verjährte Zinsen vollstrecken: Gefahr Vollstreckungsabwehrklage?

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
mistral

#1

28.08.2022, 17:30

Wir haben einen 20 Jahre alten Titel, den wir für unseren Mandanten vollstrecken sollen.
Von der Hauptforderung sind nur noch 10 Euro offen (nicht bezahlt).

Von den laufenden Zinsen sind ja die Zinsen der letzten 17 Jahre bereits verjährt. Nur die Zinsen der letzten 3 Jahre sind noch nicht verjährt.

Wenn wir jetzt alle Zinsen der letzten 20 Jahre vollstrecken, riskieren wir dann, dass der Schuldner eine Vollstreckungsabwehrklage gegen unseren Mandanten erhebt und unser Mandant dann die ganzen Kosten der Vollstreckungsabwehrklage bezahlen muss?

Das würden wir gerne vermeiden.

Der Schuldner kann die Einrede der Verjährung ja beim Gerichtsvollzieher erheben.
Ist eine Vollstreckungsabwehrklage wegen verjährten Zinsen überhaupt möglich? Weil der Schuldner kann ja beim Gerichtsvollzieher die Einrede der Verjährung erheben.
...
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#2

28.08.2022, 20:31

mistral hat geschrieben:
28.08.2022, 17:30
Der Schuldner kann die Einrede der Verjährung ja beim Gerichtsvollzieher erheben.
Die Einrede der Verjährung ist als materiell-rechtlicher Einwand im Vollstreckungsverfahren unzulässig und wird vom Gerichtsvollzieher daher nicht beachtet werden.
mistral hat geschrieben:
28.08.2022, 17:30

Ist eine Vollstreckungsabwehrklage wegen verjährten Zinsen überhaupt möglich?
Ja natürlich. Das ist der vorgesehenene Rechtsschutz für den Schuldner in diesem Fall.
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#3

29.08.2022, 08:22

Wann wurde denn aus dem Titel das letzte mal vollstreckt? Hinweis: Verwirkung
mistral

#4

31.08.2022, 16:03

[/quote]
Ja natürlich. Das ist der vorgesehenene Rechtsschutz für den Schuldner in diesem Fall.
[/quote]

Sind die anderen hier auch der Meinung, dass der Schuldner Vollstreckungsabwehrklage erheben kann, wenn wir in unserer Forderungsaufstellung die titulierten Zinsen der letzten 20 Jahre fordern?

Weil das wundert mich sehr.

Es ist ja Standard, dass der Gläubiger vom Schuldner erstmal alles fordert, was er laut Titel fordern darf.
Das wird doch von den Anwälten und Inkassobüros ständig so gemacht!
Aber dann müssten die Schuldner ja ständig Vollstreckungsabwehrklage erheben, was sie jedoch nicht tun!

2)
Ich hatte hier mal folgenden Fall vor mir liegen:
Der Titel war 15 Jahre alt. Davon waren die laufenden Zinsen (5% über Basiszins) der letzten 12 Jahre verjährt. Wir hatten trotzdem alle Zinsen der letzten 15 Jahre gefordert und in der Forderungsaufstellung an den Gerichtsvollzieher gefordert.
Der Schuldner hat dann beim Gerichtsvollzieher die Einrede der Verjährung erhoben. Dies steht so im Vollstreckungsprotokoll. Der Gerichtsvollzieher hat dann auf die Zinsen der letzten 12 Jahre verzichtet! Der Schuldner hat dann nur die Zinsen der letzten 3 Jahre bezahlt!

Gemäß deiner Aussage hat der Gerichtsvollzieher hier aber einen großen Fehler gemacht, weil er hätte die Einrede der Verjährung vom Schuldner gar nicht beachten dürfen, oder?
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#5

01.09.2022, 08:13

mistral hat geschrieben:
31.08.2022, 16:03
Es ist ja Standard, dass der Gläubiger vom Schuldner erstmal alles fordert, was er laut Titel fordern darf.
Das wird doch von den Anwälten und Inkassobüros ständig so gemacht!
Aber dann müssten die Schuldner ja ständig Vollstreckungsabwehrklage erheben, was sie jedoch nicht tun!
Nur weil etwas Standard ist, ist es noch lange nicht sinnvoll oder legal.
mistral hat geschrieben:
31.08.2022, 16:03

