Wie sollte eine gute Ausbildung aussehen?

Für Themen rund um die Berufsausbildung Rechtsanwaltsfachangestellte / Rechtsanwaltsfachangestellter. Bitte hier KEINE Fachfragen stellen, sondern dafür den richtigen Unterbereich wählen.
Antworten
RechtsKnecht
Forenfachkraft
Beiträge: 240
Registriert: 15.09.2011, 19:58
Beruf: Rechtsanwalt
Software: Advolux

#1

20.09.2011, 11:58

Hallo zusammen, ich nerv mal wieder ;-)

Diesmal möchte ich mal herumfragen, was die "DOs and DONTs" bei der Ausbildung einer ReFa sind.
Wie sollte, eurer Meinung nach, die Ausbildung laufen. Was sollte der Ausbilder unbedingt machen und beachten? Was sollte auf keinen Fall passieren?

Diesen Thread habe ich gefunden, der sich mit der Frage im Ansatz beschäftigt, allerdings nicht wirklich trifft:
viewtopic.php?t=1304

Exkurs: In meiner Ausbildung damals waren Berufsschule und Arbeit zwei getrennte Welten. Wir haben das eine gelernt, während wir etwas völlig anderes gearbeitet haben. Auch haben sich die Themengebiete zum größten Teil nur sehr mäßig gedeckt. Das war irgendwie alles etwas suboptimal, obwohl man sich doch im Endeffekt ein beachtliches Fachwissen aneignen konnte. Allerdings basierte das auch zum Teil auf eigenem Engagement, um die Lücken zu schließen.


Ich kann mir vorstellen, dass man anfangs vom anstehenden Lernstoff bei der ReFa-Lehre erschlagen wird. Neben den Grundzügen des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts aller drei Rechtsgebiete steht speziell die Kanzleiorganisation, die Fristen, die Berechnung von Kosten und Gebühren, das Mahnverfahren, die Zwangsvollstreckung, die kanzleieigenen Sicherheitsmechanismen und nicht zuletzt auch die Vorstellungen des Arbeitgebers über die Abläufe auf dem Stoffplan. Im Vergleich zu den meisten anderen Lehrberufen ist das recht umfangreich und komplex.

Wäre es sinnvoller, erstmal einen Überblick über alles zu schaffen und dann die einzelnen Bereiche zu vertiefen oder sollte man die Bereiche nacheinander vermitteln und dann zum Schluss den Zusammenhang herstellen?

Für Variante 1 spricht, dass man durch den grundsätzlichen Überblick das Detailwissen später besser einsortieren kann. Dagegen spricht natürlich, dass man diesen Überblick nur in der Theorie vermitteln kann und kaum sinnvoll mit praktischem Bezug, da man ja sonst wieder zu sehr ins Detail gehen muss. Bei Variante 2 kann man direkt auch praktisch einsteigen, allerdings wird der Azubi dann anfangs nur Punktwissen haben und kann dadurch die Abläufe in der Kanzlei nur schwer im Zusammenhang erfassen.


Es wäre schön, wenn sich der ein oder andere dazu mal äußern könnte. Gerne können auch stichpunktartig Dinge genannt werden, die der Ausbilder tun und lassen sollte.


Bisherige Erkenntnisse:
- Anfangs einen Überblick schaffen und auf dieser Grundlage dann nach und nach Detailwissen vermitteln
- Frühzeitige Konfrontation mit praktischen Aufgaben mit begleitender Erklärung und Unterstützung ("ins kalte Wasser werfen")
- Bei jeder Tätigkeit auch die Hintergrunde (Warum, Wofür?) und Zusammenhänge (Was ging voran, was passiert danach) erklären
- Wenn möglich auch gesetzliche Grundlagen vermitteln (soweit es nicht den Rahmen sprengt)
- Frühzeitige selbstständige Erledigung einfacher Tätigkeiten nach Einweisung
- Nicht unbedingt themenparallel mit Berufsschule ausbilden
- Bereitstellung von Listen (Fristen, Fachwörter, etc.)
- Die theoretische Ausbildung nicht vernachlässigen, da auf die Berufsschule oftmals kein Verlass ist
- Sollte die Kanzlei kein praktisches Anschauungsmaterial zu einem Thema bieten: Demonstationsakten erstellen
- Regelmäßig (z.B. 1x pro Woche) mit Azubi in Ruhe zusammensetzen, um fachliche "Problemgebiete" gezielt zu bekämpfen
-



Daran anschließend noch die Frage, was ihr denkt, was eine durchschnittlich begabte Azubine so im ersten, zweiten und dritten Lehrjahr selbstständig können dürfte/sollte/müsste.

