Ist das normal??

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schneeflocke
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#11

13.04.2014, 17:57

Sorry FlowerRain,
ich bin davon ausgegangen, dass Du jünger bist und ohne "Ausbildung" bislang.

Dergestalt zu arbeiten und zu lernen hat unbestritten auch Vorteile einerseits, es stellt aber auch andererseits eine große persönliche Belastung dar, die Du jetzt schon nach so kurzer Zeit verspürst.

Die Vorteile sind die, dass Du gleich alles machen musst und nicht erst 1 Jahr lang Akten unfallfrei von A nach B balancieren darfst und die Botengänge für die Kanzlei zu erledigen hast. In einer solchen Kanzlei würde dann das genaue Gegenteil eintreffen, Du würdest Dich hoffnungslos unterfordert fühlen und nur sehnsüchtig darauf warten, endlich mal einen Brief zu schreiben oder einen Mahnbescheid auszufüllen. Aber...Chef pfeift Dich als Azubi im 1. Lehrjahr immer wieder zurück und läßt Dich im schlimmsten Fall brav 100 Briefe am Abend eintüten und die BriefMarken draufkleben. DAS würde Dich dann wahrscheinlich wahnsinnig machen und Du würdest Dich erneut fragen: Ist das noch normal?

und schnell und fehlerfrei ist Übungssache und Routine. Und diese Routine hast Du noch nicht.

Ob es woanders für Dich besser ist, kann ich nicht sagen.

Ich wünsche Dir alles Gute für die Zukunft und bedenke, dass eine Unterforderung genauso schlimm sein kann wie eine Überforderung. Die Anwälte vertrauen Dir, Du bist eine erwachsene Frau. Und laß den Job im Büro... ohne Angst zur Arbeit gehen. Das ist wichtig.

schneeflocke
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Kitty on the road
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#12

13.04.2014, 19:08

Hallo,

klingt ja fast ein wenig nach meiner Ausbildung. ;)

Ich habe damals auch zuerst ein Vorpraktikum gemacht, weil ich vorher eine andere Ausbildung abgebrochen hatte und der Zeitpunkt ungünstig war; zum regulären Ausbildungsbeginn war es noch was hin und nachlernen wollte ich nicht (hätte ich von meinem Chef aus aber können). Da war es dann auch so, dass ich am ersten Praktikumstag direkt eine Klageschrift getippt habe. Das fand ich jetzt für mich nicht sonderlich anspruchsvoll, habe aber dann später in der Berufsschule mitgekriegt, dass es Leute gab, die das vielleicht Ende des dritten Jahres mal durften, wenn überhaupt.

Es gab in dieser Kanzlei zwei Anwälte, mich, und eine ausgelernte Teilzeitkraft, die mich ausgebildet hat. Teilzeit hieß aber eben auch, dass sie ab 14 Uhr weg war und ich den Rest des Arbeitstags alleine war. In den ersten Wochen war sie glaube ich noch Vollzeit da, doch schon nach kurzer Zeit hatte sie dann wieder reduziert und war dann weg. Und diese paar Wochen am Anfang habens natürlich auch nicht rausgerissen...
Sozusagen habe ich auch den halben Tag über den Laden alleine geschmissen; mein Chef war da keine große Hilfe (aber zumindest die Anwältin konnte ich fast immer fragen, wenn was war).

Im August dann - immer noch während des Praktikums, vor Ausbildungsbeginn - waren die Chefs und meine Kollegin dann auch beide 14 Tage im Urlaub und ich war während dieser Zeit komplett allein. Ich habs geschafft - aber wohl gefühlt habe ich mich damit auch nicht. Es war dann auch jedes Jahr im Sommer wieder so.

Ach so, und ich habe in meinem 3. Lehrjahr auch einen Azubi, meine Nachfolgerin, mit ausgebildet, weil meine Kollegin auch da nur Teilzeit war.

Insofern kenne ich durchaus auch das Gefühl, sich hoffnungslos überfordert zu fühlen. Ich kam aus einer komplett anderen Branche, ich hatte von dem ganzen Krempel vorher noch nie was gehört und habe manchen Tag gedacht, mir platzt der Kopf. Und ich habs auch fast jeden Tag mit nach Hause genommen.

