Gehaltspfändung - wer wird zuerst bedient???

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
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Bibi
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#1

15.01.2008, 15:14

Hallo liebe Kolleginnen/Kollegen, ich hab mal ne Frage zu folgendem ZV Fall:

Wir haben das Gehalt eines Schuldners gepfändet und im Pfüb wurde mit aufgenommen, dass der Arbeitgeber/Drittschuldner die beiden Kinder des Schuldners nur zu 1/2 (also insgesamt 1 Kind) berücksichtigen darf. Laut Tabelle ergäbe sich so auch ein pfändbarer Betrag.

Jetzt besteht aber eine Vorpfändung zu Gunsten des Finanzamtes. Diese hat keinen entsprechenden Antrag hinsichtlich der Berücksichtigung der Kinder im Pfüb mit aufgenommen und erhält somit keine pfändbaren Beträge.

Nun meine Frage, müssten wir jetzt nicht Geld aufgrund des Pfübs erhalten? Ist ja nicht unsere Schuld wenn der Vorgläubiger den Antrag nicht stellt und sich somit kein pfändbarer Betrag ergibt.

Vielleicht hatte jemand von Euch schonmal einen ähnlichen Fall und kann mir hier helfen wie ich gegenüber dem Arbeitgeber entsprechend argumentieren kann.

LG
Bibi
StineP

#2

15.01.2008, 15:38

Schau mal in 850d ZPO - eigentlich gibt es ein "Vorrecht" für Unterhaltsgläubiger.

("Wenn ein Arbeitnehmer Unterhalt an Familienangehörige zu zahlen hat, sieht § 850d ZPO eine besondere geringere ­pfändungsfreie Grenze vor. Die Forderungen der vom Unter­halt des Arbeitnehmers abhängigen Angehörigen sind gegenüber "normalen" Gläubigern deshalb bevorrechtigt, weil sie sonst auf die Leistungen der Sozialhilfe verwiesen werden müssten. Der pfändungsfrei bleibende Betrag wird zur Sicherstellung eines Unterhaltsanspruchs ermäßigt, da vom Zahlungspflichtigen weitergehende Anstrengungen zu Gunsten seiner Gläubiger (d.h. seiner Angehörigen) erwar­tet werden, d.h. er muss sich mit weniger "freiem" Geld zufrieden geben. Nach § 850d ZPO muss dem Arbeitnehmer von seinem Verdienst (nur) soviel verbleiben, als er für sei­nen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufen­den (= anderen) Unterhaltspflichten bedarf, dabei darf der Freibetrag aber niemals den Betrag übersteigen, der ihm nach § 850c ZPO gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern verbleiben sollte - nicht einmal dann, wenn der Schuldner im Einzelfall Anspruch auf höhere Sozialhilfeleistungen hät­te (OLG Stuttgart, NJW-RR 1987, 758),")
Andreas

#3

15.01.2008, 15:56

Es dürfte hier nicht um die Frage des Unterhaltsgläubigers gehen, oder sprechen wir hier von einer Pfändung wegen Unterhalts ? Denke ich nicht.

Bibi, wie ich das sehe, liegt ihr richtig:

Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rn. 1071:
Wenn nach mehrfacher Einkommenspfändung nur einer der Gläubiger eine Bestimmung des Vollstreckungsgerichts nach § 850 c Abs. 4 ZPO beantragt, wirkt die Anordnung nur für die für seinen Pfändungszugriff vorzunehmende Einkommensberechnung (Grundsatz der Einzelvolstreckung), nicht auch zugleich zugunsten anderer Pfändungsgläubiger, BArbG BAG 46, 148 (u. jede Menge andere)
Ernie

#4

15.01.2008, 16:18

:zustimm Andreas

Deine Pfändung muss jetzt durch den Drittschuldner bedient werden, da Du durch Deinen Antrag eine "tiefere" Zugriffsmöglichkeit geschaffen hast.

