Eigenverantwortung - Selbständiges Arbeiten

Hier hinein gehören alle Themen rund um Büroorganisation, Büroverwaltung, Kanzleiorganisation etc.
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schneeflocke
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#41

11.10.2008, 19:39

Liebe wifey,

als ich hier im Forum anfing zu lesen, vor fast 2 Jahren, kam ich mir vor wie der größte Trottel, ein Vollhorst, eine Doofnase. Warum?

Beim Lesen dachte ich immer: Wow! Klasse, womit die Mädels sich hier befassen müssen. Ich habe voller Neid auf alle geschaut, die komplizierte Sachverhalte lösen mußten, damit eine Akte ihren Fortgang findet.

Sowas kenne ich nämlich nicht aus meiner jetzigen Kanzlei, in der ich schon so viele Jahre bin. Ich habe mich minderwertig gefühlt, schlecht ausgebildet und ich dachte nur, mensch, Du schreibst nur Deine Bänder und das wars.

Hab dann mit meinem Chef darüber gesprochen. Weil ich dachte, bei mir läuft was schief. Ich wollte sogar kündigen, weil ich mich unfähig fühlte, den ANsprüchen in diesem Beruf zu genügen. Und Chef sagte zu mir, dass er in mir eine Person sieht, die dafür verantwortlich ist, seine Ideen, sein Wissen und seine Strategien nach außen hin umzusetzen, sei es in schriftlicher Form oder mündlich. Und diese Aufgabe würde ich hervorragend erfüllen. Ich repräsentiere die Kanzlei in seinem Sinn. Meine Schriftsätze sind so, wie er sie gerne haben möchte, der persönliche Umgang mit Mandanten, Ämtern und Behörden ist ebenfalls so, dass es in die Firmenphilosophie hineinpaßt.

Er erklärte mir, dass viele Dinge seine Aufgabe sind, er als Chef verantwortlich ist und er die letzte Instanz ist.

Wirklich beruhigt hat es mich nicht, ich habe immer noch Tage, an denen ich mich richtig doof fühle, wenn ich mal was nicht verstehe, was mein Chef mir abdiktiert, weil es neu für mich ist. Ich könnte es schreiben, nicht weiter darüber nachdenken, aber das ist nicht meine Art. Also frage ich oder lese es nach.

Und ich habe es nicht einmal hier geschrieben, sondern mehrfach, dass ich meinen Hut davor ziehe, was Euer Wissen und eure Fachkompetenz anbetrifft.

Aber so blöd kann ich vielleicht doch nicht sein, :oops: solange unser RA mir die jungen Anwälte von der Uni gibt, und sie ihre Schriftsätze mit mir durchgehen dürfen, damit die Sachen so rausgehen, wie die Chefs es haben möchten. :wink:

Ihr seht das Thema der Eigenverantwortung und des selbständigen Arbeitens hat viele Gesichter. Hätte ich seit 16 Jahren einen anderen Chef, wäre ich vielleicht auch anders geprägt worden und würde anders darüber denken. Aber man ist nunmal auch ein Produkt seiner Arbeit und seines Chefs und wenn mein Chef täglich alle WV und Fristen sehen will, und jeden Posteingang, werde ich ihn nicht davon abhalten. :wink:

Und manchmal bin ich auch froh, dass mein Chef mir sagt, wo es langgeht und ich nicht seine Probleme und Aufgaben lösen muss. Und ich bin froh, wenn mein Chef den Toner auswechselt, damit ich meine neue Bluse nicht dreckig machen muss.......wenns wieder kleckert :wink:
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Tinsche1084
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#42

11.10.2008, 20:07

Ein bißchen schade finde ich es schon!
aber als ich die postings von schneeflocke weitergelesen habe, habe ich mich doch entdeckt!
ich bin jetzt 4 jahre ausgelernt! 3 davon in dieser kanzlei!
ich würde nicht behaupten, dass ich blöd bin!
ich muss auch mitdenken, und cheffe korregieren, wenn er fehler macht!
was mir aber in letzter zeit auch auffällt, dass mir mein chef immer mehr "selbstständige" arbeit gibt!
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Pepsi
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#43

