Billige Arbeitskräfte !!! (Lang)

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Amy 1988
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#1

30.12.2006, 21:53

Ein freundliches HALLO erstmal an alle,

ich bin neu hier und habe das Forum eben erst für mich entdeckt.

Ich bin im 2. Lehrjahr zur Rechtsanwaltsfachangestellten in einer Anwaltskanzlei mit 3 Anwälten in NRW.

Es gibt einen Senior- und einen Juniorchef. Der Seniorchef kennt nichtmal die Namen von uns Azubi. Jedes Jahr geht ein Azubi und ein neuer wird eingestellt. Das komplette 1. Lehrjahr ist man bei uns in einem Raum, wo man nur kopieren muss. Sämtliche Schriftsätze mit Anlagen und alle Unterlagen die von Mandanten abgegeben werden, außerdem noch alle möglichen Aufsätze die der Chef gerne mit nach Hause nehmen möchte oder die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft. Auch für den befreundeten Immobilienmakler "darf" man wöchentlich Gutachten o.ä. kopieren. Die einzigen anderen Tätigkeiten die man übernehmen darf sind Akten wegräumen, die Putzfrau in ihrem mehrwöchigen Urlaub vertreten und 3 Mal am Tag Botengänge erledigen, ausgenommen die ganzen Extrabesorgungen die noch so anfallen. Man darf weder ans Telefon noch irgendetwas am Computer schreiben oder andere selbstständige Aufgaben übernehmen.

Zum Glück habe ich das erste Lehrjahr hinter mir, ich durfte anfangen Diktate zu schreiben und ans Telefon zu gehen. Trotzdem muss ich noch jeden Tag der 1. Azubi beim kopieren helfen, weil sie es nicht alleine schafft. Ich werde also immer wieder von wichtigen Tätigkeiten abgelengt und fühle mich auch sonst von meinen Vorgesetzten respektlos behandelt. Öfters bekomme ich mehrmals täglich Zettel mit Entscheidungen aus irgendwelchen Büchern, die ich unverzüglich zu kopieren habe.

Ihr merkt, in meiner Ausbildung geht es in erster Linie darum, dass die Azubis sich mit dem Kopierer möglichst schnell anfreunden und Akten in die Schränke einräumen können.

Vergütet wird das ganze folgendermaßen (Netto):

1. Lehrjahr 340 €
2. Lehrjahr 298 €
3. Lehrjahr 338 €

Im 1. Jahr gibt es das mehr als im 2. und 3. Jahr. Das resultiert daraus, dass im 1. Jahr keine Abzüge vorhanden sind, die Bruttogehälter im 2. und 3. Lehrjahr allerdings so niedrig sind, dass sie weniger als im 1. Jahr ohne Abzüge ergeben. Die VL müssen wir Azubis übrigens komplett selbst bezahlen!

Ich fühle mich nicht wohl mit meiner Ausbildung und bin überrascht hier lesen zu können, dass der Beruf auch Spaß machen kann und sogar Worte wie "abwechslungsreich" und "interessant" zu finden. Ich wollte mal fragen ob es hier Leute gibt, denen es ähnlich geht wie mir. Ich habe ganz klar das Gefühl, dass wir Azubis einfach nur BILLIGE ARBEITSKRÄFTE darstellen in unserer Kanzlei, mehr nicht.
Mondelfin

#2

30.12.2006, 23:23

Hallo und erstmal ein herzliches :welcome hier :)

Ich persönlich finde meinen Beruf trotz einiger Probleme mit Chef und Mandanten doch sehr interessant und abwechslungsreich, sonst würd ich auch nicht mehr bei einem Anwalt arbeiten.

In meiner Ausbildung habe ich vom ersten Tag quasi alles gemacht (natürlich unter Aufsicht :wink: ) Allerdings muß ich sagen, daß ich bei einem Einzelanwalt gelernt habe, also mußte ich von Anfang an ran.

Bei größeren Kanzleien ist es oft so, daß die Azubis erstmal irgendwelche Handlangerarbeiten machen müssen. Ist aber in vielen Ausbildungsberufen so. Ich kann Dir also nur sagen, daß es irgendwann mit Sicherheit besser wird. :kopfhoch Wenn nicht würde ich vielleicht mal mit Deinem Ausbilder darüber reden. Sorry, aber Azubis sind, nach Ansicht vieler Arbeitgeber, billige Arbeitskräfte.

Zu der Ausbildungsvergütung kann ich nur sagen, so ist das Leben. Die meisten Anwälte halten sich an die Richtlinien der Kammern und man kann wirklich nicht sagen, daß die hoch angesetzt sind.

