Pfändung bei Versicherung nach Haftpflichtprozess

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Halesia
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#1

23.11.2017, 11:22

Hallo,
ich bin hier neu und habe gleich ein Problem, bei dem ich nicht weiterkomme:

Wir haben für unseren Mandanten einen Haftpflichtprozess gegen seine vorherige RAin geführt. Gemäß VU wurde sie verurteilt 30.000 EUR zzgl. weiteren zukünftigen Schaden an unseren Mandanten zu zahlen.

Sie praktiziert nicht mehr als RAin und ihre Haftpflichtversicherung lehnt eine Zahlung ab, da sie von einer wissentlichen Pflichtverletzung (Versäumung der Berufungsfrist) ausgeht. Sie verweisen uns auf § 117 III VV.

Ich habe nun die Akte auf dem Tisch mit der Verfügung "Pfändung des Freistellungsanspruches der RAin aus dem Vermögenshaftpflichtvertrag".

Bei der Recherche im Internet bin ich auf eine "Klage auf Freistellung nach Urteil im Haftpflichtprozess" und dem Begriff "Bindungswirkung des Deckungsprozesses für den Haftpflichtprozess".

Leider bin ich nun so verwirrt, dass ich nicht weiß, vollstrecke ich aus dem VU gegen die Versicherung als DS? Wie formuliere ich die Pfändung?

Oder lege ich meinem Chef die Akte mit dem Vermerk "Klage auf Freistellung" wieder vor?

Hat jemand von Euch hier schon Erfahrung sammeln können? Hat jemand solch eine Pfändung schon mal gemacht?

Viele Grüße

Nicole
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mücki
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#2

23.11.2017, 12:40

Hallo,
ich kenne solche Sachen nur aus dem Notarhaftungsrecht. Dort waren wir (als Vertreter der Kläger gegen den Notar) immer bemüht darzustellen, dass es sich bei der Amtspflichtverletzung lediglich um eine fahrlässige und nicht etwa um eine vorsätzliche gehandelt hat und zwar aus dem ganz einfachen Grund: Bei vorsätzlichen Amtspflichtverletzungen zahlt die Haftpflicht nicht.

Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist dies auch bei euch die Position, die die HF einnimmt. Jetzt kommt es nur noch darauf an, was das Urteil aussagt. Geht die erkennende Kammer von einer lediglich fahrlässigen Amtspflichtverletzung aus, muss die Haftpflicht an ihren Versicherungsnehmer (oder nach ggf. erfolgter Pfändung des Freistellungsanspruches an euch) zahlen, dazu braucht ihr kein weiteres gerichtliches Verfahren einzuleiten oder durchzuführen (!). Wenn die Fahrlässigkeit im Urteil festgestellt wurde, dann könnt ihr dies gegenüber der HF noch einmal schriftlich betonen.

Wird in dem Urteil eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung angenommen, könnt ihr die Forderung eures Mandanten ausschließlich gegen die Rechtsanwältin vollstrecken. Gegen die Haftpflichtversicherung bestehen seitens der verurteilten RAin in diesem Augenblick keinerlei Ansprüche mehr.

Ein Problem habt ihr, wenn im Urteil gar nichts dazu steht, was bei einem VU wohl der Fall sein dürfte, denn dann bleibt euch tatsächlich nur ein Feststellungsprozess gegen die Versicherung. Allerdings könnte sich dieser schwierig gestalten, da es der Versicherung wohl deutlich leichter fallen wird, Argumente für eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung, als euch Argumente für eine ledigliche fahrlässige Amtspflichtverletzung zu finden. Wobei es natürlich immer noch entscheidend darauf ankommt, ob das Gericht eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung für nachgewiesen erachtet.

P.S. Den Bezug auf § 117 Abs. III VVG verstehe ich allerdings nicht so ganz bzw. fehlen hierzu weitere Informationen.

Weitere Ergänzung: Ein Muster für eine entsprechende Klage gegen die Haftpflichtversicherung - sofern diese die Erfüllung des Anspruchs weiterhin ablehnt - findest du hier: https://www.haufe.de/recht/deutsches-an ... 43631.html
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Halesia
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#3

23.11.2017, 14:38

Hallo Mücke,
danke für Deine Antwort. Im VU ist nichts über vorsätzliche oder fahrlässige Amtspflichtverletzung angegeben. Es kann meines Erachtens nicht vorsätzlich sein, eine Berufungsfrist zu versäumen. Das müsste die Versicherung doch auch so sehen.
Bzgl. § 117 Abs. III VVG schreibt die Vers.: "Diese Vorschrift regelt, dass der Versicherer, der gegenüber dem Vers.Nehmer von der Verpflichtung zur Leistung ganz oder teilweise frei geworden ist, im Verhältnis zum Dritten zur Leistung u.a. nur im Rahmen der übernommenen Gefahr verpflichtet ist. Hintergrund dieser Regelung, dass die Leistungspflicht gegenüber dem Dritten nicht weitreichender als gegenüber dem Vers.Nehmer sein kann."