11.10.2008, 22:14

an manchen Tagen, wenn alles nervt, bin ich auch froh, wenn ich stur Band schreiben darf. Ansonsten mag ich Bänder schreiben nicht.. vielleicht auch weil ich soviele andere m.M. nach wichtigere Dinge zu tun habe; aber wenn meine Kollegin nicht da ist, muss ich halt schreiben.

Damit will ich diese "einfachen" Sachen nicht abstempeln. Im Gegenteil, meine Kollegin ist 15 Std/Woche da und ist eine ungelernte und nimmt mir halt die einfachen Sachen wie Post raussuchen, Band schreiben etc. ab, worüber ich sehr dankbar bin, weil ich halt alleine nicht alles schaffe. Und sie ist froh, dass sie mit über 50, die seit Jahrzehnten nur Hausfrau war und nebenbei geputzt hat, noch n Job gefunden hat, der ja schon anspruchsvoller ist als putzen.
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#44

11.10.2008, 22:52

Bei uns ist das so, dass ich viele Sachen nach Abschluss meiner Ausbildung übernommen habe, die vorher mein Chef erledigt hat: Erstellung von Gehaltsabrechnungen, Prüfung von Zahlungseingängen, Abrechnungen mit Mandanten etc.. Auch Schriftsätze und Schreiben fertige ich teilweise selbst (bis auf Klagen etc.), der Chef diktiert aber meistens und für unseren Azubi schreibt er alle Verfügungen auf kleine Post-Its.
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#45

12.10.2008, 01:05

also ich bin im zweiten lehrjahr
mein aufgabenbereich ist weit gefächert, man kann auch sagen, dass ich alles mache bis auch schwierige klagebegründungen oder berufungsbegründungen etc.
anfangs hatten wir noch diktate, was jetzt in kurzen texten wie machen sie mal das und das endet, also meine verantwortung ist nach oben offen
mein chef kontrolliert noch alles aber nicht mehr so gründlich, die leichten sachen, wie zum anfang
er setzt ein gewisses vertrauen in mich, was mich einerseits freut, aber wahrscheinlich nicht immer von vorteil ist.
man schlägt sich durch
durch diese erfahrungen kann man nur lernen und lernen und ich muss sagen, wenn ich mich in der berufsschule vergleiche, bin ich den meisten weit voraus, zum beispiel die rechnungen an mandanten schreib ich vom ersten tag an

also mut zur verantwortung es kann nur von vorteil sein
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#46

12.10.2008, 13:48

also am Anfang hat Chefe die Rechnungn immer diktiert und ich hab das gemacht was er gesagt hat, irgendwann hab ich ihm dann gesagt, sie brauchen sich nicht die mühe zu machen (er weiß es ja teilweise nicht und muss dann erst nachgucken..)

GLeich von Anfang an Rechnungen zu machen, finde ich zu riskant, da man sich ja nicht so auskennt..
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#47

12.10.2008, 16:32

Also, bei mir ist es auch so, dass ich die Kanzlei quasi allein schmeiße. Chef arbeitet noch in Teilzeit bei ner RSV und ist tagsüber kaum da. Er diktiert auch nicht gern. Ich schreibe sozusagen das meiste selber. Er diktiert nur schwierige Klagen und Klage- und Berufungsbegründungen und sonstige langen Schriftsätze. Den Rest mache ich komplett alleine. ZV, Rechnungen, Inso-Sachen, Unfallsachen. Die Postbearbeitung mache ich soweit ich kann auch alleine. Ich soll auch alles i.A. unterschreiben außer Rechnungen und Schreiben ans Gericht. Bin auch sehr froh, dass ich so selbstständig arbeiten kann. Ich habe schon mal in ner Kanzlei gearbeitet, wo sogar Kenntnisnahmebriefe an den Mandanten diktiert worden sind. Fand ich schrecklich.
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schneeflocke
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#48

12.10.2008, 17:11

Aber diesem selbständigen Arbeiten sind doch irgendwo auch Grenzen gesetzt.

