ZV aus arbeitsgerichtl. Vergleich / Formulierung zum Haareraufen

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
Pitt
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#1

29.01.2024, 15:02

Ich habe hier einen Vergleich, mit dem sich der Arbeitgeber "verpflichtet, für den Monat Juni brutto € ... zu zahlen. Er wird den Betrag ordnungsgemäß abrechnen, die sich daraus ergebenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß abzuführen und den sich daraus ergebenden Nettobetrag vorbehaltlich etwaiger Ansprüche Dritter an den Kläger auszahlen."
Daneben verpflichtet sich der Arbeitgeber, die Urlaubsansprüche i. H. v. brutto € x ordnungsgemäß abzurechnen. Dort gibt es keine Einschränkung, dass der Nettobetrag vorbehaltlich etwaiger Ansprüche Dritter an den Kläger ausgezahlt wird.
Jetzt hat der Arbeitgeber die Lohnabrechnungen erteilt, aber keinen Cent überwiesen. Ich sitze hier vor dem Vergleich und denke, dass der 1. Punkt (Lohnzahlung für Juni 2023) so wie formuliert nicht vollstreckbar ist wegen dieser beknackten Einschränkung, dass "vorbehaltlich etwaiger Ansprüche Dritter" der Lohn ausgezahlt wird. Das kann weder der GVZ noch das Vollstreckungsgericht überprüfen. Ich weiß nicht, was mein Chef sich dabei gedacht hat, so einen Vergleich abzunicken.
Ich denke, dass ich nur die Zahlung der Urlaubsansprüche (netto entsprechend der dem Mandanten vorliegenden Abrechnung) einleiten kann.

Ach ja, den ebenfalls durch Vergleich titulierten Zeugnisanspruch hat der Arbeitgeber natürlich auch nicht erfüllt, da müsste ich dann ja nach § 888 ZPO mittels Zwangsgeldfestsetzung vollstrecken. :heul
Da ich nur einen Titel habe, womit würdet Ihr anfangen?
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icerose
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#2

29.01.2024, 15:18

Ich würde es ehrlich gestanden versuchen, auch den Lohn Juni 23 mit zu vollstrecken. Mehr als das es vielleicht nicht durchgeht (das ist dann ein schönes Beispiel für den Boss), kann nicht passieren. Also erstmal Forderungspfändung, das Zeugnis später.

Oder du besorgst dir für die gleichzeitige Vollstreckung ne zweite vollstreckbare Ausfertigung.
Mit mir kann man Pferde stehlen ... aber morgen bringen wir sie zurück :!:
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paralegal6
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#3

29.01.2024, 15:20

Die Ansprüche Dritter müsste AG dann doch nachweisen? Wenn der Mandant keinen Pfüb oä hat dürften solche auch nicht bestehen. Ausserdem müsste AG dann ggü dem Gerichtsvollzieher das beanstanden
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#4

29.01.2024, 15:44

Ich habe mir jetzt noch mal die ganzen Akten angesehen (waren insgesamt 3 Kündigungsschutzverfahren). Es gab im Vorfeld schon mal einen Vergleich, der aber widerrufen worden ist und dort war diese Einschränkung mit Ansprüchen Dritter nicht drin. Ich weiß nur, dass der Arbeitgeber (Bank) dem Mitarbeiter vorgeworfen hat, dass er fehlerhaft gearbeitet habe. Der Vorwurf stand immer nur im Raum, wurde aber nie näher ausgeführt, geschweige denn betragsmäßig konkretisiert oder bewiesen. Im Vergleich hat sich der Arbeitgeber "die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche" gegen den Arbeitnehmer vorbehalten. Ich habe mir jetzt noch mal einen BAG-Urteil aus 2020 (Az. 5 AZR 101/19) angesehen. Da ist die Formulierung fast identisch und da hat das BAG gesagt, dass mit der Formulierung "vorbehaltlich auf Dritte übergegangener Ansprüche" berücksichtigt wird, dass der Arbeitnehmer in Bezug auf diese Ansprüche gem. § 115 SGB X nicht mehr Forderungsinhaber ist und deshalb auch vom Arbeitgeber keine Zahlung verlangen kann. Zwischen Kündigung und Verfahrensende war der Arbeitnehmer längere Zeit krankgeschrieben.

Ich höre das Kichern des gegnerischen Anwalts bis hier :frust

Chef ist zum Termin, ich habe ihm jetzt eine Notiz hingelegt.
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#5

29.01.2024, 17:09

Der Arbeitgeber wäre ja aber nicht Dritter sofern es um schlechte Arbeitsleistung geht

Bezieht euer Mandant denn zurzeit Leistungen vom Jobcenter oä?
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#6

30.01.2024, 06:46

Im Monat Juni war der Mandant arbeitsfähig, was der Arbeitgeber aber im Prozess bestritten hat, weil er angeblich gehört habe, der Mandant sei nervlich am Ende. Gerüchteküche halt, wobei der Arbeitgeber schon einige Mobbingmoves drauf hatte. Es gibt für Juni keine AU-Bescheinigung. Ich vermute, "Dritter" bezieht sich tatsächlich auf das Arbeitslosengeld. Seit dem Herbst hat der Mandant eine neue Stelle. Die Frage ist, wie weise ich in der ZV nach, dass der Lohnanspruch für Juni besteht? Steht da überhaupt der Weg über eine eidesstattliche Versicherung des Mandanten offen oder haut mir der GVZ bzw. das Vollstreckungsgericht die um die Ohren, weil das nur im Erkenntnis- u. nicht im ZV-Verfahren geprüft werden kann? Gegner hat den Nettobetrag gemäß Gehaltsabrechnung lt. Mandant auf einem anderen Konto "geparkt". Uns gegenüber hat sich sein RA dazu nicht geäußert und weshalb der Zeugnisanspruch nicht erfüllt wird, ist ebenfalls ungeklärt.
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#7

30.01.2024, 08:06

Nachtrag: Habe jetzt noch mal die ganzen Schriftsätze der Gegenseite wegen des Juni-Gehaltes durchgesehen und der Arbeitgeber behauptete tatsächlich in einem der letzten Schriftsätze vor dem Vergleich, dass der Mandant im Juni Krankengeld bezogen habe und bezieht sich dabei allein auf das ihm zugetragene Gerücht, dass der Mandant nervlich nicht in der Lage gewesen sei, im Juni zu arbeiten.
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#8

30.01.2024, 09:19

ich sehe da eher den Arbeitgeber beweisbelastet dafür dass es Dritte geben soll. Krankengeld bekommt man doch erst nach 6 Wochen, er hätte dann seit April/Mai krankgeschrieben sein müssen
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#9

30.01.2024, 09:39

Der Mandant war tatsächlich ab April krankgeschrieben bis zum 31.05. und dann gab es noch eine Krankschreibung für die letzte Juni-Woche.
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#10

30.01.2024, 11:09

wenn er zwischendurch gearbeitet hat laufen die 6 Wochen doch wieder von vorne oder nicht? ansonsten gibts hier ein Urteil, was man zukünftig im Hinterkopf haben sollte AZ: 2 Sa 203/22 LAG SH
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