Urkundszahlen

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-Leni-
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#1

09.06.2021, 23:53

Guten Abend zusammen :wink1

Es ist mir etwas peinlich, da ich schon seit vielen Jahren im Notariat arbeite als ReNo und das Problem, was sich mir stellt, bislang so noch nicht zur Debatte stand:

Kurze Vorgeschichte: Ich arbeite sei 8 1/2 in ein und der selben Anwalts- und Notarkanzlei. Anfangs habe ich für die drei damals im Hause ansässigen, alteingesessenen Notare gearbeitet, später nur noch für zwei von ihnen, dann aber komplett, also von Urkunden vorbereiten, Mandantengespräch bis Abwicklung, Rechnung, das Ganze drumherum. Die Notare haben eigentlich nur die Urkunden vorgelesen oder mal ein Vorgespräch, z.B. Testamentsgestaltung etc. geführt. Über die Jahre ist einer meiner Chefs verstorben, der hatte das größte Notariat und einer hat die Altersgrenze erreicht. Zwischenzeitlich sind 3 neue Anwaltsnotare hinzu gekommen, ich nenne sie mal "die jungen Wilden".

Jetzt ist es so, dass die natürlich bei ihren Lehrgängen viel "Neues" gelernt haben, was wir in der Kanzlei so bislang nicht kannten, was gut ist, denn wir wollen es ja richtig machen. Allerdings werden jahrelang erprobte und funktionierende Abläufe umgeschmissen, was mir ehrlich gesprochen ziemlich schwerfällt....
Da will ich aber gar nicht drauf hinaus, sondern auf das leidige Thema Urkundszahlen. Denn wer viele Urkunden macht, der genießt natürlich höheres Ansehen... Man kann davon halten, was man will... sei mal dahingestellt.
Bislang war es immer so, dass ein Notar (wohlgemerkt Anwaltsnotar, also ungefährt 50 % Anwalt 50 % Notar) so um die 300- 400 Nummern im Jahr gemacht hat in unserer Kanzlei (Wir haben aktuell 10 Anwälte, davon 4 gleichzeitig Notar). Wie gesagt, wir hatten immer eine Notariatsmitarbeiterin für einen Notar (bzw. ich zuletzt zwei, bin aber auch Vollzeit 40 h die Woche). Die Urkundszahlen haben die letzten Jahre eigentlich wenig interessiert.

Wenn meine Chefs nun hören, dass ein im Ort (Mittelgroße Provinzstadt, ca. 100.000 Einwohner) ansässiger Anwaltsnotar (Kanzlei mit drei Anwaltsnotaren und glaub ich 10 Mitarbeitern) im Jahr angeblich über 1000 Nummern macht (wohlgemerkt EINER als Anwaltsnotar), ist das schon beachtlich. Nun hat der aber auch ein paar mehr Mitarbeiter:
Ich zum Beispiel arbeite alleine "von vorne bis hinten" für zwei junge Wilde, denen ich alles bis ins kleinste Detail vorbereiten muss (ich rede davon, dass wenn im Vertrag noch eine Frage zu klären ist, z.B. die Bankverbindung fehlt etc. muss ich im Termin vorher zu den Leuten, die aufnehmen, den Entwurf vervollständigen und dann geht der Notar erst rein). Das kostet natürlich alles mega Zeit, anstatt, dass man halt selbst im Termin das eine oder andere Wort eben durchstreicht oder so Kleinigkeiten ergänzt. Wenn man die Mandanten schon auffordert und es kommt nichts, da kann ich doch auch nichts für und ich kann auch nicht jedem hinterher laufen. Naja..
Dann habe ich unwahrscheinlich viel zu tun, viele neue Sachen, viel Sachen "mal eben zwischendurch", z.B. "Stempel to go" (= begl. Kopien oder UBegl.) Ich weiß an manchen Tage nicht wie ich heiße, geschweige denn am Ende des Tages, was ich überhaupt gemacht habe. Manchmal helfen meine Kolleginnen aus den anderen Notariaten, die haben aber selbst auch genug zu tun, sind auch nur Teilzeit da. Der eine Notar macht auch das Meiste selbst, der andere diktiert viel ab.

