Diktat-Syndrom

Hier hinein gehören alle Themen rund um Büroorganisation, Büroverwaltung, Kanzleiorganisation etc.
Gast

#1

07.08.2007, 01:32

Ich würde gern Eure Meinung zu folgendem, leider seit etlichen Jahren andauernden, Problem einholen:

In den letzten Jahren - gefühlt ca. 8 - scheinen Auszubildende sich unter dem Berufsbild "Reno" als Endziel das Schreiben von Diktaten vorzustellen. In unserer Kanzlei gibt es eine Vollzeit- und eine Teilzeitschreibkraft, die den Diktatkram erledigen. Auszubildende zur Reno hingegen werden von Anfang an mit sachbearbeitenden Tätigkeiten beschäftigt - Diktat fällt nur an, wenn es supereilig und "zwischendurch" notwendig wird.

In den letzten Jahren habe ich zunehmend beobachtet - Ausnahmen bestätigen die Regel -, dass die Auszubildenden einen heftigen Drang zur Tätigkeit einer/s PhonotypistIn verspüren und die Erledigung von Diktaten "am Draht" offensichtlich "höher" einschätzen als das Erlernen und Durchführen von Sachbearbeitung :roll: :twisted: .

Könnt Ihr mir erklären, wie das kommt? Warum wollen sie der Langeweile frönen und ihr Leben als "Tippsen" verbringen?

Letzte Woche kam es gar soweit, dass eine Azubiene im jetzt beginnenden 2. Lehrjahr kündigte, weil ihr "die Ausbildungsschwerpunkte nicht zusagten". Bin heute erst einmal mit ihr Eis essen gegangen und habe versucht, herauszufinden, was in ihrem 17-jährigen Kopf eigentlich vorgeht. Ergebnis ist, dass sie gern "schreiben" möchte und ihr die Fach- und Rechtskunde zu kompliziert ist :roll: . Nach langem Gespräch sind wir überein gekommen, dass sie die Ausbildung fortsetzt, den "komplizierten" Bereich Notarfachangestellte jedoch fallen lässt. Das kriege ich mit dem Boss geregelt und bin froh, dass sie ihre Vita nicht mit abgebrochener Ausbildung beginnt. Warum sie aber soooo furchtbar gern mit soooo wenig zufrieden ist, habe ich nicht verstanden, zumal - wir üben vorher für jede Klassenarbeit - der Notenschnitt auf dem Zeugnis bei "gut" lag.

Das Phänomen häuft sich in den letzten Jahren - auch ohne Kündigung - und wir/ich sind zunehmend ratlos.
Lucie
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#2

07.08.2007, 08:10

Du hast dir die Frage eigentlich schon selbst beantwortet: Wer will schon groß nachdenken oder sich das Hirn mit Paragraphen verrenken?

Wenn du schreibst:
Ergebnis ist, dass sie gern "schreiben" möchte und ihr die Fach- und Rechtskunde zu kompliziert ist.
dann trifft das so in etwa auch mein Gefühl.

Meine Kollegin ist hier die ReNo, würde aber viel lieber den ganzen Tag meinen hauptsächlichen Job erledigen, nämlich Diktate hacken. War schon immer so. Auch die Azubis, die ich hier hatte, haben sich liebend gern die Finger wund geschrieben, statt sich mit so komplizierten Dingen abzugeben, wie einem MB. ;)
PROBLEM ist nur ein unschönes Wort für HERAUSFORDERUNG
Bärchen

#3

07.08.2007, 08:11

Da ich selbst noch nie ausgebildet habe, kann ich das Phänomen leider nicht bestätigen. Zu meiner Zeit war es aber so, dass wir uns im BIZ über den jeweiligen Beruf informieren konnten und da stand schon weitaus mehr drin, als das reine Schreiben nach Diktat.

Ich glaube, dass liegt an der Einstellung der meisten Jugendlichen heutzutage. Was mir in den letzten Jahren aufgefallen ist, ist, dass die Jugendlichen wirklich einen Job suchen, bei dem man nicht denken muss bzw. nicht viel arbeiten muss.
"Auf der faulen Haut liegen und die "Alten" aus dem Beruf mal die Arbeit machen lassen" - das war ein Satz, der mir der Bruder einer Freundin mal an den Kopf geschmissen hat. :evil:
Ahurani

#4

07.08.2007, 08:29

Hallo,

im alten Büro hatten wir das allererste Mal eine Auszubildende und sie hat alle ihr aufgetragenen Aufgaben sehr gerne erledigt und sehr viel bei uns lernen können. Natürlich schrieb sie auch gerne mal Diktat, das aber eher dann, wenn wir nichts anderes für sie hatten. Sie hat bei uns eine sehr gute Ausbildung genossen und wir waren auf unsere erste Azubine echt stolz, da sie einen sehr guten Notendurchschnitt erreichte. Unsere zweite hats aufgrund der Kanzleitrennung nicht so gut getroffen, denn sie kam leider viel zu kurz, aber inzwischen dürfte es wieder besser geworden sein.

