Ablaufoptimierung - Bitte um Tipps

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micha7981
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#1

22.02.2008, 19:50

Hallo allerseits,

ich (Notarassessor seit ein paar Monaten) mache mir Gedanken, wie man in einem Nur-Notariat mit viel Arbeit und vielen Mitarbeitern den Ablauf optimieren kann.
Ziele sind:
-Akten und Vorgänge sind so transparent und verständlich wie möglich (keine "Geheimsprache" auf kryptischen gelben Klebezetteln, keine wichtigen Dokumente versteckt auf einem Fresszettel abgeheftet)
-Die Fehlergefahr wird reduziert, wobei bei wichtigen und fehlerträchtigen Sachen mehr Kontrolle besteht als bei unwichtigeren
-Die Mitarbeiter sind zufrieden und nicht durch widersprüchliche Kommunikation überfordert.
-Neue Notarassessoren können sich auch schnell einfinden und müssen die Mitarbeiter nicht allzu oft belästigen! :)

Meine Fragen betreffen vor allem folgende Punkte:

1. Auftragserfassung/Delegationsmanagement: Sollte der Notar den gesamten Posteingang vorab sichten oder sollte eine Fachkraft das vornehmen? Wenn der Notar ab einer gewissen Größe alles selbst sichten muss, kommt er zu recht wenig; andererseits kann es schon einmal sein, dass eine Fachkraft eine Sache nicht genauso einschätzt wie der Notar.
Überhaupt: Wie kommen die meisten Anfragen/Aufträge rein? Per Mail, per Fax, per Post, per Telefon?

2. Entwurfsfertigung: Natürlich Kernaufgabe des Notars, aber auch z. T. delegationsfähig. Eigentlich unproblematisch. Schwieriger aber Diktate: Das Hin- und Herwandern von Akten kann viel Zeit kosten; evtl. kommen in der Zeit, in der die Schreibkraft arbeitet, wichtige Hinweise. Man möchte dann gern parallel diese Hinweise verarbeiten.
Wie kann man sicherstellen, dass der Aktenweg von Schreibkraft und Entwurfsersteller reibungslos ist (Gegenbeispiel: Notar bekommt fünfzig Sachen auf einmal kommentarlos auf den Tisch geknallt)?

3. Unmittelbare Vorbereitung der Verhandlung: Hier muss die Urschrift weitestgehend stehen. Problem: Bei großen Notariaten werden die Kunden immer anspruchsvoller und verlangen ruck-zuck Ausfertigungen, einfache und beglaubigte Abschriften etc.
Wie wird bei Euch sichergestellt, dass
-die Urschrift möglichst fehlerlos ist (klar, Kernaufgabe des Notars)
-die Ausfertigungen einerseits schnell, aber andererseits auch die Richtigkeit sichergestellt ist, gerade bei umfangreichen Änderungen. Gefahr hier: Urschrift auf PC gespeichert; Notar macht umfangreiche handschriftliche Änderungen; Mitarbeiterin möchte Ausfertigungen ins Reine schreiben und öffnet die Datei; eventuell ist die Datei ein alter Entwurf oder gelöscht oder verändert, ohne dass man es merkt.
Welche Lösungen bestehen hier? Evtl. einen "Urschriftenordner" auf der Festplatte anlegen und die Dateien ab einem gewissen Zeitpunkt sperren?

4. Kostenrechnungen bei Beglaubigungen: Manche Mitarbeiter beschweren sich über "kryptische Aufforderungen zu Kostenrechnungen" bei Beglaubigungen. Es fehlt ja in der Regel eine Akte.

5. Aktenführung generell: Was haltet Ihr für sinnvoll? Gerade bei großen Notariaten verliert man den Überblick, insbesondere wenn man Stammkundenakten, Laufkundschaftsakten, Serienakten etc. hat. Sollte am PC eine Abschrift der Akte geführt werden? Helfen hier ProNotar etc.? Zumindest E-Mails sollte man immer in eine elektronische Akte schieben können.

Ich würde mich sehr über Tipps und Erfahrungsberichte freuen. Ich habe schon bei Renothek gepostet, aber es lesen nicht alle doppelt, daher hoffe
Beste Grüße
Micha
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butterflybabe
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#2

22.02.2008, 20:01

Ich bin zwar leider nicht im Notariat tätig, hab aber evtl. ein paar Vorschläge.

Auf Seminaren wird grundsätzlich empfohlen, dass ein kanzleihandbuch angefertigt wird. Dort soll genau aufgenommen, wie die Kanzleiabläufe sind. ich werde sowas bei usn in der Kanzlei einführen und zwar aus dem Grund, den du auch schon genannt hast, dass Schreiben bzw. in deinem Fall Urkunden nicht richtig abgeheftet werden. Das Buch wird, wenn es fertig wird, jedem vorgelegt und er muss unterzeichnen, dass er es gelesen hat. So hat man immer eine gutes Nachschlagewerk.
4. Kostenrechnungen bei Beglaubigungen: Manche Mitarbeiter beschweren sich über "kryptische Aufforderungen zu Kostenrechnungen" bei Beglaubigungen. Es fehlt ja in der Regel eine Akte.
Wäre es nicht sinnvoller, Kostenrechnungen zu diktieren, oder entsprechende Vordrucke, bei denen der RA nur noch wenige Kleinigkeiten eintragen muss, bereit zu legen?
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#3

