Aufforderung zur Rücknahme der Pfändung durch InsoVerwalter

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
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Sanya
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#1

12.03.2021, 17:09

Hallo zusammen,

ich hätte gerne eure Meinung zu meinem Schreiben an eine Insolvenzverwalterin.

Folgender Sachverhalt: Wir haben vor Jahren das Konto einer Schuldnerin (natürliche Person) gepfändet. Nun ist über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Insolvenzverwalterin verlangt nun schriftlich von uns, die Kontopfändung zurückzunehmen. Ich kenne mich nicht gut aus mit Insolvenzsachen, habe mich aber etwas eingelesen. Könnt ihr bitte mal schauen, ob das eurer Meinung nach stimmt, was ich da von mir gebe:

"bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom ... teilen wir mit, dass wir nicht beabsichtigen, die Kontopfändung zurückzunehmen. Unseres Erachtens besteht hierauf auch zum jetzigen Zeitpunkt kein Anspruch.

Wir gehen davon aus, dass die Drittschuldnerin Kenntnis von dem laufenden Insolvenzverfahren hat und entsprechend der gesetzlichen Regelungen während des laufenden Insolvenzverfahrens keine Pfändungen vornehmen wird. Des Weiteren versichern wir, während der Laufzeit des Insolvenzverfahrens nicht die Umsetzung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses von der Drittschuldnerin zu verlangen.

Gerne prüfen wir die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Pfändung auf Verlangen der Schuldnerin erneut nach Erledigung des Insolvenzverfahrens."

Den letzten Satz habe ich reingenommen, weil wir schonmal einen Schuldner hatten, der nach Abschluss des Verfahrens selbst Kontakt zu uns aufgenommen und die Aufhebung der Pfändung verlangt hat. Das finde ich auch gut und richtig so, denn ich möchte eigentlich nicht den Verlauf des Insolvenzverfahrens überwachen, zumal wir gar nicht für die Vertretung im Insolvenzverfahren mandatiert sind.

Danke schonmal für Eure Hilfe!

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#2

13.03.2021, 14:07

Moin Moin,

diese Frage eigentlich einfache Frage geht nun aber ganz tief ins Insolvenzrecht rein. Zunächst wäre m.E. nach zu klären, um was für ein Konto es sich überhaupt gehandelt hat, in das ihr vollstreckt habt. Normale Konten erlöschen gem. §§ 115, 116 InsO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. natürlich nicht das Konto sondern der zu Grunde liegende Geschäftsbesorgungsvertrag. Die Banken gehen natürlich nicht hin und löschen das Konto und machen ein neues unter einer anderen Nummer auf sondern das Konto wird eigentlich ganz simpel weitergeführt. Juristisch wird aber wohl ein neuer Vertrag abgeschlossen. Die Rechte des Schuldner gegen die Bank aus diesem neuen Vertrag sind aber nicht mehr gepfändet. Die alte Pfändung würde also ins Leere gehen.

