Zwangsversteigerung und freihändiger Verkauf

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Katzenfisch
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#1

26.08.2009, 15:47

Da ich nicht wußte wohin damit, stelle ich mein Problem mal hier ein.

Eigentumswohnung wird durch Gläubiger III/1 zwangsversteigert. Gläubiger III/2 hält still. 2 Versteigerungsversuche scheitern. Die 7/10 und die 5/10 fallen also weg. Die zwangsversteigernde Gläubigerin sucht dann selbst einen Käufer. Dieser ist bereit, 6/10 des Verkehrswertes zu zahlen.

Der Vertrag wird beurkundet. Gläubiger III/ 1 und 2 erteilen Löschungsbewilligung, III/1 händigt den Notar den Antrag auf Rücknahme der Zwangsversteigerung zu treuen Händen aus. Kaufpreis könnte fällig gestellt werden. Vorsichtshalber wird Versteigerungsakte eingesehen. Zum großen Erstaunen hat ein weiterer Gläubiger - ohne Grundbucheintragung aber mit Titel - den Beitritt zur Zwangsversteigerung erklärt und ist auch zugelassen worden. Also Verhandlungen mit Gläubiger III/1, ob aus dem Verkaufserlös ein weiterer Gläubiger befriedigt werden kann. Mit dem weiteren Gläubiger wird vereinbart, dass dieser bei Zusage einer Zahlung in Höhe von 10 % seiner Forderung den Antrag auf Beitritt zur Zwangsversteigerung zurücknimmt. Antragsrücknahme wird dem Notar zu treuen Händen übersandt.

Kuh vom Eis? Mitnichten. Am Tag nach Eingang der Antragsrücknahme trabt Notar erneut zum Versteigerungsgericht um Akte einzusehen. Nächster Gläubiger in Titel. Beitritt zur Zwangsversteigerung zugelassen. Das Spielchen geht von vorne los. Auch hier kann eine Einigung erzielt werden.

Das Spielchen wiederholt sich noch zweimal. Dann endlich ist es soweit. Keine weiteren Beitrittsanträge beim Versteigerungsgericht. Kaufpreis wird fällig gestellt und herausgeschickt. Am nächsten Tag Fax von Versteigerungsgericht: Antrag von Stadtverwaltung soeben eingegangen. Beitritt zur Zwangsversteigerung zugelassen - wegen nicht gezahlter Hundesteuern -.

Kaufpreisfälligkeitsmitteilung zurückgezogen. Verhandlung mit Gläubigern, Klappe - die fünfte.

Ich habe keine Lust mehr. Wie ist Euere Erfahrung auf diesem Gebiet?
Wenn das so weitergeht, sehe ich schwarz für den freihändigen Verkauf.

Wäre nett, wenn der eine oder andere seine Erfahrungen auf diesem Gebiet mitteilen könnte.

Es scheint wichtiger denn je zu sein, bei solchen Verkäufen einen direkten Draht zum Rechtspfleger des Versteigerungsgerichtes herzustellen und auch diesen sofort über einen freihändigen Verkauf zu informieren und selbst dann gestaltet sich der Verkauf bzw. der Vollzug des Vertrages zum reinen Glücksspiel.
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Soenny
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#2

26.08.2009, 16:00

Ich habe den Beitrag mal ins Notariat verschoben, weil für das RenoCafé sind nicht alle freigeschaltet ;)
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#3

27.08.2009, 07:50

Es häufen sich die Angelegenheit bei denen in Abt. II Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsvermerke oder Insolvenzvermerke eingetragen sind. Letztens hatte ich alle 3 Vermerke in Abt. II stehen :titanic

Find das auch immer sehr beunruhigend!! Bei den ZV-Vermerken erklären wir immer gleich nach Beurkundung aufgrund Vollmacht den Beitritt des Käufers zum ZV-Verfahren. Dann erhält man vom Versteigerungsgericht direkt Nachricht, wenn etwas passiert, sprich irgendwelche weiteren Gläubiger beitreten.

Bei mir hat bislang immer alles geklappt, hatte also Gott sei dank noch keine Prozedur wie du.

Ich bin mir jedoch immer unsicher, ob man ein Notaranderkonto einrichten sollte, oder nicht! Wie macht ihr das in solchen Fällen. Allso ich hatte schon seit 10 Jahren keins mehr.....und meine Chefin ist eigentlich auch immer der Meinung, dass auch in diesen Fällen keins zwingend erforderlich ist! :hm

Es bleibt jedoch ein komisches Gefühl...
Gruß Tina

Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit.
Die glaubt niemand!
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Katzenfisch
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#4

27.08.2009, 12:32

Notaranderkonten halten wir uns so weit wie möglich vom Hals. Es ist ja auch kein Grund ersichtlich für die Eröffnung eines Kontos. 10 Jahre kommt in etwa auch bei mir hin.