Beispiel
Meine Chefs besprechen mit den Mandanten die Angelegenheit. Aufgrund der Infos werden dann bei uns die Schriftsätze an das Gericht/Versicherung/Behörde gefertigt. Die diktiert Chef ab, weil ich ja nicht bei den Besprechungen dabei bin und gar nicht wissen kann, was besprochen wurde und somit geschrieben werden soll.

Auch werden Unfallsachen immer mit den Anwälten besprochen. Ich könnte nicht das erste Anspruchschreiben fertigen, weil ich den Unfallhergang ja gar nicht kenne. Also diktiert Chef das wieder ab.Klar, wenn das Gutachten da ist, kann ich den Schaden beziffern, selbständig natürlich.... :wink: ..ohne Ansage vom Chef.....

Auch wenn ich Mandanten was zur Kenntnisnahme schicke (ja diktiert mein Chef ab, aber nicht weil ich zu blöd bin, dies zu tun) sondern um eine weitere Verfügung mit zu veranlassen (Besprechungstermin vereinbaren, Vorschuss einzahlen, fehlende Unterlagen einreichen, die wichtig sein könnten usw.)

Ich habe zwar gelernt hellzusehen in den letzten Jahren, aber ich sehe nicht alles in meiner Kristallkugel und bin beizeiten auf die Hinweise meines Chefs angewiesen. Manche Mandanten will er unbedingt sprechen, wenn neue Post eingeht, andere wiederum nicht.......leider habe ich kein zuverlässiges System und kein Schema, wann Chef jemanden noch mal sehen möchte und wann nicht. Also guckt er sich die Post an und diktiert dann, was Sache ist.

Auch kenne ich den Inhalt der zahllos geführten Telefongespräche nicht, die mein Chef in den einzelnen Sachen führt. Oft wird nach einem Telefongespräch ein Diktat nötig, damit die Sache weitergeht...... wie könnte ich solche Schreiben selbständig verfassen, wenn ich nicht selbst mit der Person gesprochen habe......

Offensichtlich arbeiten wir ganz anders, als es in anderen Büros gängige Praxis ist.

Klar, mache ich Schreiben ohne Diktat fertig. Ruft das Gericht an, teilt mit, dass der Termin ausfällt und verlegt wurde ...... dann schreibe ich
das dem Mandanten und informiere alle, die davon wissen müssen. Das diktiert mir Chef natürlich nicht ab (wär ja auch blöd)...... aber ich könnte wie gesagt, das meiste gar nicht schreiben, weil ich bei den Besprechungen nicht dabei bin und daher den aktuellen Sachstand nicht kenne.

Und da wir Arbeits- und Familienrecht machen, haben die Mandanten immer so viel neues zu erzählen, da kann ich nur bedingt selbständig arbeiten, denn Mandan tkommt, erzählt was bei der Rücksprache und wir fertigen daraufhin die Schriftsätze......

Wie könnte ich selbständig schreiben, wenn ich nicht weiß, dass der Gegner mal wieder die Kinder nicht pünktlich vom Wochenende nachhhause gebracht hat, oder die Frau eine Unterschrift für die Krankenkasse braucht......weil ich es eben nicht weiß, weil die RAe die Besprechungen machen und nicht ich.

Schon allein aus diesem Grunde ist mein Spielreaum für selbständiges Handeln stark eingeschränkt. Unsere Post die geschrieben wird, ist immer eine Reaktion auf das aktuelle Tagesgeschehen in den Familien und Arbeitsrechtssachen und diese Informationen tauschen Anwalt und Mandant aus.

