Diktat-Syndrom

Hier hinein gehören alle Themen rund um Büroorganisation, Büroverwaltung, Kanzleiorganisation etc.
Gast

#41

08.08.2007, 00:04

Bedanke mich nochmals für alle Wortmeldungen. Vieles kann ich nachvollziehen.

Bei uns allerdings wird der Postausgang zentral gemacht, d.h. die/der dort eingesetzte Auszubildende holt sich den Aktenstapel nebst Laufzettel von den diversen SachbearbeiterInnen und Anwalts-/Notaren und muss die gesamte Post zur Unterschriftsreife bringen. Dazu gehört das Lesen aller Schreiben und Schriftsätze, um die Anlagen beizufügen (Eigen- und Fremddokumente), die Erstellung und den Ausdruck von Standarddokumenten wie z.B. die adäquate Vollmacht sowie die Mandatsvereinbarungen, das Binden von Urkunden (samt Einbinden von Fremdurkunden), das Fertigen der Veräußerungsanzeige, Benachrichtigung in Nachlasssachen usw., ggf. die Aufbringung des Kostenstempels auf UB-Originale unter Verwendung der Kostenberechnung auf der beglaubigten Abschrift u.v.a. mehr. Auch ohne "Diktat" erhält sie oder er einen umfassenden Ein- und Überblick in die Akten, wobei sie oder er zuvor ja auch die entsprechende Eingangspost bearbeitet hat. Auszubildende, die das in unserer Kanzlei angehen und über kurz oder mittelfristig "beherrschen", haben zum guten Schluss auch die besten Prüfungsergebnisse und werden oft übernommen, zumal sie nach der Generalistentätigkeit auch ohne große Probleme in der Sachbearbeitung erfolgreich sind.

Was ich sagen will: "Tippen" ist - bei unserem Organisationschema - nicht nötig, um die Akten in- und auswendig zu kennen.

Es gibt aber zunehmend solche Auszubildende, die überhaupt nicht erkennen, dass ein solcher Aufgabenbereich sehr anspruchsvoll ist. Das sind jene, die nach meiner Erfahrung den "Knopf im Ohr" bevorzugen.
Carmen
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#42

08.08.2007, 08:27

Hallo Ihr Lieben,

hab gerade mal dieses Thema durchstöbert und möchte auch meinen Senf dazu geben. Also ich bin seit etwa einem Jahr ausgelernt, war nach meiner Ausbildung ein halbes Jahr arbeitslos und arbeite jetzt wieder seit einem halben Jahr bei zwei Anwältinnen und bin allein als ReFa. Und ich muss ehrlich zugeben, dass meine richtige Ausbildung gerade erst mit der Aufnahme meines neuen Arbeitsplatzes begonnen hat. In meiner Lehrzeit waren wir nur billige Schreibkräfte und das war nicht nur bei uns so, sondern fast die ganze Klasse meiner Berufsschule hatten dieses Problem. Es liegt, glaube ich nicht nur daran, dass die Auszubildenen sich nicht den Kopf wund denken wollen, sondern auch zum Teil daran, dass viele Anwälte die Auszubildenen als billige Schreibkräfte sehen. Ich war in meiner Ausbildung nicht glücklich über den Zustand. Zwei Wochen vor der Prüfung durften wir mal in die ZV reinschnuppern, damit wir wussten was das überhaupt ist. Jetzt muss ich fast alles allein machen, vielleicht ein Band im Monat, wenn´s hochkommt und der Rest ist selbstständige Tätigkeit. Ich merke immer mehr, dass die Ausbildung im Betrieb mir eigentlich nicht viel gebracht hat, da wir nur geschrieben haben, sonst nichts. Es ist auch echt schwer einen Arbeitsplatz zu finden, wenn ehrlich ist und sagt, dass man das nicht beherscht, weil man in der Ausbildung damit nichts zu tun hatte. Ich weiß wovon ich spreche, da ich das ein halbes Jahr durchmachen musste. Ich habe mir immer gesagt, in den Bewerbungsgesprächen bin ich in der Hinsicht ehrlich, da man nie weiß, wie es einen ergeht, wenn man genommen wird und die Anwälte ja voraussetzen, dass man alles kann, weil man vorher nichts über die Ausbildungsverhältnisse gesagt hat. Meine Chefin hat mir mal gesagt, dass sie mich genommen hat, damit ich Berufserfahrung sammeln kann und ich Ehrgeiz gezeigt habe und weil ich ehrlich war und gesagt habe, dass ich einiges noch nicht beherrsche (nur in Schule behandelt) weil in der Ausbildung nur geschrieben wurde.
LG Carmen
Mulle21
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#43

08.08.2007, 12:33

Hallo, auch ich bin neu hier und kann nur sagen, das Diktatsyndrom gilt nicht nur für Auszubildende.