Wofür hat der RA dann eine Haftpflicht, wenn die in solchen Fällen die Hände heben und ablehnen? Die müssten doch für solche Sachen eintrittspflichtig sein und sich ggf. im Innenverhältnis den Zahlbetrag vom Vers.Nehmer wiederholen...

Das Muster für die Klage bei Haufe hatte ich auch gefunden. Deshalb bin ich ja erst auf die Idee gekommen, anstatt zu pfänden (ich wüsste ehrlich gesagt auch nicht was), zu klagen...
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mücki
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#4

24.11.2017, 09:58

Guten Morgen,
das Problem bei der Unterscheidung zwischen vorsätzlicher und lediglich fahrlässiger Amtspflichtverletzung ist zum einen, dass es sich tatsächlich nur um einen sehr schmalen Grat handelt. Zum Anderen bedeutet Vorsatz in diesem Zusammenhang nicht, dass die RAin die Frist absichtlich nicht eingehalten hat.

Voraussetzung für eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung wäre u.a., dass die RAin ihre Amtspflicht gekannt hat, trotzdem von dieser abgewichen ist und dieser Pflichtverstoß ursächlich für den Schaden ist. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn die Frist zur Einlegung der Berufung nicht notiert wurde, weil der Mdt. seine Rechnung noch nicht gezahlt hat. Der Mandant erhält das Urteil mit dem Hinweis auf die noch offenen Kosten und dass hier erst weiter für ihn gearbeitet - sprich ggf. Berufung eingelegt - wird, wenn er diese ausgeglichen hat. Daraufhin meldet sich Mdt. und teilt mit, dass Zahlung erfolgt ist. Die Frist zur Einlegung der Berufung wird aber immer noch nicht notiert, da die RAin sicher gehen und zunächst den ZE abwarten will. Am Tage des Zahlungseinganges ist die RAin krankheitsbedingt nicht im Büro. Die Akte wird ihr daher, mit einer Mitteilung, dass die Rechnung bezahlt ist in ihr Posteingangsfach gelegt. Als die Anwältin schließlich 4 Tage später wieder im Büro ist und die Akte bearbeitet ist die Frist zur Einlegung der Berufung bereits abgelaufen.

Ich weiß, das ist jetzt sehr konstruiert, trifft aber so ziemlich den Punkt: Obwohl man argumentieren könnte, dass die Frist zur Einlegung der Berufung durch die Erkrankung der Anwältin fahrlässig versäumt wurde, ist es doch eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung, denn die Anwältin wäre verpflichtet gewesen, die Frist zu notieren und den Mandanten entsprechend zu informieren. Als Anwältin weiß sie natürlich auch um die Folgen der Fristversäumung und damit weiß sie auch, dass dem Mdt. ein Schaden entsteht. Sprich sie hätte auch in diesem Fall dafür Sorge tragen müssen, dass die Frist in jedem Fall notiert und z.B. durch eine entsprechende Verfügung sicher gehen müssen, dass die Berufung im Falle der Zahlung der Kosten fristgemäß eingelegt wird.

117 Abs. 3 regelt im Grunde nur, dass die Versicherung gegenüber Dritten nur leisten muss, sofern sie auch gegenüber dem VN leisten müsste. Da Vorsatz ein Ausschlussgrund ist, habt ihr demzufolge also auch keinen Freistellungsanspruch ggü. der Versicherung. Euch bleibt also nur der Klageweg, damit festgestellt wird, dass es sich um eine fahrlässige Amtspflichtverletzung handelt.

Im übrigen kann die Versicherung auch deshalb leistungsfrei sein, weil die Anwältin den Schadeneintritt nicht gemeldet hat. In diesem Fall hilft euch auch keine weitere Klage gegen die Versicherung. Ich würde daher zunächst noch einmal schriftlich mit der Versicherung in Kontakt treten und darlegen, warum es sich aus eurer Sicht um eine lediglich fahrlässige Amtspflichtverletzung handelt. Zugleich würde ich nachfragen, wann genau der Schaden durch die Anwältin gemeldet wurde. Ist die Meldung rechtzeitig erfolgt, die Versicherung lehnt die Leistung aber weiterhin unter Hinweis auf Vorsatz ab, könnt ihr klagen, wenn euer Mandant dies möchte.

