Hallo zusammen,
ich darf mich jetzt verstärkt mit dem Zwangsvollstreckungsrecht beschäftigen und wollte mal fragen, ob ich das so richtig verstanden habe.
Nach einem rechtskräftigen Urteil muss der Schuldner grundsätzlich ohne weitere Aufforderung zahlen. Wenn trotzdem zur Zahlung aufgefordert wird, fällt sofort die 0,3 VG Nr. 3309 an, der Schuldner muss diese aber nur erstatten, wenn seit Zustellung des Urteils und Rechtskraft zwei Wochen vergangen sind, § 788 ZPO. Der Schuldner darf nur an den Rechtsanwalt zahlen, wenn der nicht nur eine Prozessvollmacht, sondern auch eine zusätzliche Vollmacht vorlegt hat.
Stimmt das so?
Und was ist, wenn der Rechtsanwalt keine Vollmacht zur Zahlung vorgelegt hat und die Bankverbindung des anderen erst in der Zahlungsaufforderung mitgeteilt wird? Ich hätte gesagt, dass die Kosten dann noch nicht erstattungsfähig sind, eine Freundin meint, dass der Schuldner ja in den zwei Wochen zum Gläubiger persönlich gehen könnte und bar zahlen kann und damit ist auch die Gebühr sofort erstattungsfähig. Wer von uns hat Recht?
Sorry für die vielen Fragen, aber wir müssen uns das alles daheim erarbeiten und können nicht in der Berufsschule fragen, weil da nichts digital funktioniert...
Vorgehensweise nach Titulierung bis zum Vollstreckungsbeginn
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Nicht ganz.Refa-99 hat geschrieben: ↑11.01.2021, 17:50Nach einem rechtskräftigen Urteil muss der Schuldner grundsätzlich ohne weitere Aufforderung zahlen. Wenn trotzdem zur Zahlung aufgefordert wird, fällt sofort die 0,3 VG Nr. 3309 an, der Schuldner muss diese aber nur erstatten, wenn seit Zustellung des Urteils und Rechtskraft zwei Wochen vergangen sind, § 788 ZPO. Der Schuldner darf nur an den Rechtsanwalt zahlen, wenn der nicht nur eine Prozessvollmacht, sondern auch eine zusätzliche Vollmacht vorlegt hat.
Stimmt das so?
Es gibt nur ein paar bestimmte Titel, aus denen erst nach Ablauf einer Wartefrist von zwei Wochen vollstreckt werden darf.
Dies sind insbesondere folgende:
Anwaltsvergleich
Kostenfestsetzungsbeschluss
vollstreckbare notarielle Urkunden
Wurde die Wartefrist eingehalten, ist die 3309 erstattungsfähig.
Aus anderen Titeln wie dem Vollstreckungsbescheid oder Versäumnisurteil ist die Zwangsvollstreckung sofort möglich - also ist auch die 3309 erstattungsfähig.
Zur Vollmacht des Anwalts:
Die zusätzliche Vollmacht, die du meinst, heißt Geldempfangsvollmacht. Diese muss (meiner Meinung nach) nicht zwingend vorgelegt werden, es genügt, wenn der RA das Vorliegen anwaltlich versichert. In sehr vielen Vollmachten für Anwälte ist der Passus direkt mit enthalten.
Hier hat deine Freundin Recht - der Schuldner ist gehalten, von sich aus zu zahlen. Wenn er nicht bar zahlen will, hat er sich darum zu kümmern, wohin gezahlt werden soll. Wenn der Schuldner auf die Zahlungsaufforderung wartet, hat er selbstverständlich die dafür entstehenden Kosten zu tragen.Refa-99 hat geschrieben: ↑11.01.2021, 17:50Und was ist, wenn der Rechtsanwalt keine Vollmacht zur Zahlung vorgelegt hat und die Bankverbindung des anderen erst in der Zahlungsaufforderung mitgeteilt wird? Ich hätte gesagt, dass die Kosten dann noch nicht erstattungsfähig sind, eine Freundin meint, dass der Schuldner ja in den zwei Wochen zum Gläubiger persönlich gehen könnte und bar zahlen kann und damit ist auch die Gebühr sofort erstattungsfähig. Wer von uns hat Recht?
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Okay, danke schon mal, das hat mir schon geholfen!
https://www.haufe.de/recht/deutsches-an ... 52833.html
Im Extremfall kann man also einen Tag nach der Zustellung direkt die Zahlung anmahnen und dann die Gebühr dafür erstattet bekommen (auch wenn das natürlich nicht kollegial ist)?