So, nun zum aber hier wahrscheinlicheren Fall, nämlich, dass es sich um ein Pfändungsschutzkonto handelt. Das Pfändungsschutzkonto erlischt nicht mit Insolvenzeröffnung, hat der BGH irgendwann mal total systemwidrig entschieden, aber dafür ist er ja der BGH. Die auf dem Konto liegende Pfändung bleibt also erst einmal mit I.E. weiter bestehen. Nun werden mit einer Pfändung in aller Regel auch die künftig entstehenden Forderungen gepfändet. Alles was zukünftig kommt ist klassischer Neuerwerb, kann also nach § 89 InsO nicht mehr von der Pfändung umfasst werden. Was innerhalb von drei Monaten vor Insolvenzantragstellung entstanden ist, wird von der erweiterten Rückschlagssperre des § 88 InsO erfasst bzw. ist mindestens einmal anfechtbar nach § 131 InsO. Zeiträume davor stehen dagegen dem Gläubiger zu, hier ist eine Anfechtung in aller Regel nicht mehr möglich. Nun kommt aber das große Aber. Ein Pfändungspfandrecht entsteht zwar nach Insolvenzeröffnung nicht, wohl aber besteht eine öffentlich-rechtliche Verstrickung (BGH, ZIP 2017, 2016 Rn. 15; KPB-Lüke § 89 Rn. 21; Uhlenbruck-Mock § 89 Rn. 42). Daher kann einem Dritten (also hier euch dem Gläubiger) wirksam durch Hoheitsakt das Eigentum zugewiesen werden. Um die Folgen der unzulässigen Zwangsvollstreckung zu beseitigen, muss die Pfändungsmaßnahme aufgehoben werden; eine bloße Einstellung der Zwangsvollstreckung genügt dagegen nicht (Ahrens / Gehrlein / Ringstmeier, Insolvenzrecht Kommentar, 4. Auflage 2020, § 89 InsO, Rn. 36 mit Verweis auf AG Essen 01.08.2018, 163 IK 206/15, ZIP 2018, 1941 (1942 f.); AG Göttingen 26.10.2018, 74 IK 155/18, NZI 2019, 82 f.). Da aber kein Pfändungspfandrecht mehr begründet werden kann, fehlt im Falle der Auskehr des Erlöses an den Gläubiger der Rechtsgrund, so dass § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB erfüllt ist.

Zumindest den Punkt bzgl. der Einstellung der ZV finde ich etwas praxisfremd und auch nicht gänzlich überzeugend, das AG Essen führt aus, es läge für dieses Vorgehen keine gesetzliche Grundlage vor. Naja, ich der Gläubiger kann ja im Wesentlichen frei entscheiden, was ich mit meinem Recht mache ich kann es weiter durchsetzen oder aber darauf verzichten, dann müsste eigentlich auch eine Ruhendstellung möglich sein, aber zumindest hat mit AG Göttingen ja ein halbwegs bekanntes Insolvenzgericht dies bejaht. Diesen Punkt könnte man aber durchaus noch einmal vor Gericht streitig stellen.

In aller Regel kann es euch dem Gläubiger aber auch egal sein. Solange der Insolvenzverfahren läuft stehen etwaige Erlöse euch nicht zu, danach wird die RSB erteilt, dann gibt es eh nichts. Sollte die RSB versagt werden, was äußerst selten gefühlt mal passiert (vielleicht 1:100) dann könnte wieder aus dem alten Titel vollstreckt werden. Aber dann kannst Du auch einfach fix neu pfänden. Ich würde also eher versuchen meine Forderung als solche aus unerlaubter Handlung anzumelden (dann nimmt sie nicht an der RSB teil), wenn das nicht möglich ist, ggfls. den Schuldner genau überwachen und wenn möglich Versagungsanträge stellen. Alles insgesamt nicht schön und sehr kompliziert, ich weiß.

Kommt ihr dem Verlangen des Verwalters nicht nach, könnte dieser eben theoretisch das Insolvenzgericht einschalten und Aufhebung der Pfändungsmaßnahme beantragen, ob dafür dann Kosten von der Gegenseite zu tragen sind, weiß ich nicht, hat mich früher nie interessiert, gefühlt ist nie was gekommen. Rein praktisch würde ich dennoch den Telefonhörer in die Hand nehmen und kurz das was Du geschrieben hattest mündlich abklären, meist sind Verwalter und Bank damit einverstanden, wenn die Pfändung ruhend gestellt wird. Dann kannst Du im Falle der Versagung der RSB wieder vollstrecken IV bekommt aber jetzt sein Geld.

So weit so kurz :).
Sanya
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#3

15.03.2021, 08:58

Danke Einmaleins für Deine ausführliche Antwort! Toll erklärt!

Wie Du schon schreibst ist es offenbar nicht so einfach. Ich habe jetzt meinen Chef gebeten, dass er sich selbst mit der Insolvenzverwalterin in Verbindung setzt. Die sollen das von Anwalt zu Anwalt ausmachen.

Danke!
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