Haftpflichtfall in der Kanzlei

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UlrikeK
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#1

25.05.2009, 23:01

Also: Meine Vorgängerin hat eine Berufungsbegründungsfrist nicht eingetragen, wir haben Wiedereinsetzung beantragt.

Wir haben die I. Instanz den Kläger und die Drittwiderbeklagte (seine Ehefrau) vertreten. Kl. u. Drittwid.bekl. wurden gesamtschuldnerisch verurteilt.... zu zahlen.

Berufung wurde eingelegt von meiner Kanzlei. Gegenseite hat nun die Sicherungsvollstreckung betrieben, KL. hat Summe hinterlegt, ZV ruht somit, Konten wieder frei.

Nicht, dass wir ja ohnehin auf unseren Wiedereinsetzungsantrag gespannt sind...

Jetzt schreibt am Mittwoch die Gegenseite (echt pfiffig)..."Sie haben Berufung nur für Herrn B. eingelegt, das Urteil gegen die Drittwiderbeklagte (die wir ja auch vertreten haben, seine Ehefrau) ist jedoch rechtskräftig. Zur Vermeidung der ZV soll die Drittwiderbeklagte nun den Betrag aus gesamtschuldnerischer Haftung zahlen, den ja ihr Ehemann bereits zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung hinterlegt hat." Meinem Chef ist alles entglitten, denn...ER HATTE VERSEHENTLICH DIE BERUFUNG NUR FÜR DEN KLÄGER EINGELEGT UND DABEI ÜBERSEHEN; DASS WIR JA AUCH DIE MITVERURTEILTE DRITTWIDERBEKLAGTE VERTRETEN HABEN. SCHREI...Meine Lieblingsakte, seit ich dort arbeite, liegt sie nur auf meinem Tisch, ohne jemals im Regal zu verschwinden.

Wad mach ick denn nu? Unsere Idee war, den RA der Gegenseite aufzufordern, den Originalhinterlegungsschein an uns zu übersenden, damit unser Mandant, der KL. das Geld "auslösen" kann und für seine Ehefrau, die Drittwiderbeklagte an den RA der Gegenseite zahlen kann. Er kann ja das Geld nur einmal fordern und somit hätte er es ja dann. Sofern unserem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben wird u. wir ggf. die Berufung gewinnen, würde ja die Widerklage abgewiesen werden u. die Gegenseite müsste uns das Geld erstatten, sofern sie es denn dann noch hat (aber es ist eine Wohnungsbaugesellschaft, also gute Hoffnung).

Wie verkauf ich das denn dem Mandanten, der ja ohnehin schon hoch erfreut war wegen der versäumten Begründungsfrist. Vor allem hat mein Chef jetzt Bammel, dass das KG, welches über unseren Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden hat, dann den nächsten Fehler merkt, dass Berufung nicht für beide eingelegt wurde und unseren Antrag abweist. Vielmehr hat mein Chef Bammel, dass die Gegenseite das Kammergericht darauf hinweist. Dann wäre die Berufung futsch, die Gegenseite hätte ihr Geld, mein Chef wäre arm, denn er hat eine hohe Selbstbeteiligung seiner Haftpflicht etc...

Habt Ihr eine tolle Idee? Wir dachten, wir teilen der Gegenseite mit, dass die Drittwiderbeklagte nicht mehr von uns vertreten wird, damit sie nicht auf die Idee kommen, uns noch einen Fehler nachzuweisen. Aber wie verkauf ich das dem Mandanten, dass das Urteil gegen seine Ehefrau jetzt rechtskräftig ist, er noch einmal zur Hinterlegungsstelle muss, um das Geld auszulösen und an die Gegenseite zu zahlen, SCH...verdammte.

Ich bin echt ratlos, was würdet Ihr machen, prozessual habe ich so eine Akte noch niemals gesehen, wo soviel schief ging. Vielen Dank an alle.
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romex
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#2

26.05.2009, 08:40

Tja, DU kannst da nichts machen. Dein Chef muss mit dem Mandanten reden, ihm alles erklären und den Kopf dafür hinhalten!

Des Weiteren hat die Gegenseite Recht und kann auf die Zahlung des Betrages aus einem rechtskräftigen Titel (gegen die Drittwiderbeklagte) pochen. Also: an die Gegenseite zahlen! Und ich denke im Übrigen nicht, dass ein Widereinsetzungsverfahren abgelehnt werden wird, weil ihr eine Person in der Berufung vergessen habt. Kann ich mir nicht vorstellen.

Ich hoffe, Dein Chef lässt es nicht zu sehr an Dir aus und wünsche Euch viel Erfolg beim "Geradebiegen". Bitte berichte wieder, wie das ausgegangen ist!
Liebe Grüße,
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Grübchen
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#3

26.05.2009, 09:20

Da sollte Dein Chef die Akte nur zur persönlichen Chefakte erklären und den Mandanten besonders zuvorkommend behandeln. Ist nicht Deine Aufgabe.

Zuerst mal dem Mandanten nix verschweigen, bringt nur neuen Ärger. Ihm erklären, dass notfalls die Haftpflicht des Anwalts dafür aufkommt, dadurch wird der Puls schon mal flacher.

Dein Chef muss das schnellstmöglich regeln. Warum das Gericht die Wiedereinsetzung zurückweisen sollte, weil Ihr die Ehefrau vergessen habt, ist mir jetzt auch nicht ganz klar. Denke ich auch nicht.

Ich bin seit 26 J. in dem Job und hattr sowas schon das ein oder andere Mal. Ich glaub jeder Anwalt ist einmal im Leben dran. Dafür gibts die Versicherungen sowas kann passieren. Ich nenn sowas Montagsakten, da geht meist schon bei der Anlage der Akte was schief und das zieht sich bis zu Ablage durch.

Du hast beide Möglichkeiten ja schon aufgeführt, Dein Chef sollte mit dem Mandanten beide Ideen durchsprechen und dann mit ihm eine Entscheidung treffen.
LG Grübchen
UlrikeK
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#4

03.11.2009, 09:41

ALSO...Wiedereinsetzungsantrag wurde stattgegeben, Berufung vollumfänglich gewonnen, hinterlegte Beträge gehen an unseren Mandanten zurück u. die Kosten erhält er auch noch erstattet...Puh...Danke für Eure Beiträge.
BabyBen

#5

03.11.2009, 10:14

@ Grübchen:

Toi toi toi, aber so lange bin ich auch noch nicht dabei.

Mein Kollege meinte mal, in dem Moment, in dem man sein Kanzleischild raushängt, hat man schon den ersten Haftpflichtfall. Da ist viel dran.
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Kasimir1603
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#6

03.11.2009, 10:27

@UlrikeK

Mensch supi, hat ja doch noch hingehauen :) Gut, dass es geklappt hat.
Ciao Kasi

Wenn Liebe einen Weg zum Himmel fände und Erinnerungen zu Stufen würden,
dann würden wir hinaufsteigen und dich zurück holen, denn die Lücke die du hinterlässt, lässt sich nicht schließen.
(in Erinnerung an unseren "Lord Stinkefuß" Sammy)





Mit Semmelbrösel in den Socken bleibt selbst der größte Schweißfuß trocken

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