Bisherige Erkenntnisse:
-
Zuletzt geändert von RechtsKnecht am 20.09.2011, 14:44, insgesamt 5-mal geändert.
Ernie

#2

20.09.2011, 12:06

Du kannst Dich z. B. an dem Ausbildungsrahmenplan der zuständigen Kammer orientieren.
Benutzeravatar
Gelini
Daueraktenbearbeiter(in)
Beiträge: 347
Registriert: 11.03.2008, 13:13
Wohnort: Dresden

#3

20.09.2011, 12:13

Sehr schön, da bin ich dabei... ich liebe deine Threads :dafuer

Also ich kann ja mal erzählen, wie es bei mir war, da ich eigentlich eine super Ausbildung hatte:

Ich bin einfach ins kalte Wasser geworfen worden. Bin am ersten Tag hingekommen und mir wurde einfach mal ein Band zum Schreiben gegeben. Da ich schon 10-Finger-Schreiben konnte, war das kein Problem. Und nach und nach wurde mir dann immer gleich anhand der Praxis erklärt, wie was funktioniert. Beim Schreiben sind halt dann Sachen aufgetreten, die da verlangt wurden (Rechnungen schreiben, ZV-Maßnahmen durchführen, MB fertigen usw.) Mir wurden sie einfach mit Hintergrund erklärt und ich habe es verstanden und angewendet. Die Berufsschule lief nebenher, aber eigentlich eigenständig. Meist war es so, dass ich Sachen in der Praxis schon konnte, die aber später erst theoretisch in der Berufsschule drankamen. Fand ich ganz gut, da ich dann mit meinem Wissen glänzen konnte :D

Bei Sachen, die mir unklar waren, z. B. bestimmte Rechtsbegriffe oder Verfahrensabläufe, habe ich nachgefragt und eine Erklärung bekommen. Meine Kollegin hat mir aber auch viele Fälle zum Üben gegeben. Sie hatte auch mal komplexe Akten zur Abrechnung auf dem Tisch und hat mich einfach machen lassen. Wenn ich fragen kam, meinte sie: "Da sind die Gesetzbücher, da die Kommentare. Wenn ich morgen vom Bus überfahren werde, kannst du mich auch nicht mehr fragen" :roll: Aber im Nachhinein war das genau die richtige Taktik. So habe ich gelernt, mich selbst zu informieren und zu recherchieren, sodass ich eigentlich ab dem mitte des 1. Lehrjahres als vollwertige Fachkraft beschäftigt war.

Auf die zweite Frage antworte ich mal noch nicht (welche Tätigkeiten in welchem Lehrjahr), da warte ich mal noch die anderen Antworten ab :wink:
naduh

#4

20.09.2011, 12:15

Dann fang ich mal an aus eigener Erfahrung zu berichten :-)

Ich habe meine Lehre allerdings in einer großen Kanzlei mit 15 Anwälten absolviert. In unserer Kanzlei gibt es für jedes Rechtsgebiet eine eigene Abteilung. Eine separate Abteilung für die Buchhaltung (die sich auch um die Fristen kümmert), eine weitere separate Abteilung für die Zwangsvollstreckung und für das Notariat und auch eine separate Abteilung für Postbearbeitung, Botengänge, sonstige Erledigungen etc..

In den ersten drei Monaten muss man in der "Registratur" mitarbeiten, also erst einmal nur Botengänge erledigen, Post bearbeiten, Akten abtragen und all die Dinge erledigen, die man von den Mitarbeitern im Büro aufgetragen bekommt, man fängt bei uns also ganz "sachte" an.
Danach werden die Azubinen (also nach ca. 3 Monaten) in versch. Abteilungen versetzt, wo sie jeweils immer ungefähr ein halbes Jahr verbleiben, um einen Eindruck über jedes Rechtsgebiet zu gewinnen. Dort wird man dann direkt voll involviert, soll heißen, man schreibt Diktate, lernt Kostenrechnungen zu bearbeiten, macht Kleinigkeiten eigenständig, nimmt Telefonate entgegen und kommt in Mandantenkontakt. Angelernt wird man in den Abteilungen von den jeweiligen dortigen Mitarbeitern.

Anfang des dritten Lehrjahres durchläuft der Lehrling dann auch die Zwangsvollstreckung und das Notariat in unserem Büro.
Am Empfang/Telefon werden die Lehrlinge bereits nach einigen Wochen angelernt.

Ich habe meine Lehre 2007 beendet und arbeite seitdem weiter in dieser Kanzlei. Ich muss sagen, dass ich eine gute Lehre hatte. Bereits im zweiten Lehrjahr konnte ich eigenständig arbeiten und auch mal eine Mitarbeiterin während ihres Urlaubs problemlos vertreten. Die meiste praktische Kenntnis erlangte ich allerdings erst nach meiner Lehrzeit. Ich glaube, das ist aber generell so. Sobald der Schulstress vorüber ist und man sich voll und ganz der Praxis widmen kann, läufts vom Verständnis her noch besser.

