Pfändung Taschengeldanspruch

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
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XLadyX
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#1

15.02.2012, 19:49

Huhu,
kann mir mal einer erklären wie man den Taschengeldanspruch bei einem Ehegatten berechnet zwecks Pfändung.
Wie verhält es sich da mit der Pfändungsgrenze?
Folgender Fall:
Schuldnerin: Einkommen zur Zeit nur Elterngeld in Höhe von 350,00 € (2 Kinder)
Ehemann: Einkommen 1.400,00 € netto
Man wird eh nichts holen können aber ich möchte für die Zukunft wissen wie der Taschengeldanspruch berechnet wird. Besteht der bei minderjährigen Kindern auch gegenüber den Eltern. Oder bei volljährigen Kindern gegenüber den Eltern wenn die überhaupt kein Einkommen haben. :thx
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#2

16.02.2012, 02:06

Über die Höhe (und bedingte Pfändbarkeit) des Taschengeldanspruchs aus den Entscheidungsgründen (ganzer Beschluss lesenswert!):
BGH, IXa ZB 57/03, Beschl. v. 19.03.2004, (Lexetius 2004, 1245)

Seine Höhe richtet sich nach den im Einzelfall gegebenen Vermögensverhältnissen, dem Lebensstil und der Zukunftsplanung der Ehegatten und wird in der Rechtsprechung üblicherweise mit einer Quote von 5 % bis 7 % des zur Verfügung stehenden Nettogesamteinkommens bemessen (BGH, Urt. v. 21. Januar 1998 aaO S. 1554 f m.w.N.; v. 15. Oktober 2003 aaO S. 677; krit. Braun AcP 195 (1995), 311, 321 ff; ders. NJW 2000, 97, 97/98; Haumer FamRZ 1996, 193).

(...)

Für die Beurteilung der Billigkeit sind neben der Höhe der Bezüge, insbesondere der Höhe des dem Schuldner im Falle der Pfändung verbleibenden Betrages, vor allem Art und Umstände der Entstehung der beizutreibenden Forderung von Bedeutung (vgl. OLG München FamRZ 1988, 1161, 1165). So kann die Pfändung zur Beitreibung privilegierter Ansprüche im Sinne der §§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO der Billigkeit entsprechen (vgl. OLG Hamm Rpfleger 2002, 161; OLG Schleswig Rpfleger 2002, 87, 88). Je nach Lage des Einzelfalles können für die vom Vollstreckungsgericht zu treffende Billigkeitsentscheidung ferner von Bedeutung sein eine besondere Notlage des Gläubigers (vgl. BGH, Urt. v. 31. Oktober 1969 - V ZR 138/66, NJW 1969, 252, 253), die wirtschaftliche Situation und der Lebensstil des Schuldners, das Verhalten der Beteiligten bei der Entstehung oder der Beitreibung der Forderung sowie mögliche Belastungen, die für die Ehe des Schuldners aufgrund der Pfändung entstehen könnten (vgl. im einzelnen Schuschke/Walker, aaO, § 850b Rn. 3; Musielak/Becker, aaO § 850b Rn. 4, 11; Zöller/Stöber, aaO § 850b Rn. 15). Auch die Höhe der zu vollstreckenden Forderung und die voraussichtliche Dauer der Pfändung können in die Bewertung einfließen (vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 1997, 1494, 1495; OLG Köln, FamRZ 1995, 309, 310; Musielak/Becker, aaO, § 850b Rn. 4). Tatsachen, aus denen sich nach den genannten Grundsätzen ergibt, daß die Pfändung des Taschengeldanspruchs des Schuldners der Billigkeit entspricht, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige (vgl. OLG München FamRZ 1988, 1161, 1163; OLG Nürnberg Rpfleger 1998, 294, 295; Musielak/Becker, aaO § 850b Rn. 11; Wieczorek/Schütze/Lüke, aaO, § 850b Rn. 12; Zöller/Stöber, aaO § 850b Rn. 15) Gläubigerin jedoch nicht vorgetragen.
Bei dem von Dir beschriebenen Beispiel wären das ohne Kinder vielleicht noch ein bisschen; mit den Kindern sind es abere andere Umstände, so dass kein pfändbarer Teil bei dem geringen Gesamtnettoeinkommen verbleiben dürfte, da ansonsten unbillige Härte vorliegen würde. Aber gerade aus dem zweiten langen Absatz mitnehmen: Wenn ich den Taschengeldanspruch "pfübbe:" Ich muss etwas darüber begründen, warum es der rechtlichen Billigkeit entspricht, den Anspruch zu pfänden. Da oben stehen ja schon ein paar Themengebiete, auf die man dabei eingehen kann.

Und zu guter letzt auch nicht vergessen, wenn es um die Erfolgsaussicht der Vollstreckungsmaßnahme geht: Der Drittschuldner gehört immer noch zum engsten Familienkreis des Schuldners, was auch zu Problemen "nach dem PfÜB" führen kann.

