Alptraum Azubi-Suche

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Andy66
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#11

02.06.2015, 10:31

Ganz ehrlich, mich wunderts nicht.

Damals, anno Schnee (1982), als ich meine Ausbildung angefangen habe, war das noch ein ganz normaler Beruf für Realschüler wie mich. Einige wenige waren von der Hauptschule, ganz wenige mit Abitur. Damals haben viele, die eigentlich das Zeug zum Gymnasium gehabt hätten, sich für die Haupt- oder Realschule entschieden und dann eine Ausbildung gemacht. Entsprechend hatte man damals - mit Verlaub - eine größere Auswahl an Leuten mit Hirn.

Es gab damals auch schon so einige Leutchen, die sich fürs Arbeiten zu schade waren (Wo steht das in meinem Ausbildungsvertrag, dass ich WV raussuchen/zur Postgehen/Weisungen folgen .... muss), aber man konnte diese Lücken leicht wieder schließen.

Wie schon suzette meinte, gehen wohl alle, die was auf dem Kasten haben, dann studieren. Ich war übrigens in meiner Fachwirtklasse einige der wenigen ohne Abi (war aber auch die Älteste). Und wenn man schon Abi macht, warum dann einen Beruf ergreifen, in dem man kaum Aufstiegschancen hat, die Bezahlung häufig unzureichend ist und der in der öffentlichen Wahrnehmung kaum mehr als eine Tippse erscheint? Viele Eltern arbeiten ja auch schon seit dem Kindergarten daran, dass die Kinder auf jeden Fall auf die Uni gehen, da kommt eine Ausbildung gar nicht auf den Schirm.

Ob die in der Schule nichts mehr beigebracht bekommen? Ich hab selber zwei Töchter (19 und 21) und finde schon, dass da durchaus die Inhalte, die die Schule vermittelt, noch ausbaufähig wären. Wenn ich an den Unterricht in Buchführung und Rechtskunde denke (auf der Verwaltungs-FOS in München), das wäre arg schief gegangen, wenn ich da nicht daheim einiges gerade gerückt hätte. Da ist dann nichts, worauf man bei der Ausbildung aufbauen kann, sondern man muss dann ganz von vorne anfangen.

Gerade in den Dingen des praktischen Lebens kann aber die Schule nicht das heilen, was die Eltern versäumen. Eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen die Fährnisse des Lebens, z.B. das Tragen von Klopapier (nein, ich bin nicht der Nabel der Welt, nein, es dreht sich nicht alles nur um Spaß, man muss auch mal was durchhalten, was vorübergehend unangenehm ist/bei der Freizeitgestaltung stört) muss vom Elternhaus vermittelt werden. Wenn der persönliche Erlebnishorrizont aber in dem Konsum von Dokusoaps und Talentwettbewerben gipfelt, wunderts mich ehrlich nicht.

Ich weiß leider auch keine Lösung und bin froh, dass wir derzeit noch keinen Azubi suchen. Wir hatten das Glück, eine ältere Quereinsteigerin mit hoher Lernbereitschaft zu finden. Vielleicht wäre das auch auch ein Ansatz für die Suche? Viele suchen nach der "Aufzucht" der Kinder wieder eine berufliche Herausforderung - gerade die Älteren sind ja zum Teil jahrelang aus dem Beruf ausgestiegen. Und ich selber bin auch Wiedereinsteigerin und acht Jahre älter als mein Chef - manche Chefs sollten mal darüber nachdenken, ob sie da nicht evtl über ihren Schatten springen und es mal so versuchen sollten.

Sicher, die Alten sind nicht mehr ganz so formbar wie die Jungen, dafür ist die Familienplanung abgeschlossen und die meisten Flausen schon ausgetrieben.

Liebe Grüße, Andy
Erfahrung ist das, was man bekommt, wenn man das was man will nicht kriegt
Fräulein Fit

#12

02.06.2015, 11:09

Andy66 hat geschrieben:
Sicher, die Alten sind nicht mehr ganz so formbar wie die Jungen, dafür ist die Familienplanung abgeschlossen und die meisten Flausen schon ausgetrieben.

Liebe Grüße, Andy

Da muss ich allerdings sagen, dass ich damals aufgrund meines jungen Alters (22/23) riesige Probleme hatte. Ich war immer unter den letzten zwei, aber aufgrund meines Alters (und der Gefahr der Familienplanung) wurde ich dann doch nicht genommen. Ausrede war immer "die andere hat mehr Erfahrung".

Ich finde, man sollte eine gesunde Mitte finden. Natürlich plant man in dem Alter bzw. ein paar Jahre darauf vllt. eine Familie, aber wenn man den "Jüngeren" keine Chance gibt, kriegen sie nie mehr "Erfahrung".