Wisst ihr denn, warum die Berufungsfrist versäumt wurde? Wenn nicht, stehen eure Chancen bei einer solchen Klage nämlich ausgesprochen schlecht, denn die Anwältin wird (und darf wegen des Versicherungsfalls) euch hierzu keine Auskünfte geben.

Dass die Haftplichtversicherer in solchen Fällen die Hände heben und nicht zahlen ist zwar für den Gläubiger blöd aber meiner Meinung nach durchaus verständlich. Denk nur mal an mögliche Schadensumme, die bei bewussten Amtspflichtverletzungen entstehen können. Google mal den Begriff "Mitternachtsnotar". Das dürfte dir helfen, die Reaktion der Versicherer zu verstehen (ich rede jetzt ausdrücklich nicht von der Mitschuld der "Geschädigten", denn es handelt sich dabei um Vorfälle die so heftig sind, dass eigentlich jedem hätte klar sein müssen, dass da was im Argen liegt und das ist ja nun nicht bei jeder vorsätzlichen Amtspflichtverletzung der Fall. Aber die Versicherer haben dann halt nur zwei Möglichkeiten: entweder sie schließen die Haftung bei Vorsatz aus oder sie zahlen und zwar immer).
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#5

27.11.2017, 09:48

Guten Morgen, gemäß unserer Klage im Haftungsprozess gegen die RAin, hat die RAin den Verhandlungstermin wahrgenommen und VT wurde anberaumt. Dann wurde ein klageabweisendes Urteil gefällt. Unser Mandant hat von diesem Urteil erfahren, weil ein Brief des GVZ in seinem Briefkasten lag, in welchem stand, dass die Kosten des Verf. gegen ihn vollstreckt werden sollen. Er wusste weder vom Urteil noch vom KFA. Seine RAin gab ihm die Auskunft, dass sie weder vom Urteil noch vom KFA weiß. Vom VT wusste sie, weil dieser in der Verhandlung bekannt gegeben wurde. Das Urteil wurde an sie versandt und gem. Zustellungsurkunde in den Briefkasten ihres "Geschäftsraumes" eingelegt. Somit kann sie sich nicht darauf berufen, das Urteil nicht erhalten zu haben.
Im Haftpflichtprozess hat sie weder ihre Verteidigung angezeigt noch ist sie zum Termin erschienen.
Die Vers. hat die RAin 2 x (!?) angeschrieben, die Briefe kamen zurück. Eine Reaktion der RAin blieb bis heute gänzlich aus. Sie steckt also den Kopf in den Sand und kommt damit durch?
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mücki
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#6

27.11.2017, 10:02

Guten Morgen,

ja, leider sieht es so aus, es sei denn, ihr macht die Anwältin irgendwie ausfindig und vollstreckt gegen sie persönlich.

Aus meiner Sicht liegt hier ziemlich deutlich eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung vor, da ein Anwalt natürlich dafür Sorge zu tragen hat, dass ihn Zustellungen auch erreichen. Wobei der Umstand, dass das Urteil scheinbar per PZU zugestellt wurde, schon darauf hin deutet, dass es min. der zweite Zustellungsversuch war. Zudem hätte es durchaus in ihrer Verantwortung gelegen, sich beim Gericht zu erkundigen, was denn verkündet wurde, wenn sie innerhalb einer bestimmten Zeit keine Zustellung erhält. Die Amtspflichtverletzung liegt hier also schon deutlich früher als in dem Versäumen der Berufungsfrist. Dass es sich bei den Geschehnissen um eine lediglich fahrlässige Amtspflichtverletzung handelt, bei der die Vermögensschadenhaftpflicht leisten muss, halte ich für ausgeschlossen aber das sollte sich dein Chef ggf. noch einmal ansehen, dafür ist er schließlich Volljurist. 8) :pfeif

Allerdings habt ihr dann immer noch das Problem, dass die Anwältin den Schaden ja offensichtlich weder gemeldet, noch ihrer Versicherung für Auskünfte zur Verfügung gestanden hat, sodas schon aus diesem Grund Leistungsfreiheit bestehen dürfte.
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