Jedenfalls wollen meine beiden ihre Urkundenzahlen hochfahren, sie meinen, sie könnten ja noch mehr lesen.... Schön, und wer soll das alles vorbereiten und ausfertigen? Wir suchen auch händeringend Mitarbeiter, eine im Anwaltsbereich (Verkehrsrechtsdezernat) und eine Notarfachkraft, die dann einem meiner beiden zugeteilt wird, damit jeder "seine" Mitarbeiterin hat und man sich die nicht teilen muss. Bislang sind noch keine Bewerbungen auf unsere Stellanzeige von letzter Woche gekommen. NICHT EINE!

So, aber jetzt zu meiner eigentlichen Frage: Wie kann man bitte als Anwaltsnotar alleine 1000 Nummern im Jahr schaffen? Das erscheint mir unglaublich viel, auch mit mehreren MItarbeitern.
Was ich aber auch mal gehört habe, da bin ich mir total unsicher und weiß überhaupt gar nicht, ob ich das all die Jahre einfach falsch mache oder ob es einfach unterschiedlich gehandhabt wird: Wenn der Notar z.B. eine nach § 40 II GmbHG bescheinigte Liste macht oder einen geänderten Gesellschaftsvertrag nach § 54 GmbHG bescheinigt, werden da auch Nummern vergeben? Manchmal habe ich das gesehen, das waren aber auch Nurnotare in Ballungsgebieten. Ich habe das jedenfalls weder in der Ausbildung, noch in meiner vorherigen Kanzlei und auch jetzt nicht so gekannt.

Ich würde gerne wissen, wie ihr das handhabt, ob ich da immer auf dem Holzweg war oder ob man das handhaben kann, wie man möchte.

Vielen Dank für eure Geduld, habt eine gute Woche!

-Leni-
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„Was die Franzosen Contenance nennen, Haltung und Harmonie im äußern Betragen, Gleichmütigkeit, Vermeidung alles Ungestüms, aller leidenschaftlichen Ausbrüche und Übereilungen, dessen sollte sich vorzüglich ein Mensch von lebhaftem Temperamente befleißigen.“

Adolph Freiherr Knigge: Über den Umgang mit Menschen, Fünfte Auflage, 1808[3]
pitz
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#2

10.06.2021, 09:49

Es kommt doch immer darauf an, was sich hinter den Nummern verbirgt. Eine kleine UB ist genauso eine Nummer wie ein GmbH-Gründungsprotokoll wie eine Kaufvertrag wie ein...und die UB hat ja keine nennenswerte Vor- bzw. Nacharbeit meistens. :-)
Martin Filzek
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#3

10.06.2021, 12:06

Konkret zur Frage Eintragungspflicht Satzungsbescheinigungen und Gesellschafterlisten:
Das ist ja geregelt in § 8 DONot und beides fällt eigentlich unter die eintragungspflichtigen Geschäfte (so auch Eickelberg in gerade vorl. Kommentar BeurkG / DONot 6. Aufl. 2013 § 8 Rn. 5). Dass es mehrheitlich anders "gehandhabt" wird ist eine Tatsache, die ich auch bestätigen kann aus verschiedener Erfahrung. Es wird auch nur hin und wieder von der Dienstaufsicht "beanstandet" - und wenn es das wird ist das ja kein Beinbruch, der zur Amtsenthebung oder Strafe führt .... insoweit kann also im Ergebnis schon jeder machen was er will und man sollte alte Bürotraditionien nach der Devise "Das haben wir schon immer so gemacht" tolerieren oder aber sich vornehmen, es künftig genauer und DONot-konform zu machen. Eine Frage, die weniger wichtig ist als die über Krieg oder Frieden, Weltuntergang, Klimapanik.