Einen Nachteil hat unsere "große" Kanzlei, man kommt in der Lehre leider überhaupt nicht mit der Fristenkontrolle/überwachung in Kontakt, dies muss man sich später selbst aneignen. Aber wenn man in der Schule gut aufgepasst hat, ist auch das problemlos zu meistern.

Ich hoffe, ich konnte einen kleinen Einblick gewähren :-)
Xuka
Kennt alle Akten auswendig
Beiträge: 991
Registriert: 24.08.2007, 09:57
Beruf: Gepr. Rechtsfachwirtin
Software: altasoft

#5

20.09.2011, 12:31

Bei der Vermittlung des Lernstoffes tendiere ich eher zu Variante 1, also Überblick verschaffen und dann die einzelnen Bereiche vertiefen. Ich denke es ist besser, wenn der Azubi erst mal alle anfallenden Routineaufgaben im Griff hat und sich dann in die Materie einarbeitet.

Bei uns durften die Azubis im ersten Lehrjahr alle Routinesachen machen: Posteingangskontrolle mit Fristen notieren (unter Aufsicht einer Refa), Bänder schreiben, Wiedervorlagen, Telefon... Sobald das alles einigermaßen zuverlässig geklappt hat, wurden ihnen dann Akten zur Bearbeitung gegeben, erst die leichten Fälle und später dann auch mal was Anspruchsvolleres. In meiner alten Kanzlei war es allerdings so, dass der Azubi nicht als reguläre Sekretariatskraft eingesetzt wurde, sondern erst gegen Ende der Ausbildung einem Anwalt zugeordnet wurde.

Was mir in der eigenen Ausbildung gefehlt hat, war das Arbeiten mit dem Gesetz. Ich hatte damals leider keine Refa, die mir alles zeigen konnte, dafür aber einen Chef, der mich regelmäßig gefordert hat, so dass ich per se schon gezwungen war, mir selbst Wissen anzueignen und zu lernen, mit Gesetzestexten umzugehen. In meiner Berufsschule haben wir leider auch selten mit dem Gesetz gearbeitet, weswegen man eher dazu verleitet wurde, den ganzen Stoff auswendig zu lernen... was einem aber nichts bringt, wenn man den Zusammenhang in der Praxis dann nicht herstellen kann.
RechtsKnecht
Forenfachkraft
Beiträge: 240
Registriert: 15.09.2011, 19:58
Beruf: Rechtsanwalt
Software: Advolux

#6

20.09.2011, 12:44

Ernie hat geschrieben:Du kannst Dich z. B. an dem Ausbildungsrahmenplan der zuständigen Kammer orientieren.
Der wurde schon komplett gefilzt :-)
Allerdings sind die Dinger leider recht oberflächlich und geben auch keinen Aufschluss darüber, wie das Wissen am besten zu vermitteln ist und was in der Berufsschule schlussendlich tatsächlich auch gelehrt wird.


Ich werde im ersten Post versuchen eine stichpunktartige Liste zu erstellen und dort die genannten Punkte einzupflegen. Vielleicht hilft sie ja auch dem ein oder anderen Ausbilder, der sich hierher verläuft.
Xuka
Kennt alle Akten auswendig
Beiträge: 991
Registriert: 24.08.2007, 09:57
Beruf: Gepr. Rechtsfachwirtin
Software: altasoft

#7

20.09.2011, 13:07

Ich bin damals mit meinen Nachfolgerazubis zu Beginn des letzten Ausbildungsjahres auch noch mal den Rahmenplan durchgegangen, um die Punkte noch zu erledigen, die im täglichen Kanzleiablauf fast nie vorkommen. Falls keine Möglichkeit bestand, sowas an einem echten Fall zu erklären, habe ich ne Fantasieakte erstellt, damit es wenigstens einmal geübt werden konnte.
BrunettesDoitBetter
Foren-Azubi(ene)
Beiträge: 63
Registriert: 20.09.2011, 09:55
Beruf: RA-Fachangestellte

#8

20.09.2011, 14:38

was ich an meinem Ausbildungsbetrieb sehr zu schätzen gewusst habe (vor allem im Nachhinein) Mein chef hat sich einmal in der Woche nachmittags wenn nicht viel zu tun war mit mir hingesetzt und gerade in dem Fach Gebührenrecht, in dem wohl die meisten Probleme haben, hingesetzt und Aufgaben durchgerechnet. Er hat dann immer laufende Akten aus unserer Kanzlei als Beispiele genommen. Das ht mir sehr viel geholfen und ich hatte eine glatte eins in meiner Prüfung.