Übrigens, ich arbeite schon seit sechs Jahren für denselben Anwalt und der kann bis heute meinen Namen nicht sturzfrei aussprechen, wenn er ihm überhaupt einfällt und bei uns arbeiten nur unsere Azubine und ich :wink:

Ich hoffe, Du kriegst das irgendwie geklärt. Im Notfall würd ich wirklich mal mit Deinem Ausbilder sprechen.
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Pepsi
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#3

30.12.2006, 23:46

dem kann ich nur zustimmen.. schonmal daran gedacht die Kanzlei zu wechseln? diese Ausbildung wird dir nur Schwierigkeiten bereiten wenn du nicht übernommen wirst, kriegst du Probleme, weil selbstständige Arbeitsweise in den 99 % der Kanzleien vorausgesetzt wird... ich will dir keine Angst machen, sondern nur raten deinen Lehrer darauf anzusprechen

und zu dem Gehalt: wieso gibt es bei 340 € keine Abzüge? die Grenze für Azubis liegt bei 325!
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Sunny
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#4

31.12.2006, 10:08

Ich kann mich meinen Vorgängern auch nur anschließen. Red mit Deinem Lehrer oder mit Deinem Ausbilder, sonst wirst Du - wie schon von Pepsi gesagt - echte Probleme später kriegen.
Oder du solltest wirklich die Kanzlei wechseln. Die Kammer wird dir da sicher eine Hilfe sein.
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Gast

#5

31.12.2006, 10:38

:blumen Ich wünsche Dir viel Spaß hier.

Nun zu Deinem Problem. Wenn Du absolut unglücklich bist, nehme den Tipp von meinen Vorrednerinnen an. Es kann nur besser werden.

Zum Beruf selbst kann ich nur sagen, dass jeder RA seine eigene "Ausbildungstechnik" hat. Als Azubi ist man ganz unten von der Karriereleiter.

Ich wurde in meiner Lehre ins kalte Wasser geschubst und mußte von Anfang an richtig ran. Das kommt mir natürlich heute zugute, damals fand ich das nicht unbedingt so lustig, z. B. Mitte des 1. Lehrjahres ZV zu machen und noch kein Hintergrundwissen dazu zu haben und auch noch die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Mir macht heute noch der Beruf Spass, er ist abwechslungsreich, interessesant. Leider ist er auch ab und an stressig.

PS: Mein Chef redet mich im übrigen immer noch mit meinem Ehennamen an, obwohl ich diesen schon vor 1,5 Jahren (Gott sei Dank) abgelegt habe. Anwälte können sich zwar viele §§ merken, bei den kleinen Dingen im Leben hapert es wohl. :lol:
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lamiserable
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#6

31.12.2006, 12:53

PS: Mein Chef redet mich im übrigen immer noch mit meinem Ehennamen an, obwohl ich diesen schon vor 1,5 Jahren (Gott sei Dank) abgelegt habe. Anwälte können sich zwar viele §§ merken, bei den kleinen Dingen im Leben hapert es wohl.
Ja, das stimmt. Ich bin mit meinem Anwalt schon seit 4 (!) Jahren befreundet (!!), und er spricht mich manchmal immer noch mit einem falschen Vornamen (!!!) an. Ich schätze, die haben an der Uni einen Kurs "Wie verdränge ich Namen korrekt und was tue ich dagegen, wenn ich doch mal ausnahmsweise einen behalte?"
:P

Zu Deinem Problem: Einige aus meiner Berufsschulklasse haben auch schon den Ausbildungsplatz gewechselt und denen geht es jetzt schon besser. Verschiedene hatten sogar körperliche Schwierigkeiten, d. h. Magenschmerzen, Übelkeit uvm.

Frag mal in Deiner Berufsschulklasse nach, ob bei denen in der Kanzlei ein Azubi gesucht wird. So haben zwei meiner Klassenkameradinnen einen neuen Platz gefunden. Versuch aber, in einer kleineren Kanzlei unterzukommen.

Viel Glück und lass Dich nicht unterkriegen, vielleicht klappt's ja im Neuen Jahr!
:kopfhoch
Es genügt nicht, sich täglich zu baden, um »sauber« durchs Leben zu gehen
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#7

31.12.2006, 13:17

ich hieß in den ersten Jahren immer Hedwig (gibt ne längere Story dazu), weil er sich meinen Namen nicht merken konnte.. manchmal redet er mich immernoch (nach 4 Jahren) so an, um mich zu ärgern
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schneeflocke
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#8

31.12.2006, 13:52

:zustimm
in jeder Kanzlei wird anders ausgebildet. Je kleiner das Büro ist, um so eher muss man alles machen, zwangsläufig.

Ich motiviere meinen Azubi immer so, dass ich erkläre, dass ohne Kopieren, Akten raussuchen, Post zuordnen usw., der Laden nicht laufen würde.

Dass die Arbeit zunächst öde wirkt, aber sie immerhin der Grundstock dafür ist, dass wir voran kommen. Wird falsch oder unvollständig kopiert, wird falsch sortiert, kommt der ganze Betrieb zum Stehen und kann üble Folgen haben.

Bisher konnte ich noch jeden Azubi überzeugen, wie wichtig gerade diese scheinbar langweilige Arbeit ist.