Versteh ich das richtig, dass die Gebühr dann nicht erstattungsfähig ist, wenn der Schuldner nach dem Urteil von sich aus fragt, wohin er die Zahlung überweisen soll und dann vor oder zeitgleich mit der Antwort die Zahlung angemahnt wird? Dann hat sich der Schuldner ja um die Zahlung bemüht.icerose hat geschrieben: ↑12.01.2021, 09:07Hier hat deine Freundin Recht - der Schuldner ist gehalten, von sich aus zu zahlen. Wenn er nicht bar zahlen will, hat er sich darum zu kümmern, wohin gezahlt werden soll. Wenn der Schuldner auf die Zahlungsaufforderung wartet, hat er selbstverständlich die dafür entstehenden Kosten zu tragen.
Vielleicht übersehe ich was, aber soweit ich weiß, ist es nicht empfehlenswert, ohne Aufforderung direkt an den Anwalt zu zahlen, selbst wenn er eine Vollmacht vorgelegt hat, weil dann wiederum die Hebegebühr erstattungspflichtig ist. Dh der Schuldner muss quasi warten, bis er zur Zahlung aufgefordert wird. Hat er dann nur die Wahl, ob er die Hebegebühr zahlt (bei Überweisung ohne Aufforderung) oder die 0,3 VG Nr. 3309 (mit Aufforderung)? Das erscheint mir komisch...icerose hat geschrieben: ↑12.01.2021, 09:07Zur Vollmacht des Anwalts:
Die zusätzliche Vollmacht, die du meinst, heißt Geldempfangsvollmacht. Diese muss (meiner Meinung nach) nicht zwingend vorgelegt werden, es genügt, wenn der RA das Vorliegen anwaltlich versichert. In sehr vielen Vollmachten für Anwälte ist der Passus direkt mit enthalten.
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Korrekt.
In so einem Fall (der aber praktisch nicht oft vorkommt) entsteht mangels einer Zahlungsaufforderung keine Gebühr.Refa-99 hat geschrieben: ↑12.01.2021, 10:47Versteh ich das richtig, dass die Gebühr dann nicht erstattungsfähig ist, wenn der Schuldner nach dem Urteil von sich aus fragt, wohin er die Zahlung überweisen soll und dann vor oder zeitgleich mit der Antwort die Zahlung angemahnt wird? Dann hat sich der Schuldner ja um die Zahlung bemüht.
Da musste ich jetzt erstmal selber lesen, weil ich das mit der Hebegebühr gar nicht auf dem Schirm hatte (mein Chef rechnet die nämlich nie ab).Refa-99 hat geschrieben: ↑12.01.2021, 10:47Vielleicht übersehe ich was, aber soweit ich weiß, ist es nicht empfehlenswert, ohne Aufforderung direkt an den Anwalt zu zahlen, selbst wenn er eine Vollmacht vorgelegt hat, weil dann wiederum die Hebegebühr erstattungspflichtig ist. Dh der Schuldner muss quasi warten, bis er zur Zahlung aufgefordert wird. Hat er dann nur die Wahl, ob er die Hebegebühr zahlt (bei Überweisung ohne Aufforderung) oder die 0,3 VG Nr. 3309 (mit Aufforderung)? Das erscheint mir komisch...
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Ich meine, die Hebegebühr ist viel günstiger als die 3309 - allerdings weiß das kaum ein Schuldner. Und das würde dazu führen, dass eine Zahlungsaufforderung über den Rest (wenn man gem. § 367 BGB - wie allgemein üblich - verrechnet) gefertigt werden muss, die wiederum eine 3309 auslöst, die wiederum zu erstatten ist.
Also wird der Schuldner (der nicht an den Gläubiger direkt leistet) wohl eher warten, bis er aufgefordert wird.
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Danke dir, du hast mir sehr geholfen!
Ich finde es zwar immer noch ein komisches Ergebnis, aber auch wir berechnen die Hebegebühr nur in Ausnahmefällen, sodass sich das Problem praktisch vermutlich kaum stellt. Eine Kollegin von mir meinte noch, dass im Vertrag sowieso meistens die Kontonummer des Gläubigers direkt steht, sodass man auch an ihn überweisen kann. Wobei das bei Verkehrsunfällen etc wieder anders sein dürfte...
Wenn es nächste Woche wieder geht, frag ich nochmal in der Schule nach, vielleicht haben die ja noch eine Idee
Ich finde es zwar immer noch ein komisches Ergebnis, aber auch wir berechnen die Hebegebühr nur in Ausnahmefällen, sodass sich das Problem praktisch vermutlich kaum stellt. Eine Kollegin von mir meinte noch, dass im Vertrag sowieso meistens die Kontonummer des Gläubigers direkt steht, sodass man auch an ihn überweisen kann. Wobei das bei Verkehrsunfällen etc wieder anders sein dürfte...
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