Schlechte Ausbildung in Kanzleien

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Bärchen

#1

21.06.2006, 10:20

Ich wollte mal fragen, wie es in Euren Ausbildungen vonstatten ging bzw. geht. Immer wieder höre ich, dass die Ausbildungen voll daneben sind, weil eigentlich keine Ausbildung stattgefunden hat bzw. stattfindet.

In meiner Ausbildung habe ich eigentlich nur Kaffee kochen, putzen, saugen und einkaufen gelernt. Teilweise war es so schlimm, dass ich, wenn ich Stadtgang hatte (sprich, zur Post, zur Bank etc) für die Angestellten einkaufen musste und ich mit 5 Einkaufstüten wieder im Büro ankam. Wenn es draußen nass und matschig war, musste ich zweimal am Tag saugen und nur so ein schXXX.
Manchmal durfte ich auch Akten bearbeiten, allerdings wurde mir nie etwas erklärt. Wenn ich es dann falsch gemacht habe, wurden die Akten an jemand anderes gegeben und ich wusste immer noch nicht, was falsch war. Grundsätzlich habe ich die Sachen (Mahnverfahren, ZV, Kostenrecht oder was auch immer) auch in der Kanzlei "gelernt", bevor ich es in der Schule gelernt habe.

Oft war es so, dass ich auf der Arbeit irgendetwas machen musste, ich aber nicht wusste, wie ich es zu machen habe und dann meinen Fachkundelehrer gefragt habe, was ich machen muss. Dann haben wir uns nach der Schule oder während den Pausen hingesetzt und die Sachen besprochen.
Das ist doch keine Ausbildung und ist echt zum :uebel

Dann wurde ich ständig nur gemobbt. Ich musste sogar mehr oder weniger um Erlaubnis fragen, ob ich auf Klo kann.
Ein halbes Jahr vor meiner Abschlussprüfung "durfte" ich dann für die Prüfung lernen. Sprich, 8 Stunden am Tag in irgendwelchen Fachkundebüchern lesen. Ich weiß nicht, wie oft ich meine Bücher (3 an der Zahl) durchgelesen hatte. Ich hatte ein Buch "RA-FA-Prüfung in Frage und Antwort". Ich brauchte die Frage bloß anfangen zu lesen, da wusste ich schon wortwörtlich, wie die Frage war, so oft hatte ich das durchgekaut.

In der Berufschule hatten wir natürlich auch untereinander darüber gesprochen. Es gab viele, die nichts gelernt haben in ihrer Ausbildung.

Wie war bzw. ist das denn bei Euch? :frust

Gruß Nina
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Tine
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#2

21.06.2006, 10:59

Hallo Nina,

das sind ja keine guten Nachrichten aus Deiner Ausbildungszeit. Ich finde es schrecklich, wenn man gemobbt wird. Es ist schon so schwer, warum muß man sich unter den Kollegen/Chefs auch noch das Leben schwer machen. Ich verstehe es nicht. Es ist doch so viel einfacher, wenn die Kollegen/Chefs freundlich/höflich miteinander umgehen. Die Arbeit geht dann viel leichter von der Hand und es macht Spaß. Die Krankheiten wären nicht so häufig usw.

Ich habe eine sehr gute praktische Ausbildung von meinem Ausbilder (Einzelanwalt) und meinen Kollegen damals erhalten, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin.

Am ersten Ausbildungstag hat man mir viel gezeigt: Akten anlegen, Wiedervorlagen raussuchen, Post gemeinsam bearbeiten, Fristen notieren usw, Mandanten empfangen und sogar schon an das Telefon gehen. Alles wurde mir genau erklärt. Im Nachhinein hätte ich mir noch gewünscht, damals mehr Fragen zu stellen. Ich habe mich nicht getraut. Warum auch immer. Ich war ein sehr schüchternes Mädchen. Natürlich durfte ich auch Kaffee kochen und zur Bank und zur Post und Einkäufe tätigen. Das war aber nebensächlich.

Also das ging alles ziemlich schnell bei mir und ich bin auch froh drüber. Am Ende der Ausbildung konnte ich alles selbständig bearbeiten, sogar das Mahn- und Zwangsvollstreckungsverfahren. Diese Sachen wollte der Chef nicht vorgelegt haben, da hatten wir "freie" Hand. Die Ausbildung hat mir viel Spaß gemacht.