Zu einem anderen Punkt, der vllt. nicht ganz in unsere Berufe fällt, aber manchmal erwarten Betriebe auch unmengen an Leistung und das für ein Gehalt, was wirklich lächerlich ist. Und in den Medien heißt es dann, Deutschland hat Fachkräftemangel... :pfeif
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Morgenmuffel
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#13

02.06.2015, 11:54

Ich kenn das Problem, wir suchen auch oft und haben wirklich Probleme, einen geeigneten Azubi zu finden. Von Rechtschreibkenntnissen brauch ich gar nicht anzufangen. Und von Fehltagen in der Schule schon dreimal nicht. Unmöglich auch oft der ganze Aufbau einer Bewerbung. Und wenn man per E-Mail um Rückruf bittet, um ein Vorstellungsgespräch zu vereinbaren, kommt keine Reaktion. Ja, warum geb ich dann die E-Mail-Adresse an? Dabei hängt die Jugend doch nur noch am Smartphone!!!
Meine Eltern haben drauf geachtet, dass ich eine Ausbildung mache und mir von Anfang an gesagt, ich solle das machen, was der Chef/Vorgesetzte möchte. "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" heißt es doch so schön. Ich fand damals auch vieles nicht in Ordnung; insbesondere die Privateinkäufe für unsere Bürovorsteherin. Aber gemeckert hab ich nie; ich hab mir immer nur geschworen, dass ich das niemals machen, wenn ich mal Azubis unter mir habe. Und daran habe ich mich immer gehalten. Für mich musste noch kein Azubi Privateinkäufe erledigen.

Wer weiß, vielleicht ist es heute mit Hartz IV einfacher, zu Hause zu bleiben. Damit will ich sicherlich niemandem was unterstellen. Aber manchmal wird es zu Hause ja vorgelebt. Ich hoffe einfach, dass sich die Zeit wieder ändert und die Jugend merkt, dass sie ohne Ausbildung nicht weiterkommt. Mag ja sein, dass viele Abi machen und studieren, aber wenn das alle machen, wird überhaupt nicht mehr ausgebildet, was ich schade finden würde. Im großen und ganzen macht mir persönlich der Beruf Spaß. Sicher gibt es Vor- und Nachteile, aber man kann sich ja - Internet sei Dank - vorher schlau machen bzw. ein Praktikum machen.
Der Vorteil der Klugheit liegt darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger. (Kurt Tucholsky)
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#14

02.06.2015, 12:46

Hier ähnlich. Bei den meisten Bewerbungen die reinkommen, bekomm ich schon beim lesen der Bewerbung ne Krise. Wenn ich mir dann Zeugnisse und Lebenslauf anschaue wirds nicht besser....
Einige wurden natürlich dennoch angeschrieben und um Vereinbarung eines Termins für ein Vorstellungsgespräch gebeten :-), 90 % von denen meldeten sich gar nicht mehr.
Mit denen die da waren, wurde auch ein "Probearbeiten" vereinbart. Mit dem einen sogar als 3 Wochen Praktikum, war so gewünscht. Den würden wir nehmen, kann sich aber nicht entscheiden zwischen Refa und nem anderen Beruf und hat sich seit dem auch nicht mehr gemeldet. Zwei weitere erschienen garnicht erst zum Probearbeiten, ohne Absage natürlich, ist ja schließlich nicht nötig :roll:
Fräulein Fit

#15

02.06.2015, 13:07

Es fehlt einfach nur noch an Disziplin und keiner will mehr Verantwortung tragen bzw. sie tun es eh nicht, wenn sie nicht mal mehr höflich absagen können.
Ich verstehe nur nicht, woran das liegt, fehlende Erziehung der Eltern, fehlende Erziehung in den Schulen?
Ich bin aber auch überzeugt davon, dass die Medien eine große Rolle spielen und viele nur noch so leben wollen, wie die Leute im TV.
samsara
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#16

02.06.2015, 13:08

Es kann ja nur am schlechten Verdienst liegen (fängt ja schon bei der Ausbildungsvergütung an), dass sich wirklich nur die vorstellen, die anderweitig nichts kriegen. Denn Aufstiegsmöglichkeiten hat man als Bürokaufmann, Industriekaufmann, etc. auch nicht sonderlich, oder? Als ich Ende der 80er meine Ausbildung begann, haben die Bankazubis fast das Doppelte verdient.

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es daran liegt, dass zu wenig über diesen Beruf bekannt ist. Weiß man bei Bürokaufleuten, Industriekaufleuten eher, was deren Arbeit ist?

