Neubeginn d. Verj. auch, wenn ZV-Handlung nicht zugestellt?

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
BeLu89
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#1

15.05.2018, 10:32

Huhu,

ich habe folgende Frage:
Wir haben eine ZV-Akte (Vollstreckungsbescheid), in der der Schuldner ständig umzieht... Wir haben schon mehrere Emas gemacht, erneut Vollstreckungsandrohungen verschickt, allerdings immer mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurückbekommen. Wir wollen die Akte nun erstmal weglegen und in ein paar Jahren unser Glück erneut versuchen. Ich weiß, dass der Titel selbst nach 30 Jahren verjährt, die Zinsen und Kosten sowie unsere Gebühren verjähren nach drei Jahren. Ich weiß auch, dass die Verjährung gem. § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB neu beginnt, wenn eine Vollstreckungshandlung vorgenommen wird. Meine Frage ist nun, ob die Verjährung auch neu beginnt, wenn die Vollstreckungshandlung dem Schuldner nicht zugestellt werden kann. Ich finde dazu einfach nichts :(

Vielleicht kann mir ja jemand von Euch weiterhelfen... Vielen Dank schonmal
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mücki
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#2

15.05.2018, 10:59

Denk mal an verjährungshemmende Maßnahmen wie MB-Antrag oder Klageeinreichung. Hemmung kann - schon denklogisch - nur mit Zustellung/Bekanntgabe wirklich eintreten. Sonst bräuchte kein Mensch zum Jahrensende so ein Terz veranstalten, um die verjährenden Forderungen noch schnell rechtshängig zu machen.
Wenn du zum 31.12. Klage einreichst, diese aber nicht "demnächst" zugestellt werden kann, verjährt dein Anspruch u.U. trotzdem.

Nicht durchgeführte ZV-Maßnahmen führen daher keinesfalls zum Neubeginn der Verjährung und zwar egal, aus welchem Grunde diese nicht erfolgt sind. Gegebenenfalls kannst du dich auch noch einmal mit § 212 BGB befassen. ;)
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AliceImWunderland
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#3

15.05.2018, 11:28

Hallo BeLu! Habt Ihr das JürBüro in der Kanzlei? Wenn ja, schaue in Ausgabe 3/2017, dort Seite 159. Dort wird quasi der gleiche Fall behandelt. Das OLG Stuttgart hat mit Beschluss vom 09.12.2016 (AZ 9 W 60/16) entschieden, dass ein Schuldner, der durch sein Verhalten sich dem Zugriff der Gläubiger im Rahmen der ZV (hier Umzug ohne Abmeldung) entzieht, sich nicht auf die Verjährung der Zinsansprüche berufen kann. Dort sind auch mehrere BGH-Entscheidungen zu diesem Thema aufgeführt.
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#4

15.05.2018, 11:34

Vielen Dank für Eure Antworten
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mücki
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#5

15.05.2018, 12:17

AliceImWunderland hat geschrieben:Hallo BeLu! Habt Ihr das JürBüro in der Kanzlei? Wenn ja, schaue in Ausgabe 3/2017, dort Seite 159. Dort wird quasi der gleiche Fall behandelt. Das OLG Stuttgart hat mit Beschluss vom 09.12.2016 (AZ 9 W 60/16) entschieden, dass ein Schuldner, der durch sein Verhalten sich dem Zugriff der Gläubiger im Rahmen der ZV (hier Umzug ohne Abmeldung) entzieht, sich nicht auf die Verjährung der Zinsansprüche berufen kann. Dort sind auch mehrere BGH-Entscheidungen zu diesem Thema aufgeführt.
Das ist ja mal gut zu wissen. Danke für die Info. Hast du zufällig die Aktenzeichen der Entscheidungen (auch BGH) zur Hand?
Das gilt doch aber bestimmt wieder nur, wenn der Schuldner sich - wie du geschrieben hast - nicht ummeldet ...
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AliceImWunderland
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#6

15.05.2018, 13:11

Ich habe mir die BGH-Entscheidungen nicht durchgelesen, da ich mich mit so einem Fall nicht nicht "herumschlagen" musste. Ich schreibe die einfach mal aus der Begründung des OLG Stuttgart raus:

BGH Urteil vom 14.09.2004 - XI ZR 248/03
BGH Urteil vom 14.11.2013 - IX ZR 215/12
BGH Urteil vom 28.02.2012 - XI ZR 192/11
BGH Urteil vom 16.04.2014 - IV ZR 153/13
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#7

15.05.2018, 15:06

Danke Alice. :knutsch
Weil mich das jetzt wirklich interessiert hat, habe ich mir die Urteile gleich mal zu Gemüte geführt:

XI ZR 248/03 - Leitsatzentscheidung
"...
c) Die Berufung auf die Einrede der Verjährung ist treuwidrig, wenn der Schuldner seine vertragliche Verpflichtung zur Mitteilung eines wohnungswechsels schuldhaft verletzt und dadurch eine wirksame Zustellung des Mahn- und Vollstreckungsbescheides vereitelt hat."


In dem Fall ging es um einen Schuldner der gem. Darlehensvertrag verpflichtet war, Wohnungswechsel etc. umgehend anzuzeigen. Da er dies - wohl vor dem Hintergrund dass er eine gerichtliche Geltendmachung des zwischenzeitlich gekündigten Darlehensvertrages vorhindern wollte - nicht tat und auch keinen Nachsendeauftrag stellte und sogar so weit ging, sein Namensschild an der alten Wohnadresse (er war dort noch Mieter, lebte aber zwischenzeitlich schon bei seiner Freundin, war bei dieser sozusagen mit "Sack und Pack" eingezogen) zu belassen, hat er "Zustellungen unter seiner neuen Wohnanschrift bewusst oder zumindest grob fahrlässig verhindert."