Nach Ende der Ausbildung war ich noch drei Jahre dort beschäftigt und habe auch selbständig die Buchhaltung gemacht und Personalsachen. Dann wollte ich eine neue Herausforderung und bin in eine Sozietät gewechselt, bestehend aus zwei Anwälten, später kam noch der Sohn dazu, also drei Anwälte. Das war schon eine Umstellung auch in der Arbeitsweise, plötzlich durfte ich nicht mehr alles selbständig machen. Alles mußte vorgelegt werden, sogar die EBs, die zurück gekommen sind. Ich habe ein Stück Selbständigkeit verloren und denke oft an meine Ausbildungszeit zurück, wo ich alles allein konnte. Jetzt durch meine "lange" Arbeitslosigkeit habe ich viel verlernt und wenig Selbstvertrauen, das war alles mal anders. Es ist schwer sich wieder Selbstvertrauen aufzubauen, aber das ist ein anderes Thema. Ich schweife ab! :oops:

Die Ausbildung in der Berufsschule dagegen war nicht so toll, da habe ich nicht viel gelernt, nur im Büro konnte ich gut lernen! :)
LG Tine
Bärchen

#3

21.06.2006, 12:05

Ja ja, man weiß erst, was man hatte, wenn man es verloren hat.

So eine Ausbildung hätte ich mir auch gewünscht. Es sind echt Sachen abgelaufen, die man nicht nachvollziehen kann bzw. konnte. Beispiele: Ich wusste, dass die olle Bürovorsteherin eine ganz bestimmte Akte auf ihrem Schreibtisch hatte. Just an dem Tag war Post in der Sache. Auf ihrem Tisch durfte ich aber nicht nach Post gucken. Ihr Kommentar: Die Akte liegt hier nicht. Also durfte ich den ganzen Tag nach der Akte "suchen", obwohl ich wusste, wo sie war. Die RAe sagten nur, wenn Frau ... sagt, die Akte ist nicht da, dann ist sie auch nicht da.
Oder: Ich hatte eine Akte in den Keller zur Ablage gebracht. Die Akte war vorher schon abgelegt. Ich wusste, dass ich die Akte korrekt wieder weggelegt hatte. Eine Woche später sollte ich die Akte wieder aus dem Keller holen. Tja, nur die Akte lag nicht mehr da, wo ich sie einsortiert hatte. Eine der Angestellten hatte sie wohl einfach falsch einsortiert. Sprich, ich durfte 8 Jahrgänge durchsuchen, bis ich die blöde Akte gefunden hatte. Das hat dann mal eben fast 3 Wochen gedauert, da ich natürlich an der falschen Stelle angefangen hatte, die Aktenstapel Akte für Akte zu kontrollieren. Angeblich habe ich die Akte falsch einsortiert.
Von solchen Vorfällen kann ich stundenlang schreiben. Auch die netten Wörter, die man mir an den Kopf geschmissen hat: Schlampinchen und so.

Gruß Nina
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#4

21.06.2006, 12:29

Diese Sticheleien kenne ich auch. Das ist schon zum :uebel
Am Anfang denkt man noch, das sind nur Scherze, aber irgendwann nervt das nur noch. Im letzten Büro, wo ich fast neun Jahre tätig war, gab es auch Sticheleien unter den Kollegen und es war nicht immer leicht unter diesen Umständen zu arbeiten, geschweige denn von den Fehlern, die man dadurch macht. ...

Läuft es in der jetzigen Kanzlei besser und bildet ihr aus?
LG Tine
Gast

#5

21.06.2006, 12:51

Hallo Nina und Hallo Tine!

Meine Ausbildung war super! Ich bin in einer ganz kleinen Kanzlei ausgebildet worden aber ich durfte (und mußte) gleich von Anfang an mitschreiben und mitarbeiten usw. Da ich die einzigste Azubi war musste ich jedoch auch bis zum Schluß alle Botengänge erledigen ... aber das war nicht weiter tragisch.

Viele von meinen Mitschülern - vor allem die, deren Ausbildung sch... war - haben sich gar nicht erst als ReNo beworben sondern sich gleich etwas anderes gesucht. Nur sehr wenige arbeiten noch in ihrem Ausbildungsberuf.

Liebe Grüße
Sandra
Bärchen

#6

21.06.2006, 13:07

Mein jetziger Chef ist einmalig. Ich bin moment alleine hier und arbeite für 2 RAe. Insoweit darf ich alles machen. Wir verstehen uns hier alle super und einer hilft dem anderen. Da ich alleine bin für 2 RAe, habe ich eigentlich keine Zeit, noch jemanden auszubilden. Wir wollen uns aber vergrößern und vielleicht wird es in den nächsten Jahren dann auch soweit kommen, dass ich eine Azubine neben mir habe. Da weiß ich aber jetzt schon, dass die es gut haben wird.

Aber was ist mit den anderen Azubis? Wir haben hier doch so viele!