Ich habe die drei Jahre durchgezogen - und rückblickend hat mir diese Ausbildung sehr, sehr viel gebracht. Nicht nur fachlich; da natürlich auch. Aber ich habe danach, weil ich nicht übernommen wurde (jaja, man arbeitet mit Azubis... aber ich hätte auch nicht gewollt), in einer großen Insolvenzkanzlei angefangen. Ich hatte bis dahin noch nie was von Insolvenz gehört, weil wir das dort nicht gemacht haben; ich hatte wirklich keinen blassen Dunst. Aber mir Dinge selber anzueignen, hatte ich ja schon gelernt. Insofern hat mir das dort sehr geholfen.


Eigentlich plädiere ich sehr für diese Art von Ausbildung, vor allem, weil ich in der Berufsschule krasse Unterschiede gesehen habe. Neben mir saß eine, mit der ich heute noch gut befreundet bin - die durfte die ersten zwei Jahre nur Akten von A nach B tragen, Kaffee kochen, Gerichtspost holen und bringen, kopieren und Post eintüten. Irgendwann durfte sie nicht mal mehr letzteres, weil sie da mal was falsch gemacht hat. Ich sag jetzt nicht, wie ich das finde... :roll:

Allerdings ist es natürlich nicht Sinn und Zweck, dass Du Dich da selbst bei kaputtmachst. Ich würde da auf mein Gefühl hören - Du siehst ja, dass dieser Zustand von Dauer sein wird. Ja, Du wirst irgendwann Routine bekommen. Ja, Du wirst mit der Zeit manches besser bewältigen. Aber ich finde es schon problematisch, dass Du nicht wenigstens eine ausgelernte Kollegin hast, selbst wenn die, wie bei mir, nur halbtags da wäre. Dann wäre zumindest jemand da.

So wie Du es schilderst, hätte ichs wahrscheinlich nicht durchgezogen.
Allgemeines Zivilrecht & gewerblicher Rechtsschutz - all day long.


"Ich habe bei Tag und Nacht über den Büchern gesessen, ganze Bibliotheken durchgelesen, auch Philosophie und fremde Sprachen getrieben, und die Bücher sind leider mein Gott gewesen." - zitiert in: Arno Pagel, Ludwig Harms - Gottes Rufer in der Heide
FlowerRain
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#13

13.04.2014, 19:27

Hallo nochmal Schneeflocke :wink1
macht doch nichts, ich hätte dazuschreiben sollen, dass ich schon älter bin.
Was die Unterforderung, die einen auch gewaltig nerven kann, angeht, hast du schon recht. Eigentlich ist es einerseits schon toll, dass mir nach kurzer Zeit so viel anvertraut und zugetraut wird - andererseits wirkt es sich auf mich als starker Druck und Stress aus. Meine Hoffnung ist, dass ich, wie du schreibst, im Lauf der Zeit Routine bekomme und sich das dadurch bessert.
Ich mache mir möglicherweise auch noch zusätzlich selber Druck, weil es für mich auf dem Arbeitsmarkt sonst nicht rosig aussieht. Schließlich habe ich 40 Bewerbungen geschrieben (auch für Industriekauffrau-Plätze u. ä., aber nur Bereiche, die mich interessieren) und habe am Ende nur 1 Zusage bekommen. Deshalb möchte ich mich beweisen, damit es mit der Ausbildung auch klappt.
Immerhin habe ich 7 Monate Probezeit (4 im Praktikum, 3 in der Ausbildung), was schon sehr lang ist. Die gesetzliche Vorgabe wird damit zwar ausgehebelt, aber rechtmäßig ist das wohl trotzdem.

Ich werd versuchen, eure Tipps umzusetzen und "die Arbeit im Büro zu lassen". Ich hoffe, dass das im Laufe der Zeit von allein besser klappt. Vorschnell aufgeben will ich auf keinen Fall. Nebenher bewerben kann ich mich ja, das ist sicher kein Fehler. Nur sind viele Arbeitgeber bei meinem ungewöhnlichen Lebenslauf (oder sollte ich sagen, brüchigem?) wohl eher skeptisch (Germanistik-Studium abgebrochen, das nächste dann durchgezogen bis zum Bachelor, den Master aber wiederum abgebrochen, dann lange ohne "richtigen" Job, eben nur als Aushilfe hier und da).
Vielen Dank für Eure Posts! :smile:
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