Dir: Probearbeiten, ein paar Fehler waren in dem Diktat drin, aber auch die habe ich auf die Nervosität geschobe. Die ersten zwei Jahre bin ich fast verzweifelt. Ich habe ihr Fehler immer und immer wieder erklärt und kam mir dann genau wie Du wie so ein Miesepeter vor, der die ganze Zeit nur nörgelt. Ich hab sie viel Akten lesen lassen, einfach, damit sie auf diese Weise auch nochmals die Schreibweisen verinnerlicht und viele Redewendungen werden ja von Chefs auch immer und immer wieder benutzt. Im dritten Jahr hat sich dann das Ganze erheblich gebessert. Natürlich war mal ein Schreibfehler drin (meine Güte...hab ich auch....keiner ist fehlerfrei) aber es hielt sich in Grenzen.

Mein Ratschlag wäre daher, gib ihr Akten zum lesen, damit sie auf diese Art und Weise zusätzlich lernt.
Danke dir, dein Beitrag gibt mir ein wenig Hoffnung... Wir hatten in den letzten Jahren so viel Pech mit unseren Auszubildenden... Ich hatte praktisch jeden Stereotypen mit mir im Raum und war so froh, nun eine Auszubildende zu haben die keinen Aufstand macht, wenn sie die Kaffeemaschine putzen muss, die angemessen gekleidet ins Büro kommt und sowohl "Guten Morgen" als auch "Tschüss" sagen kann...
Ich glaube sie hat nun schon etwa 15 unserer Akten gelesen und natürlich hatte ich dabei auch im Sinn, dass sie sich mit dem gängigen Schreibstil ein wenig besser zurecht findet... Und mit kleinen Fehlern habe ich kein Problem, sicherlich habe ich in diesem Fred schon selbst genügend gemacht. :pfeif
Außerdem speichern wir auch immer gemeinsam die Post in unsere elektronische Akte ein und müssen dafür natürlich die Schreiben, Schriftsätze etc. lesen, damit eine ordentliche Verschlagwortung stattfinden kann. Jetzt wo ich aber über das Wort "Lese-/Rechtschreibschwäche" stolpere, fällt mir auf, dass sie auch hier oft Probleme hat - was ich aufs "Anwaltsdeutsch" geschoben habe.

Meist sind es dann richtige Ausreißer oder sie schreibt das Wort aus dem Diktat gar nicht erst hin sondern sagt, dass sie es nicht versteht und setzt ein "?" in den Text... Dass eben dieses Wort dann im nächsten Satz verständlich diktiert und auch von ihr geschrieben ist wirft dann bei mir die Frage auf, ob sie das Geschriebene auch versteht... Auf Nachfrage hin verneint sie dann meistens auch. Aber auch da dachte ich, dass es am "Anwaltsdeutsch" läge.
Aber ich will sie nicht schlecht reden, einfach gehaltene Diktate kann sie ohne viele große Fehler schreiben und ich hoffe auf das Beste.
Vielleicht sollten wir auch mal Kontakt mit ihren Erziehungsberechtigten aufnehmen und da nachhaken...
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#9

20.09.2018, 11:58

Oh, so jung noch, dass es Erziehungsberechtigte gibt? Da würde ich die Hoffnung auch nicht so schnell aufgeben wollen. Ich verstehe auch, dass Ihr foh seid über einen Azubi, der erstmal die Basics mitbringt und keinen Aufstand macht - damit sprichst Du mir aus der Seele, denn wir haben hier ganz ähnliche (schlechte) Erfahrungen gemacht.

Die LRS (man sagt wohl nicht mehr Schwäche, sondern Schwierigkeit) muss ja nicht erkannt sein, dann taucht auch nichts im Zeugnis auf. Wichtig ist glaub ich erstmal, dass Ihr über das Problem sprecht, mit ihr und intern als Arbeitgeber, und Euch darüber klar werdet, ob Ihr damit umgehen wollt.
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Wohnort: Saarland

#10

20.09.2018, 12:13

Anahid hat geschrieben:
20.09.2018, 11:10
Mein Ratschlag wäre daher, gib ihr Akten zum lesen, damit sie auf diese Art und Weise zusätzlich lernt.
Wäre auch meine Idee gewesen.
Ich bin damals eigenhändig hin und habe Wörter, die ich nicht verstanden habe, nachgelesen, weil ich das "Juristendeutsch" sehr schwierig fand. Damals habe ich zusätzlich auch ein paar Bücher gelesen (ob privat oder was dann später mit dem Beruf zu tun hatte). Dadurch hatte sich meine Rechtschreibung ziemlich verbessert und war auch in der Lage mehr selbständige Sätze zu schreiben. Damit hatte ich's mir anfangs nämlich auch sehr schwer getan.
Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. :fecht
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