Allgemein zur Anzahl von UR.-Nummern: Siehe Vorrednerin Pitz.
Zusätzliche Gedanken in Kurzform und nur zur Auflockerung als Anekdoten zu diesem Thema:

1. Selbst erfundener bzw. gehörter Witz: Chef, wenn Sie mehr Urkundenrollen-Nummern haben wollen, um einen besseren Eindruck zu machen, fangen Sie die Urkundenrolle doch am 1. Januar nicht mit 1 an, sondern bei 100, 500 oder 1000. Oder jeden Monat mit einer neuen Hunderterzahl, also im Januar bei 100, im Mai mit 500 und im Dezember mit 1200. Das ist zwar nicht ganz DONot-konform mit der fortlaufenden Reihenfolge, aber auch nichts so Schlimmes, dass größere Nachteile davon durch Dienstaufsicht zu befürchten wären.

2. Manche haben nur deshalb so viele Nummern, weil sie so viele Ergänzungen und Korrekturen zu fehlerhaften Urkunden benötigen.

3. Eine einzelne Urkunde Nr. 43/2021 vom 10. Juni mit einer umfangreichen Beteiligungsvereinbarung mit 12 mit zu verlesenden umfangreichen Anlagen und kompliziertesten Regelungen auf 800 Seiten, die insgesamt auch einen hohen Geschäftswert hat, macht natürlich mehr Mühe als 10 Standard-Grundstückskaufverträge oder 100 Unterschriftsbeglaubigungen und ist für das Hauptziel der Berufstätigkeit (Erzielung von Einnahmen) evtl. mindestens gleichwertig.

Unter diesen Vorgaben das Ziel der jungen Notare, mehr als 400 Urkunden machen zu wollen, diskutieren.

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#4

10.06.2021, 12:12

Martin Filzek hat geschrieben:
10.06.2021, 12:06
[...]

Allgemein zur Anzahl von UR.-Nummern: Siehe Vorrednerin Pitz.

[...]
Vorredner :wink2
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#5

10.06.2021, 12:43

Martin Filzek hat geschrieben:
10.06.2021, 12:06
Konkret zur Frage Eintragungspflicht Satzungsbescheinigungen und Gesellschafterlisten:
Das ist ja geregelt in § 8 DONot und beides fällt eigentlich unter die eintragungspflichtigen Geschäfte (so auch Eickelberg in gerade vorl. Kommentar BeurkG / DONot 6. Aufl. 2013 § 8 Rn. 5). Dass es mehrheitlich anders "gehandhabt" wird ist eine Tatsache, die ich auch bestätigen kann aus verschiedener Erfahrung. Es wird auch nur hin und wieder von der Dienstaufsicht "beanstandet" - und wenn es das wird ist das ja kein Beinbruch, der zur Amtsenthebung oder Strafe führt .... insoweit kann also im Ergebnis schon jeder machen was er will und man sollte alte Bürotraditionien nach der Devise "Das haben wir schon immer so gemacht" tolerieren oder aber sich vornehmen, es künftig genauer und DONot-konform zu machen. Eine Frage, die weniger wichtig ist als die über Krieg oder Frieden, Weltuntergang, Klimapanik.
Im Zweifel hilft immer ein Blick ins Gesetz :) Ich bin lange aus der "Theorie" raus und daher dankbar für diesen Anstoß. Ich werde mich mal mit den Kolleginnen besprechen, ob wir unseren Notaren diesen Floh ins Ohr setzen wollen oder nicht. Bislang hat die Aufsicht das nie bemängelt, dass wir solche Sachen nicht in die Urkundensammlung eintragen.
Martin Filzek hat geschrieben:
10.06.2021, 12:06
1. Selbst erfundener bzw. gehörter Witz: Chef, wenn Sie mehr Urkundenrollen-Nummern haben wollen, um einen besseren Eindruck zu machen, fangen Sie die Urkundenrolle doch am 1. Januar nicht mit 1 an, sondern bei 100, 500 oder 1000. Oder jeden Monat mit einer neuen Hunderterzahl, also im Januar bei 100, im Mai mit 500 und im Dezember mit 1200. Das ist zwar nicht ganz DONot-konform mit der fortlaufenden Reihenfolge, aber auch nichts so Schlimmes, dass größere Nachteile davon durch Dienstaufsicht zu befürchten wären.
:mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:
Martin Filzek hat geschrieben:
10.06.2021, 12:06
2. Manche haben nur deshalb so viele Nummern, weil sie so viele Ergänzungen und Korrekturen zu fehlerhaften Urkunden benötigen.
Das haben wir untereinander auch schon gesagt. Der kriegt wahrscheinlich zig Zwischenverfügungen und muss dann immer nachbessern :mrgreen:
Martin Filzek hat geschrieben:
10.06.2021, 12:06
3. Eine einzelne Urkunde Nr. 43/2021 vom 10. Juni mit einer umfangreichen Beteiligungsvereinbarung mit 12 mit zu verlesenden umfangreichen Anlagen und kompliziertesten Regelungen auf 800 Seiten, die insgesamt auch einen hohen Geschäftswert hat, macht natürlich mehr Mühe als 10 Standard-Grundstückskaufverträge oder 100 Unterschriftsbeglaubigungen und ist für das Hauptziel der Berufstätigkeit (Erzielung von Einnahmen) evtl. mindestens gleichwertig.
Da hast du natürlich vollkommen Recht.
Martin Filzek hat geschrieben:
10.06.2021, 12:06
Unter diesen Vorgaben das Ziel der jungen Notare, mehr als 400 Urkunden machen zu wollen, diskutieren.
Werden wir mal ansprechen, aber erstmal untereinander klären :mrgreen:

