Zwangsversteigerungsverfahren

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
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Verena80
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#1

26.07.2018, 10:56

Hallo Ihr Lieben,

kennt sich wer im Zwangsversteigerungsverfahren aus?

Folgende Situation:

Ein Haus befindet sich in der ZV. Es gibt in Abteilung III drei Eintragungen
1. 300.000 DM für Kreissparkasse, eingetragen am 21.05.1997
2. 30.329,51 Euro Zwangssicherungshypothek für Finanzamt, eingetragen am 02.11.2016
3. 7.648,14 Euro Zwangssicherungshypothek für Stadt, eingetragen am 10.11.2017

Betreibende Gläubigerin des Zwangsversteigerungsverfahrens ist die Stadt.

Die Bank und das Finanzamt sind dem Verfahren laut Auskunft des AG noch nicht beigetragen. Nach meinem Verständnis müssen diese dies aber auch nur tun, um Einfluss auf den Verfahrensablauf zu haben, deren eingetragenen Rechte werden durch den Versteigerungserlös unabhängig davon beglichen.

Der Verkehrswert des Hauses wurde durch den gerichtlichen Gutachter auf 150.000 Euro festgesetzt.

Ich versuche nun herauszufinden, wie hoch das Mindestgebot sein wird.

Wie läuft das bezgl. der für die Bank eingetragenen Grundschuld iHv 300.000 DM. Fragt das Vollstreckungsgericht bei der Bank nach, wie hoch das dieser Grundschuld zu Grunde liegende Darlehen derzeit salutiert um das Mindestgebot zu berechnen?
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paralegal6
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#2

26.07.2018, 11:16

meinst du sie sind nicht beigetreten? Beitritt erfolgt nur auf Antrag. § 27 zvg
der "Rechtspfleger verkündet am Anfang der Versteigerung das „geringste Gebot“. Das besteht meist nur aus den Kosten für die Zwangsversteigerung. So billig wechselt aber kaum eine Immobilie den Eigentümer. Der Rechtspfleger muss den Zuschlag zum Schleuderpreis versagen." Das höchste Gebot muss meine ich die Hälfte vom Verkehrswert sein. Sicherheitsleistung sind meine ich ja schon 10% des Verkehrswertes. Dem Gericht ist es ziemlich wurscht ob Gläubiger befriedigt werden oder nicht, da ruft keiner an
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Verena80
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#3

26.07.2018, 12:00

Wie gesagt, dass die anderen Gläubiger noch nicht beigetreten sind, hat mir die Geschäftsstelle mitgeteilt. Ob die im Laufe des Verfahrens noch beitreten weiß ich natürlich nicht. Hier stellt sich mir aber auch die Frage, wie die überhaupt davon erfahren, dass sich das Haus in der ZV befindet. Ist das ZV-Gericht von Amts wegen dazu verpflichtet, die Gläubiger darüber zu informieren? Ich denke eher nicht, oder?

Zum geringsten Gebot habe ich folgendes gefunden:

"Das geringste Gebot besteht aus den Verfahrenskosten und den Rechten, die der Erwerber übernehmen muss. Es muss bei der Versteigerung mindestens erreicht werden, sonst kann der Zuschlag nicht erteilt werden. Das geringste Gebot richtet sich nach dem die Zwangsversteigerung betreibenden bestrangigen Gläubiger. Alle diesem Gläubiger im Range vorgehenden Ansprüche bleiben bestehen und müssen vom Erwerber übernommen werden."

Also demnach berechnet sich das geringste Gebot doch aus allen eingetragenen Rechten?! Ich finde das irgendwie widersprüchlich zu Satz 2
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#4

26.07.2018, 12:09

https://de.wikipedia.org/wiki/Geringstes_Gebot der bestrangige Gläubiger ist nunmal nur der erste und nicht alle
wir reden auch nur davon Verfahrenskosten zu decken https://dejure.org/gesetze/ZVG/44.html nicht von der Forderung an sich,
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Verena80
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#5

26.07.2018, 12:46

Ich habe noch mal nachgelesen und bin der Auffassung, dass die bestehenbleibenden Rechte vorrangig eingetragener Gläubiger gem. §§ 44 Abs. 1, Halbsatz 2, 1. Alternative, 10 Nr. 4 ZVG dem geringsten Gebot hinzuzurechnen sind.

Hier ist betreibende Gläubigerin ja die Stadt, die an dritter Stelle in Abteilung III eingetragen ist.
Geiselmann
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#6

26.07.2018, 18:04

Das geringste Gebot besteht aus den Teilen
A. Bestehen bleibende Rechten und
B. dem Bargebot.

Im Teil A. stehen alle Rechte die dem bestrangig betreibenden Gläubiger (III/3) vorgehen, also die Rechte III/1 und III/2.
Diese sind von einem Ersteher in voller Höhe zu übernehmen unabhängig von der Frage der Valutierung.

Der bestrangig bettreibende Gläubiger betreibt das Verfahren im Range des § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG, aus der Rangklasse 4.
Daher kommen die Rangklassen 0-3 ins Mindestbargebot zzgl. der Zinsen der bestehen bleibenden Rechte.
Selbst wenn im vorliegenden Fall die Gläubiger III/1 und III/2 auf Zinsen verzichten, ergibt sich ein geringstes Gebot (bestehen bleibende Rechte und Mindestbargebot), mit geschätzten Verfahrenskosten von 5.000 € - 7.00€, das über dem Verkehrswert liegt.
Das Grundstück dürfte so kaum versteigerbar sein.

