Erklärung vorläufige Vollstreckbarkeit u Sicherheitsleistung

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Bino
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#1

28.10.2008, 19:49

Irgendwie fällt mir immer wieder auf, dass es immer wieder Schwierigkeiten mit der "vorläufigen Vollstreckbarkeit" und der "Sicherheitsleistung" gibt. Deswegen wollte ich das nochmal kurz für diejenigen erläutern, die damit Schwierigkeiten haben.

Vorläufig vollstreckbar heißt ja, dass - obwohl noch ein Rechtsmittel gegen ein Urteil möglich ist - trotzdem schon aus dem noch nicht rechtskräftigen Urteil vollstreckt werden kann. Das Urteil ist deswegen eben nur "vorläufig" vollstreckbar, weil der Rechtsstreit in einer möglichen Rechtsmittelinstasnz ja auch noch verloren werden kann.
Sinn der Sache ist (so habe ich das jedenfalls mal gelernt), dass mit der Möglichkeit "vorläufig" zu vollstrecken, verhindert werden soll, dass die unterlegene Partei nur ein Rechtsmittel einlegt, um die Zahlung/Erbringung der Leistung zu verzögern.
Die obsiegende Partei kann also schon vollstrecken, obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Allerdings sollte der RA seinen Mandanten darauf hinweisen, dass für den Fall, dass vorläufig vollstreckt wird, das Urteil dann in der Rechtsmittelinstanz abgeändert wird und dem Gegner durch die Vollstreckung ein Schaden entstanden ist, u. U. der Gläubiger dem Schuldner diesen Schaden zu ersetzen hat.

Nun gibt es noch den Unterschied, ob ein Urteil mit oder ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.

- Wenn es ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, muss nichts beachtet werden, es kann gleich vollstreckt werden. Es muss auch vor der ZV kein Rechtskraftattest eingeholt werden (manche machen das trotzdem, aber erforderlich für die ZV ist es nicht).

- Ist das Urteil aber nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, dann muss dem ZV-Auftrag entweder ein Nachweis über die geleistete Sicherheit beigefügt werden, oder aber zum Zeitpunkt der Einleitung der ZV ist die Rechtsmittelfrist schon längst abgelaufen. In diesem Fall wäre beim Gericht ein Rechtskraftattest einzuholen und mit diesem kann dann die ZV eingeleitet werden.
Das Vollstreckungsgericht/der Gerichtsvollzieher muss jedenfalls zusammen mit dem Vollstreckungsauftrag eines von beiden vorgelegt bekommen, entweder den Nachweis über die Sicherheitsleistung oder das Rechtskraftattest.
Denn das Gericht/der Gerichtsvollzieher können ja nicht wissen, ob ein Rechtsmittel eingelegt wurde und ob das Verfahren noch läuft. Also benötigen sie einen der beiden Nachweise.

Übrigens, welche Urteile mit oder ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind, ergibt sich übrigens aus dem Gesetz, aber den Paragraphen weiß ich jetzt leider nicht.

Ach so: Und egal, ob es ein Urteil ist, das nur vorläufig vollstreckbar (weil noch ein Rechtsmittel möglich ist) ist oder nicht und ob es mit oder ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, man braucht IMMER eine vollstreckbare Ausfertigung. Eine vollstreckbare Ausfertigung ist es, wenn auf dem Urteil vermerkt ist, wann dem Gegner das Urteil zugestellt wurde (Zustellungsvermerk) und dass das Urteil der obsiegenden Partei zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt wurde (Vollstreckungsklausel).
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Xuka
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#2

28.10.2008, 20:48

Na dann ergänze ich noch ein bisschen:

Welche Urteile ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind, ergibt sich aus § 708 ZPO.

Die wichtigsten sind m. E.: Anerkenntnisurteile; Versäumnisurteile; Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten; andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der GW der Verurteilung in der Hauptsache € 1.250,- nicht übersteigt.

Aus § 709 ZPO ergibt sich, dass alle nicht in § 708 ZPO genannten Urteile nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden können.

Bei der Sicherheitsleistung ist zu unterscheiden, von wem diese geleistet werden muss:

Bei Urteilen, die nach § 709 ZPO nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind, muss der Gläubiger Sicherheit leisten.

Es gibt aber auch Fallkonstellationen, in denen der Schuldner Sicherheit leisten kann: Aus § 711 ZPO ergibt sich, dass der Schuldner bei den in § 708 Nr. 4-11 ZPO genannten Urteilen eine Abwendungsbefugnis hat. Der Schuldner kann durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung die Vollstreckung abwenden. Sofern der Schuldner Sicherheit geleistet und dies nachgewiesen hat, muss die vom Gläubiger betriebene ZV eingestellt werden, vgl. § 775 Nr. 3 ZPO. Allerdings kann der Gläubiger nunmehr ebenfalls Sicherheit leisten und die Vollstreckung dann weiterbetreiben.

Da es vorkommen kann, dass Gläubiger/Schuldner keine Sicherheit leisten können, aber die Zwangsvollstreckung dennoch durchgeführt/abgewendet werden soll, besteht die Möglichkeit Schutzanträge zu stellen. Der Gläubiger muss einen Antrag nach § 710 ZPO stellen um von der Sicherheitsleistung befreit zu werden. Der Schuldner muss einen Antrag nach § 712 ZPO stellen, um ein Urteil für nicht vorläufig vollstreckbar erklären zu lassen. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die Anträge bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen sind, auf die das Urteil ergeht, § 714 ZPO.