22.02.2008, 20:05

Zu deiner 1. Frage kann ich dir leider nur die Ansicht eines RA-Büros geben. Grundsätzlich landet der Posteingang bei mir bzw. meiner Kollegin, denn ich dann allerdings wieder bekomme. Kleinigkeiten, die wir erledigen können, bekommt der RA erst zur Unterschrift bzw. evtl. gar nicht vorgelegt. schreiben, bei denen es einer Rücksprache mit dem RA bedürfen, werden in einer gemeinsamen "Postbesprechung" am Vormittag geklärt.

Zu 2. kann ich nur sagen, dass bei uns jeder Posteingang sofort rausgesucht wird, d. h. Schreiben liegen nicht erst rum, weil eine Akte nicht im Schrank ist. notfalls muss halt so lange gesucht werden, bis die Akte gefunden wird.
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butterflybabe
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#4

22.02.2008, 20:08

Jetzt hätte ich es fast vergessen. In der alten Kanzlei wollten die Anwälte nur auf dem neuesten Stand sein, d. h. jeder technische Fortschritt musste beim uns im Büro vorhanden sein.

So kam es, dass die Anwälte, sowie der Großteil der Angestellten an zwei Bildschirmen sassen und sich die Akte auf dem Bildschirm ansahen. Der Posteingang wurde daher eingescannt, E-Mails sowie Postausgang wurden ebenfalls in der Akte gespeichert.
Es ging sogar soweit, dass beabsichtigt war, dass der Posteingang zentral eingescannt wird und dann die Anwälte hierzu was diktieren etc.

Muss aber jeder selbst entscheiden, ob das für ihn Sinn macht. Mir persönlich ist es lieber, in einer Akte zu blättern. in der jetztigen Kanzlei würde diese Methode wohl auch keinen Sinn machen, aber das muss jeder selbst entscheiden, wohl auch aus Kostengründen.
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Kithara
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#5

24.02.2008, 15:04

Hallo Micha,
bis vor 2 Jahren habe ich in einer Großkanzlei mit 6 Anwaltsnotaren gearbeitet. Das Notariat nahm eine ganze Etage ein. Ich gebe mal den Ablauf wieder:

- Jedem Notar waren 2 – 3 Fachangestellte (je nach Beurkundungsvolumen) und 1-2 Azubinen zugeteilt, die ausschließlich für den jeweiligen Notar im Team gearbeitet haben, d. h. jeder musste alles können.
- Eine der Fachangestellten musste immer zugegen sein, Urlaub durfte sich nicht überschneiden, Fachseminare wurden von der Kanzlei übernommen und waren Pflicht.
- Es war grundsätzlich immer nur eine Fachangestellte pro Akte als Sachbearbeiterin und Ansprechpartnerin zuständig.
- Die Azubinen haben die Fachangestellten unterstützt und die kleineren Urkunden bearbeitet.
- Effizientes Arbeiten beginnt bei der Aktenanlage und bei der Aktenführung. Die Akten wurden in Papierform und elektronisch geführt. Die Tagespost eingescannt. Telefonnotizen während des Gespräches getippt und direkt in der elektronischen Akte gespeichert. Anweisungen vom Notar direkt in die elektronische Akte diktiert.
- Sowohl die PC als auch die Programme waren auf dem neuesten Stand, die Angestellten entsprechend geschult!
- Aufträge wurden von den Fachangestellten per Telefon oder persönlich im Besprechungszimmer aufgenommen.
- Bei Beurkundungen wurden Änderungswünsche der Parteien direkt in die Urkunde eingearbeitet (der Notar setzte sich dann kurz zu uns und diktierte uns die Änderungen direkt), sodass die Parteien sofort nach Beurkundung eine Ausfertigungen bzw. Abschriften mitnehmen konnten.
- Absolute Priorität lag in der selbständigen Bearbeitung und Ausfertigung der neu beurkundeten Sachen (maximal durfte eine Urkunde 3 Tage unbearbeitet liegen).
- Gleich danach kam die selbständige Bearbeitung der Tagespost.
- Jeden Morgen zu derselben Zeit fand eine Besprechung zwischen Notar und den ihm zugeteilten Fachangestellten bezüglich der an diesem Tag anliegenden Beurkundungen und eventueller Problemakten statt.

Heute arbeite ich in einer kleineren Kanzlei mit einer weiteren Notar-Fachangestellten und einem Azubi und habe sowohl das Arbeitsschema, als auch die Aktenführung der Großkanzlei dort komplett eingeführt weil es effizient ist und Zeit spart. Teamarbeit funktioniert nur bei gut ausgebildetem Fachpersonal. Meine Kollegin ist absolut fit, die Chemie zwischen uns stimmt (auch ganz wichtig für Teamarbeit) und wir haben denselben Arbeitsrhythmus.
Wohl dem der´s Beste nicht verlor, im Kampf des Lebens den Humor
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