Arbeitsrecht: Abrechnung und Zeugnis

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
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nulpe
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#1

10.01.2023, 11:59

Hallo,
ich bin Reno und habe einen arbeitsrechtlichen Vergleich, bei dem mir das Gericht eine vollstreckbare Ausfertigung verweigert wegen (angeblicher) Unbestimmtheit. Was kann ich tun? Die Gegenseite erfüllt nicht. Die Schuldnerschonfrist ist seit 1 Monat abgelaufen. Der (vom Richter formulierte) Vergleich hat folgenden Wortlaut:

"1. Der Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis für die Zeit bis zum 30. November 2022 ordnungsgemäß ab unter Berücksichtigung bereits erfolgter Zahlungen und zahlt den sich daraus ergebenden Betrag an den Kläger aus.
2. Der Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis mit der Note 'gut', welche sich durchgehend im Zeugnis widerspiegelt"

Zur Begründung sagt das Gericht, dass Nr. 1 keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe aus mehreren Gründen. Zunächst sei durch "bis zum" nicht klar, ab wann abgerechnet werden müsse. Außerdem seien bereits erfolgte Zahlungen zu berücksichtigen, wobei unklar sei in welcher Höhe. Nr. 2 habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, weil eine Note unbestimmt sei.

Nach längeren telefonischen Diskussionen wurde eine vollstreckbare Ausfertigung beschränkt auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses erteilt, im Übrigen aber nicht. Wie ihr euch vorstellen könnt, ist Nr. 1 aber wichtiger. Es sind 6 Monate nicht abgerechnet und nicht gezahlt. Ich stelle mir die Frage, ob Nr. 1 wirklich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat oder zu unbestimmt ist. Wenn ein Schuldner zur Zahlung eines bestimmten Betrages verurteilt wurde, dann wird doch auch dann eine unbeschränkte vollstreckbare Ausfertigung erteilt, wenn er bereits eine Teilzahlung geleistet hat. Wenn bei der Abrechnung nun bereits erfolgte Zahlungen zu berücksichtigen sind, sehe ich das nicht anders. Das gleiche müsste doch für den Zeitraum gelten. Wenn sagen wir mal bis April 2022 schon abgerechnet wurde, kann der Schuldner das bei der Zwangsvollstreckung doch genauso entgegen halten wie eine bereits erfolgte Zahlung. Meines Erachtens ist es nicht Aufgabe des Gerichts, hier nun "einzusteigen" und die Zwangsvollstreckung zu beschränken bzw. unmöglich zu machen. Stand ist aber, dass sie mir keine weitere vollstreckbare Ausfertigung ausstellen wollen. Ich muss nun also irgendetwas handfestes erwidern.

Das ganze ist natürlich auch dringlich. Der Kläger hat seit über einem halben Jahr keinen Lohn erhalten und kann mangels Abrechnung auch kein Arbeitslosengeld erhalten.

LG
Nulpe
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jojo
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#2

10.01.2023, 12:32

Tja, das ArbG hat da Recht. BAG, 5 AZR 395/99.

Da hilft nur eine bezifferte, neue Klage.
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nulpe
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#3

10.01.2023, 14:46

Danke für die schnelle Antwort. Ich habe das genannte Urteil gelesen und auch verstanden. Hier geht es um die Frage, ob eine Leistungsklage zulässig und begründet ist, was mangels Bestimmbarkeit nicht der Fall war. Das erscheint mir klar. Sind die Gedanken zur Bestimmbarkeit aber 1:1 übertragbar auf die Zwangsvollstreckung? Es handelt sich um einen Vergleich, der in zweiter Instanz geschlossen und vom Vorsitzenden Richter formuliert wurde. In erster Instanz gab es ein Urteil, in welchem der Beklagte (mit obigem Wortlaut) verurteilt wurde bis Mai 2022 abzurechnen und auszuzahlen. Das Arbeitsgericht hatte damals von Amts wegen und noch vor Rechtskraft eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils ausgestellt, woraufhin der Beklagte anstandslos bis Mai 2022 abgerechnet hat. Wir haben also ein gerichtsbekannt abgerechnetes Arbeitsverhältnis bis Mai 2022. Der Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht hat somit +6 Monate gebracht. Ist es tatsächlich trotzdem ein "Pech gehabt"? Der Vergleich ist damit vollkommen wertlos, sodass sich natürlich auch die Frage nach einer Pflichtverletzung des Gerichts stellt. Ich habe mal gehört, dass Richter darauf hinwirken müssen, dass Vergleiche einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben. Ein so plumper Fehler kann einem LAG-Richter doch kaum unterlaufen sein...
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#4

11.01.2023, 08:15

Mh, vor dem LAG sind auch zwei Anwälte dabei: Die sollten schon wissen, was sie machen (hat vielleicht der eine auch gewusst).

Hinwirken bedeutet nicht, dass ein Richter die Einigung hinbiegen muss. Was die Parteien vereinbaren, ist deren freier Wille.

Und ich lehne hier reihenweise VAs ab.
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