Zu dieser Sache kam ich wie die Jungfrau zum Kind. Sie ist bei einem anderen Notar beurkundet worden, ich spiele zur Zeit nur die Feuerwehr, damit der Vertrag irgendwann überhaupt vollzogen werden kann. Beitritt des Kaufers zum ZV-Verfahren ist bis heute nicht erklärt worden. Aber selbst wenn, mit der Häufigkeit und Schnelligkeit, mit der Gläubiger in diesem Fall den Beitritt erklären, hat der Notar sowieso kaum Chencen, den Kaufpreis fällig zu stellen.

Die zwangsversteigernde Gläubigerin ist mittlerweile etwas angesäuert. Ständige Änderungen des Treuhandauftrages, immer weniger Geld.

Mal schauen, wie sich die Sache weiter entwickelt.
Jupp03/11

#5

27.08.2009, 12:40

Jetzt stelle ich hier mal eine blöde Frage:

Ist denn keine Vormerkung für den Käufer eingetragen worden?
Katzenfisch
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#6

27.08.2009, 13:13

Doch, Auflassungsvormerkung ist drin.
micha7981
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#7

28.08.2009, 22:44

Welchen Rang hat denn die Vormerkung?

Sofern die Treuhandauflagen der vorrangigen Gläubiger vorliegen, kann der Kaufvertrag vollzogen werden: Hinsichtlich aller nachrangigen Gläubiger (also auch hinsichtlich der nach dem Zeitpunkt des Vormerkungsantrages, § 878 BGB, beigetretenen Gläubiger) gilt Folgendes:

Die nachrangigen GLäubiger (und nachrangig das Verfahren betreibenden Gläubiger) können den Vollzug nicht mehr behindern, aber lästig für den Käufer sein. Den Antrag auf Eigentumsumschreibung gemäß dem Kaufvertrag muss das GBA stattgeben; mit Eintragung des Käufers ist das Verfahren nach § 28 ZVG aufzuheben.

Sind nachrangige Sicherungshypotheken eingetragen, so kann deren Löschung verlangt werden (§ 888 BGB). Die Kosten der Löschungsbewilligung muss der Buchberechtigte, also der nachrangige Gläubiger zahlen, die Kosten der Grundbucheintragung leider der Käufer, der lediglich einen Anspruch gegen den Verkäufer auf Erstattung der Grundbuchkosten hat (welcher Anspruch dem Käufer nichts nützt).

In Deinem Fall würde ich also nicht mehr mit dem Vollzug abwarten: Je mehr Gläubiger beitreten, desto mehr Grundbuchkosten hat der Käufer zu tragen (und desto mehr muss er sich auseinandersetzen). Entscheidend sind nur die Treuhandaufträge der vorrangigen Gläubiger; bei nachrangigen ist es natürlich bequem, wenn die Löschungsbewilligung schon da ist, aber das darf natürlich nicht auf Kosten der Bereitschaft der vorrangigen Gläubiger gehen.

Viele Grüße
Micha
Katzenfisch
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#8

31.08.2009, 12:43

Ja, dachte ich zunächst auch.

Wenn der bestrangig betreibende Gläubiger seinen Antrag auf Zwangsversteigerung zurück nimmt oder die Einstellung bewilligt, wird dem bereits festgestellten geringsten Gebot die Grundlage entzogen.

Bei Wegfall des ursprünglichen Anordnungsgläubigers hat jeder Beitrittsgläubiger weiterhin dieselben Rechte wie wenn auf seinen Antrag hin die Versteigerung angeordnet wäre.

Wenn also kurz vor Versteigerungstermin bzw freihändigem Verkauf beigetretene Gläubiger nicht ebenfalls die einstweilige Einstellung bewilligen, wird wegen ihrer Forderung (nach Eigentumsumschreibung auf den Erwerber) vom Gericht ein neuer Versteigerungstermin bestimmt. Der Schuldner oder der Erwerber bringt das Verfahren nur dann zum endgültigen Stillstand, wenn er auch den beigetretenen Gläubiger befriedigt oder sich anderweitig mit diesem einigt.