Ich bin seit einem Jahr ausgelernt und in einer Kanzlei in der nur ein RA und noch Kollegin (ReFa seit über zehn Jahren) arbeiten. Diese ist bereits mächtig beschäftigt, wenn sie die Eingangspost bearbeitet und Mandantenübersendungsschreiben fertigt. Wenn dann noch zwei ZV-Sachen kommen, darf ich nichts mehr fragen – sie ist ja soo beschäftigt. Sobald irgendwas - egal ob Eingangspost oder ZV – nicht dem als Vorlage eingestellten Standard entspricht (man also denken muss), kommt ständig: Das muss der Chef aber diktieren, weil: das kann ich nicht, wenn ich das im Gesetz lese, dann verstehe ich das nicht, dafür werde ich nicht bezahlt, … Aargh. Aber immer einen Aufriss machen, wenn sie doch mal was alleine gemacht hat. Weil das so ist, diktierte der Chef also so ziemlich alles, als ich hier angefangen habe.

Ich war es auch ganz froh, anfangs so viele Diktate zu bekommen, da ich dadurch sehr schnell gelernt habe, wie der Chef die Angelegenheiten bearbeitet haben will. Zwischenzeitlich mache ich also die gesamte Eingangs- und Gerichtspost (sowie teilweise Klageentwürfe und Unfallsachen sowieso) alleine – ohne Diktate. Höchstens zwei Postdiktate kommen danach noch vom Chef. Meine Meinung daher: Diktate machen schlau und erledigen sich mit Zeitablauf von alleine, sofern man ein wenig Eigeninitiative zeigt.

Während meines Urlaubs muss der Chef natürlich wieder diktieren – weil meine Kollegin ja nur Übersendungsschreiben und ZV – ach Vorlage nach über zehn Jahren Diktaten kann ….
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butterflybabe
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#44

08.08.2007, 12:43

Ich find es am Anfang nicht schlecht, wenn man viel schreiben muss. Man lernt den Schreibstil und die Wörter. Am im Laufe der Ausbildung sollte man eigentlich schon in der Lage sein, eigene Schreiben zu verfassen.

Ich bekomm von meinem Chef nur noch Diktat, die "wir nicht wissen können", also längere Schriftsätze, oder bestimmte Schreiben an Mandanten. Was sonst anfällt, wird mit gleich erledigt oder kurz noch mit Chef besprochen.

Ich kenn aber auch eine Kollegin, die froh ist, wenn alles diktiert wird. Angefanen von der WV über das, was sie im Foko zu buchen hat und die Unterschrift.
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Jennie
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#45

08.08.2007, 12:50

Ich finde es schlimm, wenn es ausgelernte REFAs gibt, die froh sind, wenn ihnen wirklich alles diktiert wird. Ich weiß nicht, aber das würde mir keinen Spaß machen. Es muss ein gesundes Mittelmaß herrschen.
Viele Grüße
Jennie
lilibe
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#46

08.08.2007, 12:59

Ich bin jetzt auch ein Jahr ausgelernt und musste während meiner Ausbildung viel Band schreiben. Allerdings hielt sich (meistens) die Waage zwischen Tippen und Sachbearbeitung. Das Problem war nur, dass unsere Bürovorsteherin die meiste Sachbearbeitung erledigt hat, weil wir das ja nicht können ... Und das, obwohl sie ja sooo viel immer zu tun hat. Nun gut, jetzt arbeite ich einer anderen Kanzlei und mache hier Sachbearbeitung als Refa und fertige Schriftsätze selbstständig aus. Macht viel mehr Spaß als den halben Tag Stöpsel in den Ohren zu haben.