* Wir haben ein 2-Stufen-Konzept. Von dem Jahreseinkommen des Ehepartners ist ggf. eine Steuernachzahlung in Abzug zu bringen, dann auf Monatseinkommen umzurechnen. Dem Schuldnereinkommen ist ein sog. "Wohnvorteil" zu addieren, da dieser ja "umsonst" bei seinem Ehepartner wohnen darf. Das ist die ortsübliche Miete, ich nehme da immer nur die Hälfte. Dann muss ich aber ggf. sog. "berufsbedingte Aufwendungen" berechnen, also 0,30 EUR/km für die Entfernung von Wohnung zur Arbeitsstätte des Ehepartners. Dann muss ich 1/7 Erwerbstätigenbonus abziehen, sonst lohnt sich die Maloche doch gar nicht. Jetzt habe ich ein Einkommen, dass ich für den Taschengeldanspruch berücksichtigen kann. Sind 50 % hiervon, da sich das Gesamtnettoeinkommen der Familie ja wieder auf 2 Köpfe verteilt, und der Betrag wiederum über der Pfändungsfreigrenze (~1.030,00 EUR) dann könnte ich 7/10 davon pfänden.

Auf Dein Beispiel konkret angewendet hieße das:

EUR 1.400,00+ Monatseinkommen Ehepartner
EUR 350,00+ Monatliches Kindergeld
----------------------------------------
EUR 1.750,00+ Zwischensumme (unbereinigtes Monatseinkommen)
EUR 400,00+ Wohnvorteil (halbe Miete, habe ich mal für 4 Zimmer mit 800,- EUR geschätzt)
EUR 350,00+ berufsbedingte Aufwendungen des arbeitenden Ehepartners
---------------------------------------
EUR 2.500,00+ Zwischensumme
EUR 360,00- Ein grobes 1/7 Abzug, damit der Ehepartner auch was von seinem Job hat (Erwerbstätigenbonus)
---------------------------------------
EUR 2.140,00+ Zwischensumme (Verfügbares Familiennettoeinkommen)
EUR 1.070,00- (1/2) Halbieren, da zwei Ehepartner
---------------------------------------
EUR 1.070,00 vermuteter "Unterhalts"-Anspruch Deiner Schuldnerin
Jetzt wären eigentlich * 0,07 (= 7 vom Hundert = 7 ProZent) = 74,90 EUR Taschengeldanspruch

1.) ABER: Die Pfändungsfreigrenzen greifen auch bei diesem Einkommen. Nach Tabelle zu § 850c ZPO beträgt der pfändbare Betrag bei einem Einkommen von EUR 1.070,- und 2 Kindern genau 0,00 EUR, sodass der Taschengeldanspruch in Deinem Beispiel in jedem Fall unpfändbar ist.

2.) ABER: Selbst wenn keine Kinder da wären, müssen 3/10 vom Taschengeldanspruch erhalten bleiben. Sprich: Könnte man pfänden, es wären nur (74,90 * 7 / 10 = ) 52,43 EUR pfändbar.

...habe absolutes Verständnis dafür, dass es leider nicht sooooo einfach ist. ;(
Jedoch: Die entsprechende Rechtsprechung des BGH ist für das Gericht obsolet. Beim BGH handelt es sich um ein von Parteibuch-Richtern (..) dominierten Tendenzbetrieb, der als verlängerter Arm der Reichen und Mächtigen allzu oft deren Interessen zielfördernd in seine Erwägungen einstellt und dabei nicht davor zurückschreckt, Grundrechte zu mißachten, wie kassierende Rechtsprechung des BVerfG belegt.
- LG Stuttgart, Urteil vom 12.06.1996, Az: 21 O 519/95 -
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#3

18.02.2012, 16:52

Erstmal danke für deine Erklärung? Aber eine Frage habe ich noch: Warum muss ein Wohnvorteil mit berechnet werden??
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#4

18.02.2012, 20:33

Gerne? :)

Weil Dein Taschengeldanspruch ein Teil vom möglichen Unterhaltsanspruch als fiktives Einkommen ist. Wer also selbst nicht zur Miete beiträgt, aber umsonst wohnt, hat einen anrechenbaren geldwerten Vorteil erwirtschaftet, der als "Einkommen" im Sinne der Unterhaltsberechnung auch so angerechnet werden kann.
Jedoch: Die entsprechende Rechtsprechung des BGH ist für das Gericht obsolet. Beim BGH handelt es sich um ein von Parteibuch-Richtern (..) dominierten Tendenzbetrieb, der als verlängerter Arm der Reichen und Mächtigen allzu oft deren Interessen zielfördernd in seine Erwägungen einstellt und dabei nicht davor zurückschreckt, Grundrechte zu mißachten, wie kassierende Rechtsprechung des BVerfG belegt.
- LG Stuttgart, Urteil vom 12.06.1996, Az: 21 O 519/95 -
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