ZV eines Arbeitszeugnisses

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
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Frau Geheimrat
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#11

05.12.2017, 14:26

Pitt hat geschrieben:Ich kann Dir zu dem Thema 3 Beschlüsse anbieten: BAG, 14.02.2017, 9 AZB 49/16 - BAG, 09.09.2011, Az. 3 AZB 35/11 - LAG Hamm, 04.08.2016, 12 Ta 475/16
Man müsste hier den genauen Wortlaut des Vergleichs und das Zeugnis checken. Wenn in dem Vergleich lediglich von einem wohlwollenden, qualifizierten Zeugnis die Rede ist und keine konkrete Benotung der Leistung enthalten ist, dann besteht m. E. grundsätzlich erst mal nur ein Anspruch auf ein Arbeitszeugnis mit der Note "befriedigend". Weicht der Arbeitgeber nach unten ab, ist er für die unterdurchschnittliche Leistung des Arbeitnehmers beweispflichtig. Ebenso muss der Arbeitnehmer im Streitfall beweisen, dass er eine überdurchschnittliche, also gute oder sogar sehr gute Leistung an den Tag gelegt hat. Zeugnisentwurf hin oder her, der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein wahrheitsgemäßes Zeugnis zu erteilen. Insbesondere der Beschluss vom LAG Hamm aus 2016 könnte Dir evtl. weiterhelfen. Dort hatte der Arbeitgeber ein so extrem gutes Zeugnis erteilt, dass es durch seine Überhöhungen nur ironisch aufgefasst werden konnte.
Der BAG-Beschluss aus 2011 befasst sich u. a. mit dem gesetzlich geschuldeten Inhalt eines Zeugnisses.
Vielen Dank!

Könnte ich denn der Mandantin nun ruhigen Gewissens raten, die ZV durchzuführen? Zumindest um ein qualifiziertes Zeugnis mit einer durchschnittlichen Note zu erwirken oder ist es ratsamer ins Klageverfahren zu gehen? Wir haben ja im Vergleich festgeschrieben, dass der Arbeitgeber nach Entwurf erstellen soll und nur mit Begründung hiervon abweichen darf.

Ich will nur nicht jetzt raten, in die ZV zu gehen, wenn eine Klage womöglich sinnvoller wäre. Die Mandantin hat das Klageverfahren schon mit PKH bestritten und ist alleinerziehend mit einem kleinen Kind.
Pitt
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#12

05.12.2017, 14:37

Ich würde hier zunächst noch mal den RA anschreiben, Zustellung von RA zu RA vorab per Fax, die zu korrigierenden Schreibfehler und Fehler bei den sonstigen Daten im Einzelnen aufführen und unter Fristsetzung auffordern, die Gründe mitzuteilen, aus denen der Arbeitgeber vom Zeugnisentwurf abgewichen ist und darüber hinaus die offensichtlichen Fehler zu berichtigen. Das Original-Zeugnis würde ich daher an den RA zurücksenden unter Hinweis darauf, dass es in seiner jetzigen Form nicht dem Vergleich entspricht. In der Zwischenzeit kann dann mit der Mandantin geklärt werden, ob Sie sich mit einem durchschnittlichen Zeugnis zufrieden geben würde.
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#13

05.12.2017, 14:46

Im Anhang ist das Arbeitszeugnis des Arbeitgebers im Vergleich wurde wortwörtlich vereinbart:

Die Beklagte erteilt der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis das sich auf Führung und Leistung erstreckt und gibt dieses Zeugnis zu Händen des Klägervertrers heraus. Die Klägerin ist berechtigt, einen Zeugnisentwurf zu erstellen, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen kann.