LG Lilibe
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#47

08.08.2007, 14:49

Ich muss ehrlich gestehen, ich schreib auch gerne nach Diktat... ich erledige sonst eigentlich alles selbständig im Büro, auch die Posteingänge, die ZV und alles weitere... wenn dann dazwischen doch noch ein Diktat kommt, ist das Diktatschreiben eine Art Entspannung für mich, um den rauchenden Kopf etwas abzukühlen... Allerdings ertappe ich mich manchmal dabei, dass ich garnicht wirklich weiß, was ich da schreibe, sondern es einfach runtertippsele und danach froh bin, wenn ich noch weiß, um welche Sache es sich gehandelt hat ;-) Ich denke, dass ich beim Bandschreiben einfach zu sehr "abschalte" :oops
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angel30
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#48

08.08.2007, 14:59

Also, ich kann es überhaupt nicht verstehen das jemand nur Diktate schreiben will, bzw. sich unsere Ausbildung so vorstellt.

Ich glaube, dass die heutige Jugend tatsächlich einfach sehr faul ist und den Kopf nicht einschalten will (bei vielen glaube ich inszwischen auch die sind gar nicht fähig den Kopf einzuschalten).

Ich finde allerdings auch, das man bei Diktaten trotzdem denken muss. Wie irgendwo hier im Dialog schon mal erwähnt wurde, der Chef vertauscht, Beklagte oder Kläger, ein oder kein oder spricht sonst undeutlich, oder hat solche verschachtelten Sätze die überhaupt keinen Sinn ergeben.Schlecht, wenn man dann Chefs hat die solche Sachen blind unterschreiben, was es ja durchaus gibt.

Ich bin froh, das wir hier alles machen müssen und ich eher selten Diktate habe weil mein Chefs viel selber schreiben bzw. eher Verträge aushandeln. Wir haben aber in letzter Zeit eine Geschichte, durch die wir beide hier vorne viel diktiert bekommen und wenn ich dann mal drei oder mehr Stunden am Stück schreibe, habe ich erstens Ohrenschmerzen, zweitens keinen Bock mehr und drittens das Gefühl ich krieg ne Sehnscheidentzündung.
Amy

#49

08.08.2007, 15:00

ja shila, genau so geht es mir auch manchmal. wenn man stundenlang viel um die ohren hat, freut man sich mal auf ein ruhiges band, so man nicht viel nachdenken muss, sondern einfach nur in die tasten hauen kann.

es kann aber auch mega ätzend sein: früher war ich hier im haus für einen anwalt zuständig, der macht ganz gerne mal 30 bis 40 seitige Schriftsätze. da hört der spaß spätestens nach der zweiten vollen kassette auf!!! bin sogar einmal kurz in den sekundenschlaf gefallen... soviel zum Thema abschalten :oops:
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#50

08.08.2007, 15:11

Hallo Amy,
da kann ich Dich beruhigen. Ging mir früher, als noch andere RAe hier in der Kanzlei waren, auch so. Bevorzugt bei Baurecht. Während meiner Ausbildung habe ich immer gewollt, dass ich auch mal Dinge selbstständig erledigen kann. Heute würde ich mich freuen, wenn mir die ganze selbstständige Arbeit auch mal die Zeit für ein klitzekleines Bändchen lassen würde. Ist manchmal sehr anstrengend über den ganzen Tag (und ich rede hier von mind. 10 Stunden, weil wir hoffnungslos unterbesetzt sind) Klagen, Verträge und Schriftsätze zu verfassen oder KFAs/KFBs zu prüfen und zu erwidern und dann aber auch noch durchgehend die Konzentration zu halten.
Unsere Azubine ist leider so, dass sie weder Bänder noch selbstständige Arbeit mag. Wenn sie was zum Schreiben hat, dann ist sie so langsam dabei, dass man ihr die Fingernägel lackieren könnte. Sie macht manchmal auf mich den Eindruck, als ob sie ihre Zeit bis zur Prüfung hier echt nur absitzen will.
Aber was soll man machen - hier in München gibt es nicht unbedingt die wahnsinnige Auswahl an Azubis. :heul
Barbara
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