Pfändung ALG I

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farbenseele
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#1

12.02.2019, 16:50

Hallo Ihr Lieben,

ich brauche mal wieder Eure Hilfe:

habe in einer Unterhaltssache einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt, mit dem bei der Agentur für Arbeit ALG I und bei der Bank das Konto des Unterhaltsschuldners gepfändet werden soll.

Nunmehr schreibt mir die zuständige Rechtspflegerin, dass ALG I nach § 850 k Abs. 4 ZPO i. V. m. § 17 Abs. 1 S. 2 SBG XII unpfändbar ist. :augenreib

Könnt Ihr mir helfen? Das ist für mich völlig neu.

Sie hat mir auch zwei Entscheidungen mit auf den Wege gegeben, die wir hier im Internet allerdings nicht finden können, und zwar
LG Potsdam, Beschluss vom 05.09.2016, Az. 14 T 17/16
LG Berlin, Beschluss vom 11.04.2017, Az. 51 T 63/17.

u. E. ist das ALG I pfändbar, und zwar bis zur Höhe des pfändbaren Betrages, da ALG I keine Sozialleistung, sondern eine Leistung der deutschen Arbeitslosenversicherung ist, mithin der Anspruch aus § 334 SGB III greift.

Was meint Ihr? Habt Ihr vielleicht auch die Entscheidungen sogar dar?

Vielen Dank für Ihre Mühe im Voraus

und viele Grüsse
farbenseele (bin echt ratlos, das wäre ja ein Ding, wenn das wirklich so ist)
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#2

12.02.2019, 17:08

Ich verstehe die Rechtspflegerin nicht:
§ 850k ZPO regelt die Pfändungsfreigrenze und § 17 SGB XII ist gültig für Sozialhilfe.
ALG I ist aber keine Sozialhilfe nach dem SGB XII, sondern eine Leistung nach SGB III.

Nach dem BGH vom 25.10.2012, VII ZB 74/11, ist sogar das ALG II pfändbar. Durch die gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen wird der Schuldner hinreichend geschützt.

M.E. ist das ALG I pfändbar, jedoch dem Schuldner der Pfändungsfreibetrag zu belassen.
Wobei bei der Pfändung von UH-Rückstand über § 850d ZPO dieser Freibetrag geringer sein kann als bei der Pfändung nach § 850c ZPO.
farbenseele
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#3

12.02.2019, 17:43

Genauso sehen wir das auch. Die BGH-Entscheidung liegt uns auch vor.

Wir hatten sie auch darauf hingewiesen, dass ALG I keine Sozialhilfe nach dem SGB XII ist, sondern eine Leistung nach SGB III.

Daraufhin hat sie uns die beiden o. g. Entscheidungen um die Ohren gehauen.

Der Schuldner will uns morgen wohl seinen Bewilligungsbescheid vorlegen (vorl. ZV wurde an ihn zugestellt), vielleicht erübrigt sich dann eh der Antrag gegen das Arbeitsamt. Aber ich will schon aus Prinzip diesen Antrag nicht zurücknehmen. Schon um ihr zu zeigen, dass sie auf dem Holzweg ist.

Wie weit kommen wir denn, wenn jetzt ALG I nicht mehr mal pfändbar ist? Wo bleiben dann die Gläubiger? Die Schuldner machen sich einen Reibach und der Gläubiger guckt in die Röhre. :augenreib
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#4

12.02.2019, 18:16

Zurücknehmen würde ich den Antrag auch nicht. Ich würde ihr schreiben, dass die von ihr genannten Vorschriften eurer Ansicht nach nicht anwendbar sind, so wie ich oben schon schrieb. Zudem auf den BGH zu der Pfändbarkeit von ALG II verweisen, dessen Ausführungen analog auch auf ALG I anwendbar sind nach eurer Rechtsauffassung.

Wenn die Rechtspflegerin den Antrag dann durch Beschluss zurückweisen sollte, hiergegen Rechtsmittel einlegen, damit die Sache von anderer Stelle geklärt werden kann.

Es gibt massig Internetseiten, wonach ALG I pfändbar ist, wobei leider keine explizite Rechtsprechung angegeben wird.

Andere hier verweisen bei Pfändungen immer auf das Buch "Forderungspfändung" von Stöber. Das habe ich in der Kanzlei aber nicht. Vielleicht kann insoweit jemand anders dir weiterhelfen.
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