Ich kann Eltern schon verstehen, die Ihre Kinder auf´s Gymnasium bringen wollen, damit studiert wird. Aber - gibt es für die vielen Studienabgänger auch entsprechende Stellen? Ich habe mal einen interessanten Bericht im Fernsehen gesehen. Da sind etliche Akademiker Taxi gefahren, etc., weil sie nach dem Studium keine Stelle gekriegt haben. Und die hatten nicht mal seltsame Berufe.

Vielleicht liegt es auch daran, dass man heutzutage ohne Abitur meist keine Karriere machen kann und viele - gerade über Handwerker - gerne die Nase rümpfen.
Fräulein Fit

#17

02.06.2015, 13:19

samsara hat geschrieben:Es kann ja nur am schlechten Verdienst liegen (fängt ja schon bei der Ausbildungsvergütung an), dass sich wirklich nur die vorstellen, die anderweitig nichts kriegen. Denn Aufstiegsmöglichkeiten hat man als Bürokaufmann, Industriekaufmann, etc. auch nicht sonderlich, oder? Als ich Ende der 80er meine Ausbildung begann, haben die Bankazubis fast das Doppelte verdient.
Stimmt auch wieder, aber in der Ausbildung kriegt man halt nicht viel, aber wenigstens etwas. Wenn man studieren geht kriegt man eigentlich gar nichts bzw. Bafög muss eh später zurückgezahlt werden.

samsara hat geschrieben:Vielleicht liegt es auch daran, dass man heutzutage ohne Abitur meist keine Karriere machen kann und viele - gerade über Handwerker - gerne die Nase rümpfen.
Das stimmt auch wieder, man fordert bei Ausbildungen mittlerweile fast überall Abitur und wenn man später arbeiten möchte, ist die Ausbildung kaum was wert. Die meisten Sachbearbeiterjobs im öff. Dienst (ich hatte selber EInblick und ich kann sagen, ich hätte es genauso gekonnt) wollen alle zumindest nen Bachelor da sitzen haben. Also muss man mittlerweile studieren um als 0815 Sachbearbeiter irgendwo sitzen zu können?!
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Ciara
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#18

02.06.2015, 13:23

Ich muss sagen, dass meine Chefs auch unbedingt jemanden mit Abi haben wollen. Die sind auch der Meinung, dass das die besseren Leute sind.
Wer Dag for Dag sin Arbeit deit und jümmers op sin Posten steiht, und deit dat got und deit dat gern, der darf sich ok mal amüseern
Fräulein Fit

#19

02.06.2015, 13:26

Ciara hat geschrieben:Ich muss sagen, dass meine Chefs auch unbedingt jemanden mit Abi haben wollen. Die sind auch der Meinung, dass das die besseren Leute sind.


Daraus wird aber ein ewiger Teufelskreis, die Leute auf Real/Gesamt und Hauptschule strengen sich überhaupt nicht mehr an, weil sie wissen, dass sie eh nicht genommen werden, durch das Abi werden die Leute immer älter und fangen später die Ausbildung an. Für die Damenwelt wird es nach der Ausbildung noch schwerer etwas zu finden, weil man ja im Familienplanungsalter ist...

Die Situation ist einfach nur noch sch**** und keiner will die Schuld bei sich sehen, eigentlich sind alle daran beteiligt!
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Andy66
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#20

02.06.2015, 14:19

Wie könnte man also das Berufsbild so attraktiv machen, dass auch Bewerber von höherer Qualität kommen?

Otto Normalverbraucher denkt bei der "Anwaltsgehilfin" ja immer noch an eine Tippse ohne weitere Qualifikation. Erin Brokovic war da wohl eine Ausnahme, aber wir sind ja nicht Julia Roberts :P

Ein höheres Gehalt wär schön und eine größere Wertschätzung gerade auch durch die Anwaltschaft. Und die Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs gleich zu Anfang mit bewerben. Wenn das ein Großdiscounter bei seinen Stellenplakaten macht und mit dem Fachwirt wirbt, warum können wir das nicht?

Irgendwie ist der Beruf "unsexy" für jüngere qualifizierte Schulabgänger. "Irgendwas mit Medien" wird viel lieber angesteuert, das klingt nach großer Welt und nicht nach Schreibbüro. Und ich finde die Broschüre der hiesigen RAK ziemlich piefig. Wenn es wirklich gewünscht wäre, sollte man sich doch direkt an die Schulen wenden, die veranstalten Ausbildungsbörsen. Und dann bitte keinen versteinerten Anwalt im Maßanzug an den Stand stellen, da laufen die meisten Schüler schreiend weg :huch
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