Im aktuellen Fall geht es darum, dass die erstrangige Gläubigerin die Zwangsversteigerung betreibt, die zweitrangige "still hält" und mittlerweile 5 neue Gläubiger, die im Besitz von Titeln sind, den Beitritt erklärt haben und zugelassen worden sind. Diese Titel werden aber in das Grundbuch nicht eingetragen.

Wenn jetzt der Antrag auf Eigentumsumschreibung gestellt und der Antrag vollzogen wird, werden zwar im Grundbuch III 1 und 2 geschlöscht. 4 weitere Beitrittsgläubiger haben ebenfalls bereits aufgrund von Verhandlungen zu treuen Händen Antrag auf Rücknahme der Zwangsversteigerung überreicht. Nur mit dem 5. Beitrittsgläubiger gestalten sich die Verhandlungen schwierig. Sollte hier keine Einigung erzielt werden, geht die Zwangsversteigerung nach Eigentumsumschreibung weiter.

Insgesamt hat der Notar die vertraglichen Bedingungen und Treuhandaufträge zu beachten. 1) Kaufpreisfälligkeit erst dann, wenn alle Unterlagen zur Lastenfreiheit vorliegen. Löschungsanträge erst dann, wenn Gläubiger ihr geld erhalten haben.

Da beißt sich die Katze in den Schwarz
Jupp03/11

#9

31.08.2009, 14:27

Wenn das, was du schreibst lieber Katzenfisch, zutreffend sein sollte, wäre ein KV bei einer lfd. Zwangsversteigerung ohne Notaranderkonto gar nicht möglich. Du wirst dann nämlich nie die KP-Fälligkeit erreichen. Welchen Sinn sollte da die Vormerkung machen?
Katzenfisch
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#10

31.08.2009, 16:46

Dem ist so. Solche Verträge sind kaum durchzuführen, es sei denn mit viel Stress und viel Glück.

"Ist ein Gläubiger dem Verfahren rechtzeitig (§ 44 Abs. 2 ZVG) beigetreten, hat er jedoch nicht den besten Rang, und bewilligt der bestberechtigte Gläubiger beim Termin (oder vorher) die einstweilige Einstellung (oder nimmt er den Versteigerungsantrag zurück), muss das Verfahren für die Forderung des Beigetretenen weitergeführt werden.

Jeder Gläubiger kann zugelassen werden, solange das Zwangsversteigerungsverfahren anhängig ist, also auch, wenn das Verfahren nur einstweiligen eingestellt worden ist oder wenn die Aufhebungsvoraussetzungen schon vorliegen, aber der Beschluss noch aussteht, da dieser konstitutive Wirkung hat.

Wenn das Verfahren aufgrund der Rücknahme des ersten Zwangsversteigerungsantrages aufgehoben werden soll, weil durch die Rücknahme des Antrags die Beschlagnahme des Grundstücks erlischt (vergl. Stöber, ZVG-Handbuch Rd-Nr. 203), hat das Vollstreckungsgericht den Beitritt der anderen Gläubiger dann als - neuen - Zwangsversteigerungsantrag zu behandeln (Stöber a.d.O. RdNr. 136).

Durch Anordnung der Zwangsversteigerung verliert der Grundstückseigentümer nicht das Recht zur Verfügung über bewegliche Sachen. Die Anordnung führt auch nicht zu einer Grundbuchsperre. Veräußerung und Belastung des Grundstücks sind dem/den betreibenden Gläubiger/n gegenüber unwirksam (§ 23 Abs. 1 ZVG i.V.m. §§ 135, 136 BGB) Im Zwangsversteigerungsverfahren wird die Veräußerung und Belastung des Grundstücks so behandelt, als ob sie nicht stattgefunden haben."

Welchen Sinn macht die Vormerkung? Sie sichert zunächst mal vordergründig den Erwerbsanspruch des Käufers. Eine Kaufpreisfälligkeit erreicht man auch mit Notaranderkonto erst dann, wenn mit dem letzten Gläubiger Einigkeit erzielt wurde.

Das Objekt, dass hier betroffen ist, wird jetzt in den nächsten Versteigerungstermin gehen, weil die betreibende Gläubigerin nicht bereit ist, noch einmal auf knapp 800,00 € aus dem restlichen Verkaufserlös zu verzichten.

Der Käufer wird versuchen, das Objekt zu ersteigern. Der gute Mann hat bereits ca. 30.000,00 € an Renovierungskosten reingesteckt. Der Makler der Bank hat nach Beurkundung den Schlüssel ausgehändigt und gesagt: Machen Sie mal, kann ja jetzt nichts mehr schief gehen.
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