Damals wurden wir nichtmal als Azubine ans Diktate schreiben gelassen, inzwischen ist es aber wohl recht häufig der Fall, dass die Azubinen tippen dürfen und dann leider kaum noch etwas lernen. Mich wundert es, dass sich die, die mal etwas anderes machen dürfen, protestieren?! Den "Kleinen" sollte man mal klarmachen, dass man fürs schreiben können ganz sicherlich nicht viel bezahlt bekommt. Wichtig ist, dass man fit in Kostenrecht und Zwangsvollstreckung ist. Wenn sie sich hierfür nicht interessieren, dann haben sie wohl den falschen Beruf gewählt und werden nie in ihrem Berufsleben weiterkommen.
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#5

07.08.2007, 08:37

also das kann ich nun nicht so richtig bestätigen, damals in meiner Klasse wollten alle abwechslungsreiche tätigkeit.. natürlich gehört bänder schreiben dazu, is ja auch mal ganz schön, einfach stur in die tasten kloppen, aber ständig würde ich das auch nicht machen wollen
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Raphaela1207
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#6

07.08.2007, 08:38

Hallöchen,

also bei mir war es ab dem 2. Lehrjahr selbstverständlich, dass ich Diktate schreiben muss. Und dieses wird nach einiger Zeit auch wirklich öde, wie ich schnell feststellte. Nach meiner Ausbildung bin ich in eine andere, viel kleinere, Kanzlei gewechselt. Zwar schreibe ich auch hier (in Zusammenarbeit mit unserer Azubi) alle RA Diktate, aber vieles kann ich davon eigenständig machen. Dann wird einfach nur abdiktiert "...und hier dann wie üblich" und ich weiß was zu tun ist. Außerdem mache ich das Ganze Mahn- und Vollstreckungswesen eigenständig. Also was ich damit sagen wollte ist, dass es bei uns selbstverständlich ist, dass die Azubis und auch ich als Angestellte Bänder schreiben.

LG Raphaela
StineP

#7

07.08.2007, 08:39

Bei mir in der Klasse gab es viele, die haben nichts anderes gemacht. Hat mich oft ziemlich schockiert, weil die Chefs sich dann immer gewundert haben, warum sie die einfachsten Sachen in der Schule nicht verstanden haben - wie auch, wenn man auf Arbeit damit nichts zu tun hat!?

Derzeit muss ich leider ziemlich viel tippen. Bin völlig frustriert, aber irgendwer muss es ja machen. Einen Chef kann ich motivieren, mich selbst viel schreiben zu lassen, aber der andere ist ein konservativer .......... und der diktiert selbst Abschriften an Mandanten - tja, was soll man dazu noch sagen?
Bärchen

#8

07.08.2007, 08:42

Ich durfte damals auch keine Bänder schreiben. Jetzt schreib ich fast nur noch Bänder, weil wir nicht so viele ZV-Sachen haben. Wenn ich eine Azubine bekommen sollte, dann wird sie auch viel schreiben müssen, aber die anderen Sachen wird sie auch lernen bzw. lernen müssen. Man sollte ein gutes Zwischenmaß haben. Natürlich ist dumpfes nach Diktat schreiben langweilig, aber es ist interessant. Und viele möchten auch spannende "Geschichten" hören.
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#9

07.08.2007, 08:45

Bärchen hat geschrieben:Jetzt schreib ich fast nur noch Bänder, weil wir nicht so viele ZV-Sachen haben.
das versteh ich nicht.. warum beziehst du das nicht bänder schreiben auf ZV Sachen?
StineP

#10

07.08.2007, 08:47

Weil man in ZV Sachen kein einziges Band schreibt - bei mir zumindest so. Vom Inkassoschreiben über MB bis hin zur ZV sind das alles programmspezifische Dinge, die man nicht diktieren kann/braucht.
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