Wir Mädels nehmen zwar Infos von Mandanten entgegen oder von anderen Anrufern, die dann auch teilweise selbst von uns bearbeitet werden...... aber das sind PillePalle Sachen, wenn ich einen Hartz IV Bescheid annehme und dann endlich den PKH Antrag komplettieren kann oder wenn ich sehe, dass Post zurück kommt und ich stelle eine EMA Anfrage....... das ist für mich alles Kleinkram, den ich erledige ohne Chef zu fragen..... aber den Löwenanteil kann ich einfach aus den o.g. Gründen nicht selbständig bearbeiten.

Und dann hab ich eben die Knöpfe im Ohr und schreibe brav mein Band.
Jeden Tag aufs neue. Aus den oben genannten Gründen. Und damit mein Chef nichts durcheinander bringt, diktiert er bei, spätestens nach jedem Mandantenbesuch /Telefongespräch alles ab.
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#49

12.10.2008, 17:18

ja aus der Kristallkugel wissen wir das auch nicht.. wie wäre es mit einer Besprechung mit Chefe?

bei Unfallsachen macht er meistens auch immer das erste Anspruchsschreiben, es sei denn der Sachverhalt ist so einfach und es geht schneller wenn ich das erledige (erst diktieren, schreiben etc.. dauert ja doppelt so lang)

und meistens wenn ich die Akten tatsächlich alleine bearbeite, weiß Chefe teilweise gar nicht wa da los ist und ich spreche direkt mit Mdt wenn er anruft..

und bezüglich der Post: wir haben einen Posteingangsstempel, der hat verschieden Kästchen, Kopie an Mdt z. Kenntnisnahme. "-" z. Stellungnahme, "-" Zahlung, dann kann man noch ein WV Datum eintragen und dann gibts unten noch vier leere Kästchen, die für die jew. Sachbearbeiter stehen, also das este Kästchen ist Chefe, das zweite ich und das dritte meine KOllegin, heißt derjenige bekommt das Schreiben, wenn die anderen Sachen erledigt sind, achja dann gibts noch zdA (zu den Akten (also abheften und weg damit).
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#50

12.10.2008, 17:36

wie wäre es mit einer Besprechung mit Chefe?
Chefs sprechen ihre Verfügungen für uns aufs Band.

Erwähnen sollte ich vielleicht, dass wir mit derzeit 8 Frauen bei uns arbeiten und wir alle ohne Ausnahme nur stundenweise/teilzeit beschäftigt sind. Es fehlt also in dem Sinne ein Ansprechpartner, der jeden Tag 8 Stunden im Büro ist.

Wenn ich also um 13.00 Uhr gehe, nach 5 Stunden Arbeit, sehe ich meine Chefs fast nie. Sie sind morgens meist bei Gericht oder bei Ortsterminen. Also muss der Austausch an Informationen über das Band geschehen, dass dann für mich da liegt, wenn ich am nächsten Tag/Morgen komme.

Ähnlich ist es bei der Mittagschicht. Dann kommen ab Mittags im halb Stunden Rythmus die Mandanten. Der eine kommt, der andere geht. Hier ist kaum Zeit für Rücksprachen, also wählt Chef auch hier das Medium Band für die Übermittlung von Infos.

Vielleicht spielt auch das eine Rolle. Auch, dass jede von uns was anderes bearbeitet-ich mache ja keine Rechnungen und keine ZV Sachen, eine andere Kollegin hingegen braucht kein Arbeitsrecht mitzumachen, da liegen nur Familiensachen für sie...... jede von uns macht andere Dinge.

Ich bin nur in der Anmeldung, die Damen im Schreibzimmer haben dann auch wieder andere Aufgabengebiete, mit denen ich mich nicht befassen muss.

Also bekommt jede von uns "sein" Bändchen.
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