Gemäß deiner Aussage hat der Gerichtsvollzieher hier aber einen großen Fehler gemacht, weil er hätte die Einrede der Verjährung vom Schuldner gar nicht beachten dürfen, oder?
So ist es. Der GV kann auch gar nicht feststellen, ob die Verjährung nicht gehemmt wurde oder gar neu begonnen hat. Schon gar nicht ohne den Gläubiger anzuhören.
Diese Prüfung obliegt dem für die Vollstreckungsabwehrklage zuständigen Prozessgericht.
mistral

#6

01.09.2022, 09:49

OK.

Sind denn die anderen hier auch der Meinung, dass das so ist?

Danke.
mistral

#7

08.09.2022, 21:29

Danke erstmal.

Wie macht ihr das denn in einem Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher?:

Gebt ihr in der Forderungsaufstellung nur die laufenden Zinsen der letzten 3 Jahre an oder alle laufenden Zinsen der letzten 10 Jahre?
Weil dann riskiert ihr ja immer eine teure Vollstreckungsabwehrklage gegen euren Mandanten. Und der Mandant weiß ja gar nicht, dass er dieses Risiko hat, wenn ihr den Vollstreckungsauftrag für die Zinsen der letzten 10 Jahre erteilt.
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#8

09.09.2022, 10:28

mistral hat geschrieben:
08.09.2022, 21:29
Danke erstmal.

Wie macht ihr das denn in einem Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher?:

Gebt ihr in der Forderungsaufstellung nur die laufenden Zinsen der letzten 3 Jahre an oder alle laufenden Zinsen der letzten 10 Jahre?
Weil dann riskiert ihr ja immer eine teure Vollstreckungsabwehrklage gegen euren Mandanten. Und der Mandant weiß ja gar nicht, dass er dieses Risiko hat, wenn ihr den Vollstreckungsauftrag für die Zinsen der letzten 10 Jahre erteilt.
Wie wärs, den Mandanten über das Risiko aufzuklären und ihm die Entscheidung zu überlassen?
Milchreis schmeckt ganz vorzüglich, wenn man ihn kurz vor dem Verzehr durch ein saftiges Steak ersetzt.
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#9

09.09.2022, 15:08

Sehe ich das richtig dass die HF nur 10€ sind? Dann dürften ja kaum Zinsen entstanden sein, oder wie wurden ZE verbucht? 367 bgb?
Wenn wirklich 15 Jahre nicht vollstreckt wurde sehe ich das wie Tigerle
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mistral

#10

10.09.2022, 11:43

Es sind viele Zinsen entstanden, weil erst jetzt nach 20 Jahren erstmals auf den Titel bezahlt wurde.

Genau; die Verbuchung der Zinsen ist das Thema.

Wir haben es folgendermaßen gemacht:
Der Titel ist 20 Jahre alt. Wir haben jetzt nach 20 Jahren im Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher angekreuzt:
"Teilforderung" XXX Euro.
Wir haben also jetzt nach 20 Jahren in der Teilforderung einen Betrag vollstreckt, der "zufälligerweise" fast so hoch ist wie die Hauptforderung.
Diese Teilforderung wurde jetzt bezahlt.
Aber: Die ganzen Zinsen über die 20 Jahre sind noch offen!!

Am besten wäre es ja, wenn wir die bezahlte Teilforderung mit der Zahlung auf die Zinsen der letzten 20 Jahre aufrechnen können. Geht das?
Laut § 367 BGB müsste das doch gehen, oder?

Sollen wir dem Schuldner eine Aufrechnungserklärung zusenden, dass wir seine bezahlte Teilforderung mit den (verjährten) Zinsen der letzten 20 Jahre aufgerechnet haben und die Hauptforderung daher noch offen ist?

Die Verwirkung können wir bitte erstmal vergessen. Es fehlt das dafür zwingend notwendige Umstandsmoment. Außerdem müsste der Schuldner erstmal den Einwand der Verwirkung erheben, was er aber nicht getan hat.
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