Ich wurde in meiner kanzlei auch gleich ins kalte wasser geschmissen. Akte hingelegt "Versuchen Sie das mal abzurechnen". dann saß man zwar etwas hilflos da aber mit den entsprechenden Gesetzestexten hat man dann irgendwann doch den Anschluss gefunden. Fehler wurden auch ausführlich besprochen.

MIr hat dieses "ins kalte wasser schmeißen" sehr viel gebracht!
Ein Mann kann anziehen, was er will - er bleibt doch nur ein Accessoire der Frau
-Coco Chanel-
Benutzeravatar
Gelini
Daueraktenbearbeiter(in)
Beiträge: 347
Registriert: 11.03.2008, 13:13
Wohnort: Dresden

#9

20.09.2011, 15:31

BrunettesDoitBetter hat geschrieben:was ich an meinem Ausbildungsbetrieb sehr zu schätzen gewusst habe (vor allem im Nachhinein) Mein chef hat sich einmal in der Woche nachmittags wenn nicht viel zu tun war mit mir hingesetzt und gerade in dem Fach Gebührenrecht, in dem wohl die meisten Probleme haben, hingesetzt und Aufgaben durchgerechnet. Er hat dann immer laufende Akten aus unserer Kanzlei als Beispiele genommen. Das ht mir sehr viel geholfen und ich hatte eine glatte eins in meiner Prüfung.

Ich wurde in meiner kanzlei auch gleich ins kalte wasser geschmissen. Akte hingelegt "Versuchen Sie das mal abzurechnen". dann saß man zwar etwas hilflos da aber mit den entsprechenden Gesetzestexten hat man dann irgendwann doch den Anschluss gefunden. Fehler wurden auch ausführlich besprochen.

MIr hat dieses "ins kalte wasser schmeißen" sehr viel gebracht!
Dein Chef konnte Gebührenrecht??? :shock: Davon hatte meiner soviel Ahnung wie ein Schwein im Stabhochsprung :lol: Jetzt mal im Ernst :wink: Bei meinem klang das immer so: "Also rechnen Sie mal... Ja, ich denke eine Verfahrensgebühr... und... eine... Naja, Sie machen das schon" :roll: :mrgreen:
BrunettesDoitBetter
Foren-Azubi(ene)
Beiträge: 63
Registriert: 20.09.2011, 09:55
Beruf: RA-Fachangestellte

#10

20.09.2011, 15:57

Gelini hat geschrieben:
BrunettesDoitBetter hat geschrieben:was ich an meinem Ausbildungsbetrieb sehr zu schätzen gewusst habe (vor allem im Nachhinein) Mein chef hat sich einmal in der Woche nachmittags wenn nicht viel zu tun war mit mir hingesetzt und gerade in dem Fach Gebührenrecht, in dem wohl die meisten Probleme haben, hingesetzt und Aufgaben durchgerechnet. Er hat dann immer laufende Akten aus unserer Kanzlei als Beispiele genommen. Das ht mir sehr viel geholfen und ich hatte eine glatte eins in meiner Prüfung.

Ich wurde in meiner kanzlei auch gleich ins kalte wasser geschmissen. Akte hingelegt "Versuchen Sie das mal abzurechnen". dann saß man zwar etwas hilflos da aber mit den entsprechenden Gesetzestexten hat man dann irgendwann doch den Anschluss gefunden. Fehler wurden auch ausführlich besprochen.

MIr hat dieses "ins kalte wasser schmeißen" sehr viel gebracht!
Dein Chef konnte Gebührenrecht??? :shock: Davon hatte meiner soviel Ahnung wie ein Schwein im Stabhochsprung :lol: Jetzt mal im Ernst :wink: Bei meinem klang das immer so: "Also rechnen Sie mal... Ja, ich denke eine Verfahrensgebühr... und... eine... Naja, Sie machen das schon" :roll: :mrgreen:
schwer vorzustellen ich weiß. Naja heute weiß ich mehr als er (das darf ich ihm aber nicht sagen). Aber die grundkenntnisse beherrscht er... er hat mich dann auch mal öfter an dsa buch "RVG für Anfänger" verwiesen ABER wir haben darin zusammen geblättert. Immerhin :mrgreen: Nachdem er dann selbst alles nochmal nachgelesen hatte, konnte er es mir eigentlich wirklich gut erklären. Und dann die Praxisbeispiele anhand unserer Akten waren natürlich auch hilfreich.
Ein Mann kann anziehen, was er will - er bleibt doch nur ein Accessoire der Frau
-Coco Chanel-
Antworten