Pfändbare Beträge überprüfen?

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
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Kaltforelle
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#1

13.08.2020, 15:20

Hallo
mir liegt ein PfüB für einen Schuldner vor - Pfändung Arbeitseinkommen.
Das Formular stammt von 1999 - dort ist nur der Anspruch an Arbeitgeber auf Zahlung des gesamten gegenwärtigen und künftigen Arbeitseinkommens (einschließlich des Geldwertes von Sachbezügen) bezeichnet.
Seinerzeit gab es auf diesen Formularen keine weitere Möglichkeit, eine Aushändigung der Lohnabrechnung o.ä. mitzupfänden.

Der Schuldner ist (leider) nach wie vor beim gleichen Unternehmen beschäftigt und wir erhalten - nach Tilgung einer Vorpfändung - nun Kleinstbeträge.
In der Vermögensauskunft von Januar gibt er ein monatliches Nettoeinkommen an, welches nicht zum derzeit an mich abgeführten Betrages passt. Wir erhalten einen kleinen Betrag von rund 15,00 €.

Der Arbeitgeber (Personal-/Abrechnungsstelle in Osteuropa) teilt mir auf Nachfrage mit, dass das pfändbare Einkommen die Grenze von … nicht überschritten hat, so dass mir nur dieser Betrag zusteht. Corona (-Kurzarbeit) hin oder her, zumindest im Januar hat der Schuldner - zumindest nach seinen Angaben - mehr verdient.

Freiwillig gibt der Schuldner keine Unterlagen raus - was kann ich noch tun? Ich kann nicht überprüfen, was der Arbeitgeber noch anderweitig abzieht oder was er tatsächlich verdient.

?
Viele Grüße
Kaltforelle
Manuel
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#2

13.08.2020, 15:37

Ich würde auf jeden Fall (jährlich) schon mal einen neuen Pfüb ausbringen und (evtl.) Steuererstattungsansprüche pfänden. Der Schuldner, wenn er denn eine Steuererklärung macht, bekommt durch seine Auslandsaufenthalte o.ä. sicherlich eine nicht unerhebliche jährliche Steuerrückerstattung. Versuch macht klug und die Kosten können mit den monatlichen Eingängen "verrechnet" werden, ohne das der Mdt. in Vorleistung gehen muss (wie auch immer Ihr das handhabt).
Ansonsten einfach den Gvz. neu mit der Zwangsvollstreckung (und der Herausgabe von Lohnabrechnungen) beauftragen bzw. diesem neu die Vermögensauskunft abverlangen.
Geiselmann
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#3

13.08.2020, 15:51

Die Pflicht zur Herausgabe der Lohnabrechnungen gem. § 836 abs. 3 ZPO kann auch noch nachträglich ergänzt werden. im PfüB.
ZPO § 836 Abs. 3
Die gemäß § 836 Abs. 3 ZPO herauszugebenden Urkunden sind auf Antrag des Gläubigers in der Regel bereits in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzunehmen.
- BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - VII ZB 142/05

Außerdem könnte man Kurzarbeitergeld pfänden und klarstellend zusammenrechnen lassen.

S. Geiselmann
Coco Lores
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#4

13.08.2020, 15:52

Der PfÜB müsste sowieso erneuert werden wenn der Schuldner in Kurzarbeit ist, da sich der normale PfÜB nicht automatisch auch auf das Kurzarbeitergeld bezieht, wie ich gelesen habe. Ich würde den neuen PfüB beantragen und dann gleich die letzten 3 Abrechnungen mit rausverlangen. Dann siehst du ja was tatsächlich an Geld fließt.
Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen!!!
Kaltforelle
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#5

14.08.2020, 13:41

Uups. Mit euren Antworten kann ich leider nur bedingt etwas anfangen.

@Manuel: Der Schuldner arbeitet in D bei einem schwedischen Konzern mit einem Sitz in D (dies ist definitiv auch der Arbeitgeber in D). Nur die Personalabteilung regiert von Osteuropa aus, gehört aber zum Konzern.
Die letzte VA stammt von Januar 2020, ich kann also keine neue verlangen, da ich keinen Nachweis über veränderte Vermögensverhältnisse bringen kann. Oder doch: reicht hier die Vorlage vom Arbeitgeber, dass er jetzt x verdient? Ich glaube nicht, dass ich hierfür eine neue VA, geschweige denn eine ergänzende VA verlangen kann.

Den Gerichtsvollzieher hatte ich bereits mit der Pfändung der Lohnabrechnung beim Schuldner beauftragt - bekam ich mit Kosten zurück, da kein Herausgabetitel vorliegt.
Doch nach 808 ZPO kann ich ja alle körperlichen Sachen, d.h. auch Dokumente, pfänden, oder?

@Geiselmann: Sofern ich den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach deinem aufgeführten BGH-Beschluss aus 2011 ergänzen lassen würde, dann würde nach 836 (3) Satz 5 die Herausgabe über den Gerichtsvollzieher funktionieren, die er mir im Moment versagt? Ich prüfe mal den von dir angegebenen Beschluss, ob ich NACHTRÄGLICH den Pfüb erweitern lassen kann.
Ob der Schuldner Kurzarbeitergeld erhalten hat, weiß ich nicht, bin mir aber ziemlich sicher, weil das besagte Mö...haus ja auch wochenlang geschlossen hatte.

@Coco Lores: Ich bin etwas anderer Ansicht. Klar, mein Pfüb geht zwar nur über den Arbeitslohn, nicht über eventuelles Kurzarbeitergeld. Aber deswegen will ich keinen neuen Pfüb machen - die geringen Zahlungen fingen ja schon vergangenes Jahr an. Ich gehe eher davon aus, dass der Schuldner irgendeine Abtretung vorgelegt hat.

Danke für euren Input, Kaltforelle
Kaltforelle
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#6

08.09.2020, 13:50

Kurz ein Update:
im Netz habe ich den "praktischen Fall" gefunden, bei dem es um Urkundenherausgabe nach § 836 Abs. 3 ZPO - gerade wie hier um Lohnabrechnung - geht.
Grundsatz: Keine Bezeichnung der Urkunden im PfüB erforderlich. Die Forderungspfändung erstreckt sich auch auf mit der Forderung einhergehende unselbständige Nebenansprüche. Eine besondere Herausgabeanordnung ist grundsätzlich erforderlich. Der Titel, aus dem ich jetzt die Herausgabe der letzten Lohnabrechnung pfänden werde, ist der PfüB.

Mal sehen, ob es jetzt funktioniert.
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