Gruß Nina
Ahurani

#7

21.06.2006, 14:57

Hallo,

die Ausbildung, die unsere erste AZUBINE bis Anfang Juni 2006 genießen konnte, war nahezu vorbildlich! So eine tolle Ausbildung hätte ich auch gerne gehabt!

Meine Chefs haben das erste Mal ausgebildet. Sie haben sich regelmäßig mit ihr hingesetzt und Fälle besprochen, also ZPO, Fristen, Abrechnungen, Zwangsvollstreckung usw. Dabei haben selbst meine Chefs noch etwas dazu gelernt! :D

Vorteil für unsere AZUBINE war, dass meine Kollegin, die sie hauptsächlich ausgebildet hat, auch im Prüfungsausschuss sitzt und im ReNo-Verein ist. Dadurch hat sie eine Menge gelernt!

Heute gerade sagte unsere ehem. AZUBINE, dass sie hier eine ganz tolle Ausbildung genossen habe, das sei in vielen Kanzleien gar nicht so, weil man dort nur ausgenutzt werden würde.

Ich musste damals auch immer Kaffee kochen, die Botengänge machen und einkaufen gehen, was ich aber nicht als unbedingt schlimm empfunden habe. Wir haben unserem Chef auch immer ein Frühstücksbrötchen vom Bäcker geholt und wenn er morgens dann auch seine Tasse Kaffee bekommen hat, war er glücklich. Allerdings wurde ich dort nur unzureichend ausgebildet. Alle Kostenrechnungen wurden diktiert. Kostenrecht habe ich praktisch also erst nach der Ausbildung richtig gelernt und mir angeeignet. Aber sonst war es ok finde ich. Es hätte mich ja auch schlimmer treffen können. Leider gibts wohl unter den ReNos viele Kolleginnen die gerne andere mobben, was ich persönlich richtig schXXX finde. Auch das Konkurrenzdenken scheint in anderen Kanzleien sehr ausgeprägt zu sein. Wir sind hier ein Team und es freut mich wirklich, so eine tolle Kanzlei gefunden zu haben! :) :) :)
evelyn m.
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#8

21.06.2006, 15:33

es graust einem ja schon, was manch anwalt da mit seinen azubis treibt :frust :protestier

ich kann jedem azubi nur raten: wehrt euch! ich weiss, dass ist nicht immer einfach, aber drei jahre kaffee kochen, putzen und akten suchen bringts doch auch nicht. vor allem wenn ihr nicht übernommen werdet und ne stelle suchen müsst - kenntnisse? ich glaub da wollen künftige chefs was anderes hören... :kopfhoch
Lieben Dank und Grüße an alle
evelyn
ole.jacob
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#9

21.06.2006, 15:43

Kann leider aus eigener Erfahrung sagen, dass es aber auch Azubis gibt, die nicht sonderlich lernwillig sind.

Ich würde meiner Azubine gerne mal ein par anspruchsvollere Aufgaben geben. Das Problem ist nur, dass ich ihr etwas erkläre, sie jedoch nicht im Geringsten zuhört. Sie zeigt auch keinerlei Interesse an der Ausbildung. Ich zum Beispiel habe meine damalige "Chefin" gefragt, ob ich nicht mal was anderes machen kann, als Kurzbriefe an die Mandanten und Diktate. (Zum Beispiel mal ne ZV oder ne PKH-Abrechnung).

Unserer Azubine würde das im Traum nicht einfallen! Sie hat einfach keine Lust. Manchmal habe ich das Gefühl, sie macht die Ausbildung nur, weil sie nichts anderes gefunden hat.

PS: Kaffee kochen und einkaufen gehen (für uns privat) muss sie aber auch nicht. Das können wir alle selbst. :wink:
evelyn m.
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#10

21.06.2006, 16:36

hast recht, solche gibts schon auch. dafür gibt es die probezeit. wir scheuen uns nicht, einer neuen azubiene nach dem ersten monat zu sagen, dass es so nicht weiter geht, wenn sie sich wie du beschreibst verhält. ändert sich das verhalten nicht, wird der ausbildungsvertrag nach mindestens zwei weiteren intensiven und ausführlichen gesprächen gekündigt. manch eine packts und wenn eine gar nicht mag, ist sie wohl wirklich am falschen platz.

eine hatten wir mal, wo es so weit war - sie hat gebettelt, dass sie doch bleiben darf und sie wird sich ganz bestimmt bessern... in beiderseitigem einvernehmen wurde eine verlängerung der probezeit vereinbart und ihr noch eine chance gegeben mit dem ergebnis, dass sie am ende sogar übernommen worden ist. die mehrzahl derer, mit denen in beschriebener weise gesprochen werden musste, wurde allerdings "gegangen".
Lieben Dank und Grüße an alle
evelyn
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