Die meisten Drittschuldner "übersehen" das, so dass Du den Drittschuldner einfach nochmal darauf hinweisen solltest!
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Bino
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#5

15.01.2008, 19:02

@Bibi, ich bin mal neugierig. Welche Infos lagen Dir vor, dass Du diesen Antrag gestellt hast?
Erzähle es mir - und ich werde es vergessen;
zeige es mir - und ich werde mich erinnern;
lass es mich tun - und ich werde es behalten.
(Konfuzius)

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Bibi
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#6

15.01.2008, 20:35

@Bino,

in der EV hatte der Schuldner angegeben, dass er 2 Kinder mit seiner Lebensgefährtin hat. Ich habe dann eben beantragt die Kinder je nur zu 1/2 zu berücksichtigen, da die Kindesmutter ebenfalls ihre Unterhaltsverpflichtung mindestens zu je 1/2 erfüllen wird. Das mache ich immer, egal ob der Partner des Schuldners arbeiten geht oder nicht. Einige Richter lassen das natürlich nicht durchgehen, aber zu 80 % hab ich damit Erfolg.
Kimmy

#7

15.01.2008, 20:40

super Bibi! Erst gestern habe ich noch mit einem Rechtspfleger telefoniert wegen meinem Antrag, das Kind unberücksichtigt zu lassen. Der meinte, dass das total wenige tun würden und hat mich gefragt, wie ich drauf kommen würde (im VV steht, dass die Ehefrau eigenes Einkommen hat)...

Ansonsten gilt: Wer den Antrag beim Vollstreckungsgericht durchsetzen kann, kommt auch in den Genuss der DS-Zahlungen. DS muss an euch bezahlen, auch wenn ihr im Rang nicht an erster Stelle steht.
Andreas

#8

15.01.2008, 20:41

Erstaunlich :daumen

*gleichmalhinterdieohrenschreib*

Vielleicht könntest du ja mal die ein oder andere Entscheidung hier posten, also AG xxx., Az. 123 M 435/08 oder so, in der Form ? Dann hätte man was, worauf man sich berufen kann !

Mit welcher Formulierung beantragst du das ? Vielleicht könntest du die ja auch noch hier reinkopieren, dann wäre wahrscheinlich allen geholfen :D
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Bibi
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#9

16.01.2008, 09:14

Meine Standardformulierung sieht so aus (muss entsprechend umgeschrieben werden, je nachdem, was man pfändet):

Gleichzeitig beantrage ich zur Berechnung des nach § 850 c ZPO pfändbaren Teils der gepfändeten Bezüge des Arbeitsamtes, wie z. B. Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Fortbildungs- und Umschulungsbeihilfe, bestehend aus Ausbildungsgeld, Unterhaltsgeld und Übergangsgeld gemäß § 850 c IV den Ehemann der Schuldnerin unberücksichtigt zu lassen sowie die beiden Kinder der Schuldnerin jeweils nur zu 1/2 zu berücksichtigen, da der Ehemann der Schuldnerin über eigenes Einkommen verfügt um damit seinen Lebensunterhalt zu decken und sich hälftig an den Unterhaltskosten der Kinder zu beteiligen.

Bezüglich der volljährigen Kinder der Schuldnerin wird auf den BGH-Beschluß vom 09. Mai 2003 (Ixa ZB 73/03) verwiesen, wonach volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, trotz ihrer materiellen unterhaltsrechtlichen Gleichstellung mit minderjährigen Kindern mit ihren Ansprüchen nicht im Rang von § 850d Abs. 2 a ZPO zu berücksichtigen sind.

Siehe hierzu auch Beschluss des LG Stade vom 28.03.2000 zu 7 T 41/00.

Näheres lässt sich auch entnehmen: Renopraxis 5/2003 vom 15.05.2003 ab Seite 73.

Hoffe ich war hilfreich.
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Bino
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#10

16.01.2008, 20:04

@Bibi: vielen Dank

Das baue ich gleich mal in meinen PfÜb-Antrag mit ein.

Man lernt nie aus. Ich habe immer nur beantragt, dass der Ehepartner bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen ist, wenn er eigenes Einkommen hat.
Erzähle es mir - und ich werde es vergessen;
zeige es mir - und ich werde mich erinnern;
lass es mich tun - und ich werde es behalten.
(Konfuzius)

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