Im übrigen weiß mein Chef auch nach 15 Jahren nicht immer auf Anhieb wer ich bin. Ich kam einmal ins Büro, er schaute mich fragend an und meinte: "Was wollen Sie bitte hier?" Ich guckte kurz hoch und erklärte ihm: " Chef, ich arbeite hier." Als meine Kollegin frei haben wollte, weil ihr Sohn eingeschult wurde meinte Chef: "Sie haben einen Sohn?" Das wußte ich gar nicht!" Kollegin fing nach ihrem Mutterschutz bei uns an......
war also schon ein "paar Tage" bei uns im Team.

Also Kopf hoch, das Ganze hat auch was von Comedy.

Schneeflocke
Amy 1988
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#9

31.12.2006, 14:31

Erstmal vielen Dank für eure Antworten.

Also ich habe mir auch schon so meine Gedanken gemacht und wenn ich dann nach der Ausbildung woanders anfangen sollte habe ich überhaupt keine Ahnung wie man so Sachen wie Pfüb oder MB oder Kostenrechnungen erstellt. Bei uns macht das irgendwie alles der Büroversteher. Nichtmal die Festangestellten kennen sich genau damit aus. Ich sehe auch das es nach der Ausbildung nicht besser wird, falls ich die Chance hätte übernommen zu werden. Die Hauptaufgabe ist bei uns das Schreiben. Das langweilt mich halt jetzt schon total. Oft habe ich darüber nachgedacht die Ausbildung abzubrechen. Habe es dann aber doch weiter gemacht, da ich ja auch schon die Zwischenprüfung hatte. Was dürft ihr denn so für Aufgaben machen außer schreiben und telefonieren? Ihr sprecht ja viel von Eigenständigkeit. Bei uns kenne ich das halt überhaupt nicht.

Zu dem Gehalt muss ich sagen, dass diese Grenze von 325 € auf 340 € erhöht wurde. Das sagte mir jedenfalls meine Kollegin. Ich finde es schXXX, dass die 1. Azubi mehr verdient wie ich und die 3. Das ist einfach nicht gerechtfertigt. Und ich kenne keine Kanzlei wo es genauso abläuft, auch nicht in meiner Klasse.

Ich kann doch nicht einfach so in eine andere Kanzlei rüberwechseln oder? Ich weiß garnicht wie ich das meinen Arbeitskollegen und Chef sagen sollte. Die ganze Situation ist irgendwie schwierig für mich. Mir macht der Beruf keinen Spaß und oft frage ich mich, wie ich das durchhalten soll bis zum Ende.

Ihr sagt, dass euch die Chefs teilweise immer noch nicht mit richtigem Namen ansprechen, ihr gibt euch da mit zufrieden aber ich finde sowas nicht in Ordnung. Man tut soviel in seinem Job, da ist es nicht zuviel verlangt auch mit richtigem Namen angesprochen zu werden. Auch wenn ihr euch damit abgefunden habt, ich finde es respektlos vom Vorgesetzten und möchte nicht mein ganzes Leben so behandelt werden wie jetzt. Ich denke der Job ist sowieso nicht das richtige für mich. Gerade wenn ich das hier so höre, wird es ja nicht viel besser. Sorry Leute aber ich möchte mich damit nicht abfinden, schlecht behandelt zu werden. Vielleicht läuft es bei euch anders ab, nur ich bin enttäuscht von der Ausbildung, richtiges Fachwissen bekomme ich nicht vermittelt, das einzige was immer wieder vorkommt ist das Kopieren. Mir ist klar das es dazu gehört, trotzdem fühle ich mich ausgenutzt.
Emilia06
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#10

31.12.2006, 14:42

Hallo,
ich habe in meiner Ausbildung für meinen Chef immer Bier holen müssen, die Flaschen hat er dann in seinem Büro auf die Heizung gelegt, weil er gerne warmes Bier getrunken hat und das gut für den Magen sei. Die Bierflaschen lagen auch auf der Heizung, wenn Mandanten gekommen sind. Mein Chef war in der Stadt dann dafür bekannt, daß er der Anwalt ist, bei dem die Bierflaschen auf der Heizung liegen.
Ich habe während meiner Ausbildung viele Sachen machen müssen, die mit der Ausbildung gar nichts zu tun hatten. Allerdings waren wir auch nur ein kleines Büro mit einem Anwalt und einem Bürovorsteher, irgendwann mußte ich dann auch alles mal machen, also ausbildungsmäßig meine ich. Meine Prüfung habe ich dann auch gut geschafft.
Wenn ich heute an die Zeit zurückdenke, denke ich mir einem Schmunzeln daran und wie schön das eigentlich war, obwohl ich das damals nicht so empfunden habe, der Bürovorsteher war sehr streng, aber im Rückblick gesehen war es eine schöne Zeit.
Ich wünsche Dir alles Gute

Emilia
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