Fehlende Zustellung Räumungstitel etc.

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
Cal
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#1

26.09.2016, 09:40

Hallo,

der Sachverhalt ist folgender: Mdt. mietete gemeinsam mit 2. Person eine Wohnung. Beide sind Hauptmieter. Mdt. ist nie in die Wohnung eingezogen, was der Vermieter auch wusste. Sämtliche Kommunikation erfolgte in der Folge nur zw. der 2. Person und der Vermieterin. Es erging ein Räumungsurteil (2 Versäumnisurteile) von dem Mdt. erst 1,5 Jahre später Kenntnis erhielt. Nunmehr ist offenbar die Räumung erfolgt und der Vermieter macht die Kosten nun natürlich ggü. Mdt. geltend.

Meiner rechtl. Einschätzung nach wurden weder die Kündigung noch der Räumungstitel meiner Mdt. wirksam zugestellt. Auch der Räumungstermin wurde ihr ggü. nicht wirksam verkündet Nur: was mache ich jetzt? Noch Einspruch gegen das 2. VU einlegen? Für eine Vollstreckungsabwehrklage dürfte es wohl zu spät sein.

Argumente wären neben der mangelnden Zustellung: rechtsmissbräuchliches Vorgehen, da der Vermieter wusste, dass Mdt. nie in die Wohnung eingezogen ist sowie Verwirkung, da die Wohnung nun erst 2 Jahre nach Erlass des Titels geräumt wurde, wobei letzteres schwierig sein dürfte, da es am Umstandsmoment fehlen dürfte bzw. die Kommunikation zw. der 2. Person und dem Vermieter unbekannt ist.

Vielen Dank schon mal,
Cal
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AliceImWunderland
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#2

26.09.2016, 10:01

Vielleicht hilft dir das bei deinen rechtlichen Überlegungen:

"Will der Vermieter mehreren Mietern einer Wohnung kündigen, kann es ausreichen, wenn er nur einen der MIeter anschreibt." BGH, Urteil vom 10.12.2014, VIII ZR 25/14.

Sicherlich kommt es auch darauf an, welche Kommunikation unter den Eheleuten zum Zeipunkt der Kündigung und des Rechtsstreits bestand und darauf, ob der Vermieter damit rechnen kann, dass die Ehefrau den Ehemann über die Kündigung und den drohenden Räumungsprozess unterrichtet.
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#3

26.09.2016, 10:06

Wann hat Dein Mandant denn von dem 2. Versäumnisurteil Kenntnis erlangt?
Cal
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#4

26.09.2016, 10:26

Es handelt sich nicht um Eheleute, sondern um Geschwister. Der Titel lautet auf beide.

Ende 2015 hat Mdt. Kenntnis erlangt durch den Vermieter aufgrund mehrfacher Nachfrage. Bis dato wurden Briefe der Mdt. vom Vermieter stets ignoriert.
Selbst wenn Mdt Kenntnis erlangt hat, dürfte die Einspruchsfrist ja dennoch nicht laufen, da es dennoch an der Zustellung fehlt.
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niva
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#5

26.09.2016, 10:28

Cal hat geschrieben:Selbst wenn Mdt Kenntnis erlangt hat, dürfte die Einspruchsfrist ja dennoch nicht laufen, da es dennoch an der Zustellung fehlt.
Kenntnis heilt den Zustellungsmangel: § 189 ZPO
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#6

26.09.2016, 10:45

ich muss Niva zustimmen. Damit ist die Einspruchsfrist (bzw. beim 2. Vu die Berufungsfrist) lange abgelaufen. Das nenne ich echtes Pech für deinen Mandanten. :sad:
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#7

26.09.2016, 10:47

Naja, eine Widereinsetzung ginge ja noch. Das habe ich ihr damals als sie das 1. Mal kam nach dem Gesrpäch auch per Mail vorgeschlagen, aber sie meldete sich nicht mehr....

Ich frage mich, ob nun noch etwas möglich ist hinsichtlich der Kosten der Räumung, da sie vom Räumungstermin ja keine Kenntnis hatte. Nur ist mir da nicht klar, welcher Rechtsbehelf in Frage käme. Hat jemand eine Idee?

Ansonsten kann sie halt gegen ihr Geschwisterkind vorgehen, aber das hat natürlich kein Geld...
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#8

26.09.2016, 10:54

Cal hat geschrieben:Ich frage mich, ob nun noch etwas möglich ist hinsichtlich der Kosten der Räumung, da sie vom Räumungstermin ja keine Kenntnis hatte. Nur ist mir da nicht klar, welcher Rechtsbehelf in Frage käme.
Sind die Kosten der Räumung denn tituliert? Wenn es einen Kfb gibt, kämen Erinnerung bzw. sofortige Beschwerde (wenn Wert der Beschwer über 200 €) in Betracht.
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#9

26.09.2016, 11:02

icerose hat geschrieben:
Cal hat geschrieben:Ich frage mich, ob nun noch etwas möglich ist hinsichtlich der Kosten der Räumung, da sie vom Räumungstermin ja keine Kenntnis hatte. Nur ist mir da nicht klar, welcher Rechtsbehelf in Frage käme.
Sind die Kosten der Räumung denn tituliert? Wenn es einen Kfb gibt, kämen Erinnerung bzw. sofortige Beschwerde (wenn Wert der Beschwer über 200 €) in Betracht.
Ich denke, hier sollte man nicht gegen den KFB, sondern gegen die Kostengrundentscheidung im Urteil vorgehen.
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#10

26.09.2016, 11:05

Ok, also, ich denke, ich muss/kann dann gegen den Vermieter vorgehen, der jetzt nämlich ziemlich viel Geld von der Mdt. will (evtl. unberechtigte Forderungen). Eigentlich ein spannender Fall, aber mal wieder sehr anstrengend.

Danke für eure Antworten!!!!

LG, Cal
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