Keine TG im PKH-Bewilligungsverfahren ohne Verhandlung

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Liesel
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#1

27.03.2012, 14:24

BGH, Beschluss 28.02.2012, XI ZB 15/11

In Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, in denen ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, kann eine Terminsgebühr nicht anfallen.
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#2

27.03.2012, 17:36

Dazu kritisch der Beck-blog v. 23.03.2012:
Keine andere Gebühr des RVG macht der Rechtsprechung im Umgang so große Probleme wie die Terminsgebühr für die außergerichtliche Erledigungsbesprechung. Nachdem zunächst sich beim BGH die – unzutreffende – Auffassung durchgesetzt hatte, eine Terminsgebühr für eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung könne nur in Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung entstehen, rückten der XII. und der II. Senat in letzter Zeit von dieser Position vorsichtig wieder ab. So entschied der XII. Senat im Beschluss vom 12.11.2011 – XII ZB 458/10 -, dass eine Terminsgebühr für eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung auch in Verfahren anfallen kann, in denen eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann, der II. Senat entschied im Beschluss vom 13.12.2012 – II ZB 4/11 -, dass eine Terminsgebühr für eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung auch bei Zurückweisung der Berufung durch Beschluss möglich ist, wenn die Besprechung bereits vor der Erteilung des Hinweises nach § 522 Abs. 2 ZPO erfolgte.

Der XI. Senat des BGH hingegen hat im Beschluss vom 28.02.2012 - XI ZB 15/11 wieder einen Schritt rückwärts, in die – falsche – Richtung gemacht, indem er entschied, dass in Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, in denen ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, eine Terminsgebühr für eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung nicht anfallen kann. Im konkreten Fall hatten die Parteivertreter im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren auch durch telefonische Besprechungen letztlich eine Einigung zu Stande gebracht. Eine Terminsgebühr hierfür wurde jedoch nicht zuerkannt, weil im dem Verfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde. Diese Entscheidung des BGH zeigt erneut augenfällig die Unrichtigkeit dieser Auffassung. Den Sinn und Zweck der Terminsgebühr für die außergerichtliche Erledigungsbesprechung ist, dass die Bemühungen des Anwalts honoriert werden sollen, justizressourcenschonend vergleichsweise Rechtsstreitigkeiten zu bereinigen. Konsequenz der Auffassung des XI. Senats des BGH ist, dass Vergleiche nicht mehr im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren, sondern erst im Hauptsacheverfahren geschlossen werden. Dann entsteht ohne weiteres die Terminsgebühr. Ob dies mit dem Willen des Gesetzgebers in Einklang zu bringen ist, darf stark bezweifelt werden.


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Savicevic
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#3

25.01.2013, 18:17

Hallo,

wir machen hier, beim LG Bonn, die Erfahrung, dass immer mehr Richter die Prüfung der Rechtslage ins PKH-Verfahren verlagern - entgegen sehr eindeutiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes; in zwei Verfassungsbeschwerden haben wir die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt:

"Die Begründung des Gerichtes hält den Grundsätzen nicht stand, die nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 10.08.2001 –Az. 2 BvR 569/01 bei der Anwendung von § 114 Satz 1 ZPO zu beachten sind:

`Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in § 114 Satz 1 ZPO, in dem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss.

Die Auslegung und Anwendung des § 114 Satz 1 ZPO obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, die dabei den - verfassungsgebotenen - Zweck der Prozesskostenhilfe zu beachten haben. Das Bundesver-fassungsgericht kann hier nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen (vgl. BVerfGE 56, 139, 144 m.w.N.). Hierbei hat es zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in engem Zusammenhang mit der den Fachgerichten vorbehaltenen Feststellung und Würdigung des jeweils entscheidungs-erheblichen Sachverhalts und der ihnen gleichfalls obliegenden Auslegung und Anwendung des jeweils einschlägigen materiellen und prozessualen Rechts steht. Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird (BVerfGE 81, 347, 358).´

Wie der bloße Verweis auf die Urteilsbegründung erkennen läßt, hat das Amtsgericht zwar die Begründetheit der Klage, nicht aber die hinreichende Erfolgsaussicht geprüft. Daher liegt ein Verstoß gegen die dargelegten Grundsätze des Bundesverfassungsgerichtes vor."

Vom Ergebnis werden wir berichten.

Norbert
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