Diesen Zeugnisentwurf haben wir vor 2 (!) Monaten dem Arbeitgebervertreter zugestellt. Überflüssig zu erwähnen, dass das vom Arbeitgeber vorgelegte Zeugnis kein Vergleich hierzu ist.
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Pitt
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#14

05.12.2017, 15:03

Guck Dir mal den Beschluss des BAG aus 2011 an. Dort heißt es am Ende:
Im Rahmen der neuen Entscheidung wird das Beschwerdegericht zu prüfen haben, ob der Kläger der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorgelegt hat und ob die Beklagte ein diesem Entwurf entsprechendes pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis erteilt hat. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären, ob das von der Beklagten erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf „entspricht“. Dies erfordert nicht, dass der Zeugnisentwurf Wort für Wort übernommen worden ist. So ist die Beklagte insbesondere nicht verpflichtet, Grammatik-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler zu übernehmen. Das Zwangsvollstreckungsverfahren kann auch nicht dazu führen, dass die Beklagte ein Zeugnis erteilen muss, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Bis zu dieser Grenze ist die Beklagte aber im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO anzuhalten, ein dem Entwurf des Klägers entsprechendes Zeugnis zu erteilen. Allerdings ist das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht geeignet, die im Vergleich offengelassene Frage des Zeugnisinhaltes abschließend zu klären. Ob das vom Kläger begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht, kann im Vollstreckungsverfahren nicht geklärt werden. Sind Umstände nachvollziehbar vorgetragen, die ergeben, dass das verlangte Zeugnis nicht der Wahrheit entspricht und gelangt das Beschwerdegericht zur Auffassung, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der vorgetragenen Umstände mit dem erteilten Zeugnis den titulierten Anspruch erfüllt hat, hat das Landesarbeitsgericht den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Dem Kläger bleibt dann nur die Möglichkeit, eine Zeugnisberichtigung im Wege eines neuen Erkenntnisverfahrens zu verlangen
Der Arbeitgeber muss also - wie im Vergleich festgelegt - die Gründe für die Abweichung vom Entwurf mitteilen und Ihr müsst Euch mit diesen Gründen auseinandersetzen. Die Fehler sind natürlich zu korrigieren und die Fehlerkorrektur dürfte auch problemlos nach § 888 ZPO durchzusetzen sein. Die Frage ist halt, ob man sich vor ein weiteren Einschaltung des Gerichts noch einmal mit dem gegn. RA in Verbindung setzt und die Gründe für die Abweichung klärt oder das erst im ZV-Verfahren klären will, wobei bei diesem Punkt das Risiko besteht, dass vom Arbeitgeber Gründe präsentiert werden, die tatsächlich eine Abweichung vom Entwurf rechtfertigen.
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#15

05.12.2017, 15:17

Pitt hat geschrieben: Der Arbeitgeber muss also - wie im Vergleich festgelegt - die Gründe für die Abweichung vom Entwurf mitteilen und Ihr müsst Euch mit diesen Gründen auseinandersetzen. Die Fehler sind natürlich zu korrigieren und die Fehlerkorrektur dürfte auch problemlos nach § 888 ZPO durchzusetzen sein. Die Frage ist halt, ob man sich vor ein weiteren Einschaltung des Gerichts noch einmal mit dem gegn. RA in Verbindung setzt und die Gründe für die Abweichung klärt oder das erst im ZV-Verfahren klären will, wobei bei diesem Punkt das Risiko besteht, dass vom Arbeitgeber Gründe präsentiert werden, die tatsächlich eine Abweichung vom Entwurf rechtfertigen.
Danke, hab's gerade gelesen...

Es ist so ärgerlich, da bereits im Klageverfahren zunächst ein VU erging und der Arbeitgeber dann das Verfahren künstlich in die Länge gezogen hat. Die AN war krank und dem Arbeitgeber missfiel dies. Das ist jetzt das übliche Nachtreten :roll:

Ich habe ernsthafte Zweifel, dass das etwas bringen wird und hatte gehofft, dass es eine "einfache" Lösung gibt. :pfeif

Im Moment haben wir eben nur eine Mandatierung für die ZV. Aus der PKH sind wir mit Abschluss des Vergleichs raus.

Danke nochmal für die schnelle Hilfe und die Entscheidungen!
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