Für den Gläubiger, der die Sicherheitsleistung nicht aufbringen kann, besteht aber auch die Möglichkeit der Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO. Hierbei wird z. B. bewegliches Vermögen gepfändet, nicht jedoch überwiesen. Die Überweisung erfolgt nach 720a Abs. 2 ZPO erst, wenn der Gläubiger Sicherheit geleistet hat. Der Schuldner hat allerdings auch hier die Möglichkeit, die Pfändung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, vgl. Abs. 3.

Zum Thema Vollstreckungsklausel:

Wie Bino schon sagte, wird für gewöhnlich immer eine benötigt.

Es gibt aber auch Titel, bei denen keine Klausel notwendig ist, z. B. Vollstreckungsbescheide, Arrestbefehle/einstweilige Verfügungen (§ 929 ZPO).
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Bino
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#3

28.10.2008, 21:08

Oh super, dann kann ja jetzt nichts mehr schiefgehen ;-)
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Steffi81
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#4

10.10.2012, 19:21

Und wie sieht es aus, wenn die ZV per Beschluss einstweilen gegen Sicherheitsleistung eingestellt wird? Wer muss dann die Sicherheit leisten? Der Gläubiger oder der Schuldner, der ja immerhin die ZV abwenden will?
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Majo
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#5

02.01.2013, 13:16

Hallo

dazu hätte ich eine Frage:

Hab einen Beschluss wegen Kindesunterhalt, Gegner wurde verurteilet ab Oktober laufenden Unterhalt zu zahlen. Drunter steht, dass die Sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung angeordnet wurde und dass sich der Anspruch zur sofortigen Wirksamkeit aus den §§ 120 Abs. 2, 116 Abs 3 FamFG ergibt. Von vorläufiger Vollstreckbarkeit steht direkt nichts im Beschluss, wenn ich das richtig verstehe, ergibt sich das aber aus dem § 120 Abs. 2 FamFG.
Die Rechtsmittelfrist läuft erst nächste Woche ab. Gegenseite hat aber schon angekündigt, Beschwerde einlegen zu wollen. Kann bzw. muss ich jetzt eine vollstreckbare Ausfertigung oder eine "vorläufig" vollstreckbare Ausfertigung bei Gericht beantragen?
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#6

05.02.2018, 09:20

"Das Urteil ist voläufig vollstreckbar. Den Beklagten wir nachgelassen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. h. v. 110 des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor Beginn der Vollstreckung in entsprechender Höhe leistet.".....
Heißt das, dass der Kläger sofort die Vollstreckung einleiten kann. Nur wenn die Beklagte Sicherheit geleistet hat dann nicht ?
DAnke Euch
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AliceImWunderland
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#7

05.02.2018, 09:48

So ist es.
Warum ist am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig?!

Ich habe kein Whatsapp und ich werde auch keins bekommen. Ich stehe auf Datenschutz und bin voll Threema.
:naegel
Lori79
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#8

24.01.2020, 10:35

Hallo Zusammen,
wir haben einen VU erwikt. Er hat gegen diesen Einspruch eingelegt. Sodann haben wir einen Beschluss erhalten: .."wird die ZV aus dem Versäumnisurteil des LG ..... gegen Sicherheitsleistung in Höhe von ......................eingestellt (707 Abs. )
d.h. doch ich kann die Zwangsvollstreckung einleiten, solange der Beklagte keinen Sicherheit geleistet hat oder ?
Das Verfahren ist terminiert für April 2020.
Ich wollte eine Kontopfändung machen. Habe bei der Hinterlegungsstelle angerufen. Es wurde nichts hinterlegt.
Danke Euch
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rena
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#9

01.09.2021, 15:10

Hallo liebes Forum, ich bin etwas verwirrt.

Wir haben eine Altakte übernommen aus 2000. Da liefen schon Zwangsvollstreckungsmaßnahmen über andere Kanzleien.

Das Urteil vom 25.04.2000 (vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung) habe ich in vollstreckbarer Ausfertigung mit dem Vermerk rechtskräftig seit 20.06.2000.

Der Schuldner ist mittlerweile in Österreich, wir haben dort über eine Kanzlei die ZV erneut eingeleitet. Der Schuldner lässt nun einwenden, dass die ZV nur gegen Sicherheitsleistung erfolgen darf und ein derartiger Nachweis nicht erbracht ist und mangelnde Rechtskraft des Urteils vorliegt.

Die Vollstreckungsklausel vom 20.06.2000 lautet auch etwas komisch: Vorstehende mit der Urschrift übereinstimmende Ausfertigung wird .......... zum Zwecke der ZV gegen Sicherheitsleistung in Höhe von .................... erteilt.

Dennoch habe ich eine vollstreckbare Ausfertigung nebst Rechtskraftvermerk und mehr brauche ich doch nicht oder übersehe ich hier etwas? :kopfkratz

Die Bescheinigung nach Art. 54 u. 58 EuGVVO haben wir auch.
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Anahid
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...ist hier unabkömmlich !
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#10

01.09.2021, 17:14

Die Vollstreckungsklausel besagt, dass Du nur gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kannst. Da hilft Dir auch die Rechtskraft nichts. Du brauchst eine Klausel, die die Vollstreckung ohne Einschränkungen zulässt.
:katze2 Jeder Tag ist ein Geschenk ... aber manche sind einfach grottenschlecht verpackt. :katze1
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