Zweifelhafte Vermögensauskunft - welche Möglichkeiten gibt's noch?

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
RiverPoet
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#1

10.06.2020, 21:30

Hallo,

bislang hab ich jeden Schuldner früher oder später gekriegt, hier hab ich einen findigen Kandidaten mit einer interessanten Vermögensauskunft:

Er ist Mitte 30, ist vollzeit angestellt tätig (aber verdient nur 400 - 600 €), er bekommt das Gehalt natürlich bar und hat kein Konto. Er ist verheiratet, Name der Frau, deren mögliche Einkünfte usw. alles nicht angegeben. Er hat ein minderjähriges Kind, keine weiteren Daten. Er hat eine Wohnung die aber angeblich sein Arbeitgeber bezahlt. Bar, natürlich. Er erwartet eine Steuererstattung vom Finanzamt (wahrscheinlich kommt der Finanzbeamte auch mit nem Geldsäckel mit Bargeld vorbei), er erhält keine Sozialbezüge, er besitzt kein Konto und nutzt auch keine Konten Dritter, Bargeld im Haus hat er auch keinen Cent. Die Vermögensauskunft gibt er pünktlich alle zwei Jahre ab.

Nun hab ich eine Abfrage beim Bundeszentralamt für Steuern machen lassen - überraschenderweise erfolglos. Hab mal mit dem Gerichtsvollzieher telefoniert, der kauft ihm die Sache ebenso wenig ab wie ich, aber was soll er machen.

Gibt es noch irgend welche Ansatzpunkte für so einen Kandidaten? Naheliegend wäre ja der Gedanke, dass alles über die Ehefrau läuft, aber wenn ich von der weder einen Namen, geschweige denn irgend welche Kontodaten habe und er lt. BZSt auch keine Verfügungsrechte auf irgend welchen Konten hat, sieht das ja auch mau aus, oder?

Danke Euch vorab... mich frustriert dieser Fall etwas.

LG River_Poet
Geiselmann
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#2

11.06.2020, 10:38

Man könnte sich überlegen den Steuererstattungsanspruch beim Finanzamt zu pfänden und den Anspruch gegen die Frau als Kontoverleiher

S. Geiselmann
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mücki
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#3

11.06.2020, 11:16

wie Geiselmann, ansonsten:

Wie wäre es mit einer Anzeige wegen Vereitelung der Zwangsvollstreckung?

Wir haben in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,35 €. Selbst wenn der Schuldner nur 20h/Woche arbeiten würde, wäre er damit bei rd. 810 € brutto. Gleiches gilt für für die merkwürdigen anderen Vereinbarungen.

Ist der Arbeitgeber angegeben? Lässt das irgendwelche Rückschlüsse zu? Auf jeden Fall ist es ein geldwerter Vorteil, wenn ihm der Arbeitgeber eine Wohnung bezahlt, der bei einer Pfändung addiert werden muss.
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#4

12.06.2020, 08:35

RiverPoet hat geschrieben:
10.06.2020, 21:30
Hab mal mit dem Gerichtsvollzieher telefoniert, der kauft ihm die Sache ebenso wenig ab wie ich, aber was soll er machen.
Ihn nochmal vorladen zur Nachbesserung?!? Zumindest die Daten zu Frau und Kind und zum Arbeitgeber sollten doch noch zu bekommen sein.
Die Kontodaten der Ehefrau brauchst du nicht, um den Herausgabeanspruch deines Schuldners gegen sie pfänden zu können. Wenn sie auf den Pfüb die Drittschuldnererklärung nicht abgibt, kannst du über den Weg der Drittschuldnerklage einen Titel direkt gegen die Ehefrau erwirken.
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Tigerle
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#5

12.06.2020, 08:39

Kann mich Geiselmann und mücki nur anschließen

Wenn er Vollzeit arbeitet, dann ist das viel zu wenig Geld. Wenn der Arbeitgeber die Wohnung bezahlt bzw. er in einer Wohnung des Arbeitgebers wohnt, dann ist dies dem Einkommen hinzu zu rechnen.
Ich würde tatsächlich trotzdem versuchen das Gehalt zu pfänden und die Lohnzettel gleich mit. Ich würde im Antrag auch gleich einen Hinweis bezüglich der Mietzahlung mit angeben.
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Anahid
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#6

12.06.2020, 12:27

Mal ganz ehrlich: So ärgerlich wie der Fall ist, aber selbst, wenn dann der Arbeitgeber angibt, dass der ein Nettoeinkommen von 1.500 € hat, ist bei zwei Unterhaltsberechtigten (Kind und ggf. Frau) nichts pfändbar. Ich würde also mit dem Mandanten reden, ob er hier das weitere Kostenrisiko tragen will.
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#7