S. Geiselmann
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#7

26.07.2018, 18:05

Das geringste Gebot besteht aus den Teilen
A. Bestehen bleibende Rechten und
B. dem Bargebot.

Im Teil A. stehen alle Rechte die dem bestrangig betreibenden Gläubiger (III/3) vorgehen, also die Rechte III/1 und III/2.
Diese sind von einem Ersteher in voller Höhe zu übernehmen unabhängig von der Frage der Valutierung.

Der bestrangig bettreibende Gläubiger betreibt das Verfahren im Range des § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG, aus der Rangklasse 4.
Daher kommen die Rangklassen 0-3 ins Mindestbargebot zzgl. der Zinsen der bestehen bleibenden Rechte.
Selbst wenn im vorliegenden Fall die Gläubiger III/1 und III/2 auf Zinsen verzichten, ergibt sich ein geringstes Gebot (bestehen bleibende Rechte und Mindestbargebot), mit geschätzten Verfahrenskosten von 5.000 € - 7.00€, das über dem Verkehrswert liegt.
Das Grundstück dürfte so kaum versteigerbar sein.

S. Geiselmann
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#8

27.07.2018, 09:09

Hallo Herr Geiselmann,

vielen Dank für Ihre sehr verständlich Auskunft!!!

Genau das irritiert mich, da ich gelesen haben, dass das Vollstreckungsgericht dem betreibenden Gläubiger diesbezüglich einen Hinweis erteilt und um Antragsrücknahme bittet.

Wie verhält es sich allerdings, wenn der Antrag trotzdem nicht zurückgenommen wird und der erste Versteigerungstermin stattfindet und keine Gebote erfolgen? Im zweiten Termin gilt dann die 7/10-Grenze nicht mehr und falls in diesem Termin das Objekt nicht versteigert wird, dann gilt in einem dritten Termin die 5/10 Grenze nicht mehr, richtig?

Und wie ist es, wenn man sich mit dem Eigentümer außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens auf einen Kaufpreis einigt und einen Kaufvertrag abschließen möchte? Müssen außer der betreibenden Gläubigerin die beiden anderen im GB eingetragenen Gläubiger einem solchen Verkauf ebenfalls zustimmen? Wie gesagt, bisher sind diese dem Verfahren wohl noch nicht beigetreten.

Wie erfahren diese Gläubiger eigentlich davon, dass sich das Objek in der ZV befindet?
Geiselmann
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#9

27.07.2018, 19:03

Hallo Herr Geiselmann,

vielen Dank für Ihre sehr verständlich Auskunft!!!

Genau das irritiert mich, da ich gelesen haben, dass das Vollstreckungsgericht dem betreibenden Gläubiger diesbezüglich einen Hinweis erteilt und um Antragsrücknahme bittet.

Das Gericht bittet um Antragsrücknahme da das geringste Gebot höher als der Verkehrswert ist und ein Versteigerungstermin sinnlos ist

Wie verhält es sich allerdings, wenn der Antrag trotzdem nicht zurückgenommen wird und der erste Versteigerungstermin stattfindet und keine Gebote erfolgen? Im zweiten Termin gilt dann die 7/10-Grenze nicht mehr und falls in diesem Termin das Objekt nicht versteigert wird, dann gilt in einem dritten Termin die 5/10 Grenze nicht mehr, richtig?

Die Grenzen spielen in diesem Verfahren keine Rolle da ein Gebot unter 5/10 oder 7/10 nicht möglich ist. Wird der Antrag nicht zurückgenommen müsste das Gericht durch zwei ergebnislose Termine gem. § 77 ZVG. Diese unnötigen Kosten müsste am Ende der Gläubiger tragen und sind nicht gem. § 788 ZPO festsetzbar.

Und wie ist es, wenn man sich mit dem Eigentümer außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens auf einen Kaufpreis einigt und einen Kaufvertrag abschließen möchte? Müssen außer der betreibenden Gläubigerin die beiden anderen im GB eingetragenen Gläubiger einem solchen Verkauf ebenfalls zustimmen? Wie gesagt, bisher sind diese dem Verfahren wohl noch nicht beigetreten.

Theoretisch ist ein Kauf ohne Zustimmung der Gläubiger möglich. Dann bleiben aber die Rechte eingetragen und ein Erwerber muss mit einer ZV rechnen, wenn der Schuldner seine Schulden nicht zahlt. Daher ist der Regelfall dass der Käufer lastenfrei erwerben will, d.h. alle Grundpfamdgläubiger geben Löschungsbewilligungen ab gegen Zahlung der Schuld oder Lästigkeitsprämie.

Wie erfahren diese Gläubiger eigentlich davon, dass sich das Objekt in der ZV befindet? Erstmals bei der Anhörung zum Verkehrswert. Das Gericht muss die Beteiligten anhören § 9 ZVG.

S. Geiselmann



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#10

30.07.2018, 08:33

Vielen Dank für Ihre Hilfe!
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