Vielen Dank euch allen!
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„Was die Franzosen Contenance nennen, Haltung und Harmonie im äußern Betragen, Gleichmütigkeit, Vermeidung alles Ungestüms, aller leidenschaftlichen Ausbrüche und Übereilungen, dessen sollte sich vorzüglich ein Mensch von lebhaftem Temperamente befleißigen.“

Adolph Freiherr Knigge: Über den Umgang mit Menschen, Fünfte Auflage, 1808[3]
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#6

10.06.2021, 13:16

Hallo, ich halte nichts davon, sich nach außen hin nur aufzupuschen, weil man glaubt, dann ist man mehr wert.
Ich arbeite in dem Notariat eines Anwaltsnotars, der hat im Jahr ca. 800 - 900 Urkunden. Überwiegend Kaufverträge, die natürlich auch arbeitsintensiv sind, denn es gibt ja immer was zu schreiben und die Käufer benötigen auch immer wieder Hilfestellung. Ich bin alleine im Notariat und mache auch alles.
Im Nachbarort beglaubigt ein Notar die UB's der Volksbank, der geht einmal da hin und kommt mit 30 oder 40 Sachen wieder.
Nach meiner Meinung geht es vielmehr darum, gute und ordentliche Arbeit abzuliefern, den Leuten dürften die Nummern völlig egal sein, die wollen nur zufrieden sein.
Es geht um Qualität und nicht um Masse.
Die Satzungsbescheinigungen haben wir noch nie aufgeschrieben, es wurde bisher bei keiner Prüfung thematisiert.
Hokulani
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#7

10.06.2021, 21:31

Als ich noch in Berlin gearbeitet habe, hatten die einzelnen "Alt-Notare" 3000-3500 Nrn pro Jahr pro Person.

Aber da waren eben auch viele UB der Banken dabei und in Berlin war es damals erlaubt, die Auflassung getrennt zu beurkunden aufgrund Vollmacht durch Notar mitarbeiter. Das hat natürlich auch zu viiiielen Nummern beigetragen.

Am Ende sollte doch nur der Umsatz stimmen..
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