12.06.2020, 12:30

Anahid hat geschrieben:
12.06.2020, 12:27
Mal ganz ehrlich: So ärgerlich wie der Fall ist, aber selbst, wenn dann der Arbeitgeber angibt, dass der ein Nettoeinkommen von 1.500 € hat, ist bei zwei Unterhaltsberechtigten (Kind und ggf. Frau) nichts pfändbar.
Bezüglich einer Lohnpfändung gebe ich dir Recht, beim Herausgabeanspruch ist das aber doch unerheblich.
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#8

12.06.2020, 12:46

Und worauf soll sich der Herausgabeanspruch beziehen? Der erhält sein Geld vom Arbeitgeber angeblich bar (soll es tatsächlich geben sowas). Also braucht der in der Regel kein Konto; außer für Steuererstattungen. Also wäre das wohl das einzige, was auf dem Konto der Ehefrau eingeht. Man sollte ein solche Szenario immer mal im Kopf durchspinnen, bevor man sich in Kosten stürzt. Was ist denn bestenfalls die Folge einer Pfändung des Herausgabeanspruchs? Entweder erteilt die Ehefrau die Drittschuldnererklärung und....Mandant schaut in die Röhre, weil nix zu holen ist.....oder sie erteilt sie nicht = Drittschuldnerklage. Die gewinnt man und nun hat man auch gegen die Ehefrau einen Vollstreckungstitel. Bei der Vermögensauskunft stellt sich raus, dass die aber vom Einkommen ihres Mannes lebt = Mandant schaut auch so in die Röhre.

Ich wills nicht schlecht reden. Die Möglichkeiten gibt es alle. Nur muss man auch den Mandanten über die Kosten aufklären und die Risiken, dass das Ganze nur heiße Luft verursacht. Ich erschrecke häufig, was mir für Vollstreckungsunterlagen anderer Kanzleien vorgelegt werden. Da wird vollstreckt bis zum Teufel komm raus, ohne den Mandanten auch nur einmal zu fragen (die Vollmacht gibt das ja her) und am Ende mit Null Ergebnis, aber einem Berg von Kosten für den Mandanten. Wenn ich so ein hohes Risiko sehe, wie hier in dem Fall, dann wird der Mandant erst Recht aufgeklärt und ich lass mir seinen Auftrag schriftlich geben.
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#9

12.06.2020, 12:47

Anahid hat geschrieben:
12.06.2020, 12:27
Mal ganz ehrlich: So ärgerlich wie der Fall ist, aber selbst, wenn dann der Arbeitgeber angibt, dass der ein Nettoeinkommen von 1.500 € hat, ist bei zwei Unterhaltsberechtigten (Kind und ggf. Frau) nichts pfändbar. Ich würde also mit dem Mandanten reden, ob er hier das weitere Kostenrisiko tragen will.
Aber erstmal müssten Frau und Kind unterhaltsberechtigt sein bzw. Unterhalt erhalten, ansonsten läge der pfändbare Betrag selbst bei 1.300 € netto (600 € Lohn + fiktive Wohnungskosten von 700 €) auch bei um die 80 €.
Grundsätzlich sehe ich es aber so: Man muss lernen damit zu leben, dass man nicht jeden Schuldner "dran kriegt". Wenn es bisher immer geklappt hat, gut aber irgendwann ist immer das erste Mal und ab einem gewissen Punkt übersteigen ja auch Aufwand und Kosten den Nutzen bei Weitem. In diesem speziellen Fall halte ich aber zumindest eine Strafanzeige wegen Vereitelung der ZV für sinnvoll, wenn Einkommen und geldwerter Vorteil sich nicht auf min. 1.620 € brutto berechnen. Zumal ja 400 - 600 € netto nicht ausreichen, den Lebensunterhalt von drei Personen zu bestreiten. Gut, da kommen noch 204 € Kindergeld oben drauf aber dann ist das immer noch weniger als der akt. Hartz IV-Satz für die entsprechende Personenanzahl. Die Starfanzeige bringt zwar dem Gläubiger kein Geld aber vielleicht den Schuldner doch dazu zu bezahlen.
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#10

12.06.2020, 13:10

Mit hätt...wenn....wär......kommt man aber nicht weiter. Also sollte hier wohl mal der erste Schritt sein, Nachbesserung der Vermögensauskunft zu beantragen. Das ist - bis auf GV-Kosten - für den Mandanten kostenlos. Neue Anwaltskosten entstehen da nicht (wenn der Anwalt vorher bereits den Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft gestellt hat. Dann soll doch der Schuldner da mal angeben, wie alt das "minderjährige" Kind ist und ob es eigene Einkünfte hat (wie z.B. Ausbildungsvergütung); wie die Frau heißt und ob die eigene Einkünfte hat. Denn wenn nicht, ist alles andere das reinste Lottospiel.
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