Entscheidung des BGH zu § 850 d I 2 ZPO

Hier kannst du wichtige Rechtsprechung zu Zwangsvollstreckung, Insolvenz, Mahnverfahren etc. selbst eintragen und suchen.
Finja75
Forenfachkraft
Beiträge: 132
Registriert: 12.04.2009, 16:36
Beruf: Rechtsanwaltsfachangestellte
Wohnort: Niedersachsen

#11

03.11.2010, 20:08

Davy Jones’ Locker hat geschrieben:Ich hab die Entscheidung gelesen:

aa) In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit, dass die gesetzliche Unterhaltspflicht nur berücksichtigt werden kann, wenn der Unterhalt tatsächlich geleistet wird (Musielak/ Becker, ZPO, 7. Aufl., § 850d Rn. 7 und PG/ Ahrens, ZPO, § 850d Rn. 29; Wieczorek/ Schütze/ Lüke, ZPO, 3. Aufl., § 850d Rn. 37; Stein/ Jonas/ Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850d Rn. 22; Schuschke/ Walker/ Kessal- Wulf, ZPO, 4. Aufl., § 850d Rn. 8). Umstritten ist, ob die Berücksichtigung nur in Höhe der tatsächlichen Unterhaltszahlungen erfolgen kann (so MünchKomm- ZPO/ Smid, 3. Aufl., § 850d Rn. 27; vgl. auch LG Berlin, DAmtsV 1976, 661) oder in Höhe des gesetzlichen Anspruchs (so Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1098, 1102 und bei Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 850d Rn. 11, 11a; vgl. auch OLG Frankurt, NJW-RR 2000, 220, LG Detmold, Rpfleger 2000, 340).

18 bb) Die zweite Ansicht ist richtig.
:daumen Genau und da jeder Rechtspfleger bei Erlass eines PfüB´s eine BGH-Entscheidung und nicht die Literaturmeinung berücksichtigen wird, sind wir ja wieder hier:
Finja75 hat geschrieben:Nö, muss nicht! Lies doch mal die Entscheidung:

"[10] Bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO sind gesetzliche Unterhaltspflichten in Höhe des vollen dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Unterhaltsbetrags zu berücksichtigen und nicht nur in Höhe desjenigen Betrags, den der Schuldner tatsächlich leistet."
Dann schreibst Du:
Davy Jones’ Locker hat geschrieben:Der BGH stellt die Auffassung, dass an sich für eine Berücksichtigung tatsächlich Unterhalt zu leisten überhaupt nicht in Frage, was sich im übrigen auch eindeutig aus dem Gesetz selber ergibt.
Sorry, DAS Gesetz habe ich gerade nicht zur Hand. Wäre super nett von Dir, wenn Du mir das hier rein kopierst. Vielen lieben Dank!
Gina

#12

03.11.2010, 21:47

Also allein schon der Leitzsatz sagt mir, dass der BGH gemeint hat, dass Unterhaltspflichten nur zu berücksichtigen sind, wenn auch Unterhalt gezahlt wird. Unabhängig davon, ob der volle oder eben nur ein Teil des Unterhalts überwiesen wird. Bereits § 850 c ZPO stellt auf die Gewährung von Unterhalt ab.
Bei der Bemessung des pfandfreien Betrages sind die gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners in Höhe des dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Betrages zu berücksichtigen, auch wenn der Schuldner seiner Unterhaltspflicht nicht in vollem Umfang genügt.

Unter "Gründe" Rd-Nr 1 findet sich dann, dass der Rechtspfleger die Erhöhung des pfandfreien Betrages nur zum Teil zugelassen habe, weil der Schuldner auch nur Teil-Unterhalt gewähre.

In Nr. 7 findet sich dann dieses hier:
3. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Beschwerdegericht im Rahmen von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners gegenüber seinem weiteren Kind nur in der tatsächlich geleisteten Höhe berücksichtigt hat.
Und dann in Nr. 10
Bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO sind gesetzliche Unterhaltspflichten in Höhe des vollen dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Unterhaltsbetrags zu berücksichtigen und nicht nur in Höhe desjenigen Betrags, den der Schuldner tatsächlich leistet.
Klarer geht´s nicht:

Wenn der Schuldner Unterhalt leistet - egal in welcher Höhe - ist die Unterhaltspflicht zu berücksichtigen. Aber eben nur dann, wenn auch Unterhalt überhaupt in irgendeiner Höhe geleistet wird.

Ich lese definitiv nichts heraus, das darauf hindeutet, dass der BGH eine U-Pflicht berücksichtigt haben will, die nicht in irgendeiner Form auch erfüllt wird. Und so habe ich schon früher diese Entscheidung gelesen. Wundert mich, dass man sie anders auslegen will.
Finja75 hat geschrieben: "[10] Bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO sind gesetzliche Unterhaltspflichten in Höhe des vollen dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Unterhaltsbetrags zu berücksichtigen und nicht nur in Höhe desjenigen Betrags, den der Schuldner tatsächlich leistet."


Und genau aus diesem Satz ergibt sich, dass - wenn der Schuldner auch nur einen kleineren Betrag, als den tatsächlich festgesetzten Unterhalt leistet, ist der tatsächlich festgesetzte Unterhalt in voller Höhe zu berücksichtigen. Wo bitte kann man da rauslesen, dass die U-Pflicht zu berücksichtigen ist, wenn gar kein Unterhalt gezahlt wird? :roll:
Finja75
Forenfachkraft
Beiträge: 132
Registriert: 12.04.2009, 16:36
Beruf: Rechtsanwaltsfachangestellte
Wohnort: Niedersachsen

#13

04.11.2010, 09:38

@Gina: Danke, jetzt habe auch ich es verstanden und rudere zurück ... :patsch

Ich bin bislang davon ausgegangen, dass

„wenn der Schuldner seiner Unterhaltspflicht nicht in vollem Umfang genügt“ (aus dem Leitsatz zu VII ZB 101/09)

der Unterhaltsbetrag auch 0,- EUR sein kann, also gar nichts gezahlt und dennoch berücksichtigt wird.

Ich habe eben in einer anderen Sache mit einem Rechtspfleger telefoniert und ihn auch hierzu gefragt und für ihn genügt es, wenn der Schuldner Naturalunterhalt zahlt (soll auch hier stehen: LG Verden JurBüro 1995, 385), damit das Kind berücksichtigt wird: „Hier Kind haste ´nen EURO und kauf´ Dir ein Eis!“ und schon wird der Freibetrag berücksichtigt!?

Zahlt er nicht, wird nichts berücksichtigt, so wie Du und DJL es ausgeführt haben. Dies war und ist für mich nicht logisch :ka , denn der Schuldner zahlt ja meist nur nicht, weil er es einfach nicht kann. Wird jetzt auch noch ohne Freibetrag von einem anderen Gläubiger gepfändet, wird er ja erst recht keinen Unterhalt zahlen können. Ein übler ( :twisted:-)Kreislauf.
Gina

#14

04.11.2010, 09:44

Finja75 hat geschrieben:@Gina: Danke, jetzt habe auch ich es verstanden und rudere zurück ... :patsch
Manchmal sieht man halt den Wald vor lauter Bäumen nicht. :wink:

Und ein Euro für´n Eis wird nicht genügen. :lol:
Antworten