IX ZR 215/12 - Leitsatzentscheidung
"Hat ein Steuerberater durch Übersendung einer Abschrift eines auftragswidrig nicht eingelegten Einspruchs den Anschein erweckt, der Steuerbescheid, der angefochten werden sollte, sei nicht in Bestandskraft erwachsen, kann er sich bis zur Aufdeckung seines Fehlers und des eingetretenen Schadens auch dann nicht auf die eingetretene Verjährung des gegen ihn gerichteten Haftungsanspruchs berufen, wenn ihm ein vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen werden kann."

XI ZR 192/11 - Leitsatzentscheidung
a) Hat der Gläubiger vor dem Stichtag des 1. Januar 2002 gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 EGBGB Kenntnis von der Anschrift des Schuldners, verliert er diese Kenntnis jedoch vor diesem Stichtag, beginnt die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB erst, wenn der Gläubiger nach dem genannten Stichtag erstmals wieder Kenntnis von der Anschrift des Schuldners erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt. ..."

IV ZR 153/13 - Leitsatzentscheidung
"Prämienansprüche aus sogenannten Altversicherungsverträgen, die im Jahre 2008 fällig werden, unterliegen der zweijährigen Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Dabei kann offen bleiben, ob sich dieses Ergebnis aus Art. 1 Abs. 1 EGVVG i.V.m. § 12 VVG a.F. ergibt oder ob Art. 3 Abs. 1 EGVVG entsprechend anzuwenden ist. Im Falle der Anwendung von Art. 3 EGVVG sind auch die Regelungen über den Fristenvergleich in Art. 3 Abs. 2 und 3 EGVVG heranzuziehen."

Mir erschließt sich gerade nicht so wirklich, warum die drei letzten Entscheidungen hinsichtlich der Einrede der Verjährung bei Vereitelung der Zustellung in Bezug genommen wurden aber vielleicht muss ich das auch nicht verstehen - und ja, ich habe die Urteile komplett gelesen, hier aber tatsächlich nur (einen Teil) der Leitsätze widergegeben.

Somit dürfte, solange sich Schuldner lieb ummelden, auch Verjährung eintreten, selbst wenn man dort nicht zustellen kann aber - und damit sind wir wieder bei einem meiner Lieblingssprüche - Verjährung muss vom Schuldner eingewandt werden und daher kann man immer erstmal überlegen, alles geltend zu machen.

Edit: XI ZR 192/11 wurde in Bezug genommen, weil es bei der Entscheidung des OLG Stuttgart um eine schon ewig titulierte Forderung ging :pfeif
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#8

16.05.2018, 08:19

:kopfkratz Hmmmm.....
Zunächst danke dir, dass du dir die Zeit genommen hast, die Urteile durchzulesen. Ich gebe dir Recht, weshalb diese Entscheidungen in der OLG-Entscheidung zitiert werden, ist mir auch ein Rätsel. Möglicherweise kann man diese analog auf einen Fall anwenden, in dem der Schuldner umzieht und sich nicht ummeldet. Aber - wie du schon schreibst - in dem Fall, in dem der Schuldner sich brav ummeldet, werden diese Entscheidungen kaum helfen.

Aber der BeLu dürfte damit geholfen sein. Wenn ich den Ausgangsthread richtig verstehe, zieht der Schuldner immer ohne Ummeldung um..... Ich würde zumidest erstmal mit der OLG-Entscheidung argumentieren, wenn es zum Streit diesbezüglich kommt.
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#9

13.06.2018, 11:13

Hallo zusammen,

ich muss dieses Thema einmal aufgreifen nur anders. Überschrift passt jetzt nicht so ganz, aber ich habe nichts anderes gefunden.

Ich habe hier einen Uraltvollstreckungsbescheid aus 1989 vor mir liegen. Der würde ja nun nächstes Jahr verjähren. Der Schuldner hat immer Raten gezahlt. Dann wurde zwischendurch vollstreckt und dann zahlte er wieder Raten. Nun hat er die letzte Rate im August 2017 gezahlt. Zuletzt vollstreckt wurde 2014. Wie ist denn jetzt die Verjährung der Hauptschuld? Ich weiß, dass eine Zwangsvollstreckung die Verjährung unterbricht und eine Ratenzahlung auch, aber wie wirkt sich das jetzt auf diesen Titel aus :kopfkratz? Ich stehe gerade mal wieder auf dem Schlauch. Wir würden jetzt auch wieder vollstrecken, da er ja keine Zahlung mehr geleistet hat.
Liebe Grüße

Sylvia

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#10

13.06.2018, 11:27

§ 212 BGB:

(1) Die Verjährung beginnt erneut, wenn

1. der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder

2. eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird. ....

Hervorhebung von mir. Wobei letzteres schon sehr lange zum Neubeginn der Verjährung führt.

Edit: Heisst also auf gut deutsch, dass du eine titulierte Forderung im Prinzip "ewig" vollstrecken kannst wenn regelmäßig die ZV eingeleitet wird oder immer mal wieder Raten gezahlt werden ... gegen Kinder und Kindeskinder und Urururur-was-weiß-ich-Enkel ... zumindest so lange es Erben gibt :lolaway
Es sei denn es wäre Verwirkung eingetreten. Die ändert zwar nichts am Bestehen der Forderung aber diese ist dann nicht mehr durchsetzbar. Früher galt mal ein Zeitrahmen von ca. 10 Jahren nach dem mit dem Eintritt der Verwirkung gerechnet werden musste. Aber ich meine, da gibt es ein neueres BGH-Urteil zu, muss ich mal suchen.
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