Titel-Umschreibung bei gelöschter Firma

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
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BP2015
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#1

19.08.2016, 09:18

Hallo liebe Gemeinde, :wink2
ich habe ein riesen Problem und benötige eure Hilfe und vielleicht einfach nur ein paar Gedankengänge.

Wir vertreten die Mandantin K gegen ein Autohaus B, vertreten durch die GF´in O in einer Gewährleistungssache (Kauf eines Porsches und anschließende Rückabwicklung des Kaufvertrages, da Motorschaden entstanden ist und bei der Reparatur und Begutachtung sich herausstellte, dass ein bereits gebrauchter und falscher Motor eingebaut wurde).
Es ging ins gerichtliche Verfahren.
Zu unseren Gunsten erging ein Urteil:
B wird verurteilt, an die K einen Betrag X EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Porsche zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die B mit der Rücknahme in Annahmeverzug ist.
Die B wird verurteilt, an die K Schadensersatz zu zahlen.
Die B wird verurteilt, an die K einen Betrag X EUR für die Einholung des außergerichtlichen Sachverständigengutachtens nebst Zinsen zu zahlen.
Die B wird verurteilt, an die K vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Ein Blick ins Handelsregister zeigte, dass die GF´in O nicht mehr Geschäftsführerin ist, sondern neuer GF ein Herr P ist.

B mit neuem GF P wurde aufgefordert den Porsche bei der K abzuholen und den Betrag X zu zahlen. Passiert ist nichts.

Die Zwangsvollstreckung wurde eingeleitet.

Der GV teilte mit, dass die B unbekannt verzogen ist und keine pfändbaren Gegenstände hinterlassen hat. Die Geschäftsräume werden sei Monate von einem neuen Inhaber betrieben. Eine neue Anschrift kann nicht ermittelt werden.

Es stellte sích sodann heraus, dass die frühere GF´in O unter identischer Anschrift das Autohaus X eröffnet hat.

Mit dem GV habe ich nochmals telefoniert, er meint das B große Verbrecher sind und wissen wie man am besten eine ZV umgehen kann. Er habe Gläubiger in hoher zweitstelliger Zahl gegen die B.

Meine Frage ist nun:

Kann ich den Titel auf die neue Firma umschreiben lassen? Wie gehe ich am besten vor?
Ist es überhaupt möglich noch an Gelder zu kommen bzw. die Zug um Zug Vollstreckung durchzuführen?

Ich hoffe sehr, dass einer von euch schon einmal so einen Fall oder einen identischen Fall hatte. In dieser Konstellation ist es mein 1.! :oops:

Liebe Grüße

Bianca
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AliceImWunderland
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#2

19.08.2016, 09:31

Als erstes solltest du hier ins Handelsregister schauen. Es ist wichtig zu wissen, ob hier bloß eine Umfirmierung (d.h. eine Namensänderung) oder eine Neugründung der Firma stattgefunden hat.
Warum ist am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig?!

Ich habe kein Whatsapp und ich werde auch keins bekommen. Ich stehe auf Datenschutz und bin voll Threema.
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Pitt
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#3

19.08.2016, 09:37

Zwei Fragen habe ich noch:
Rechtsform der Schuldnerin = GmbH?
Was wurde aus der Firma, gegen die Ihr den Titel erwirkt habt (Insolvenz, Liquidation, Gewerbeabmeldung oder Modell "Tür-zu-und-weg"?)
Nach der vorstehenden Darstellung sehe ich schwarz, aus dem Titel erfolgreich vollstrecken zu können. Man könnte allenfalls noch strafrechtliche Konsequenzen des Verhaltens der Schuldnerin prüfen.
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#4

19.08.2016, 09:49

Hallo Alice,
laut HR ist es eine Neugründung!
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#5

19.08.2016, 09:55

Hallo Pitt,
laut HR ist die alte Firma noch "am Laufen". Ich denke eher an das Modell "Tür-zu-und-weg"!
Die alte Firma befand sich auf der xxx Straße 100, die neue ist jetzt auf der xxx Straße 102!
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niva
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#6

19.08.2016, 10:17

eine Titelumschreibung ist nur bei einer Rechtsnachfolge möglich und nicht weil die beiden Firmen Nachbarn sind oder waren. du haftest ja auch nicht für die Schulden deines Nachbarn. ;)
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#7

19.08.2016, 10:23

Wenn es eine Neugründung ist, sehe ich - wie Pitt - schwarz.

Der einzige Weg um eine Rechtsnachfolgeklausel zu bekommen, ist nachzuweisen, dass bei der Neugründung der Firma die Absicht bestand, mit der Neugründung die Gläubiger der alten Firma zu "prellen". Außerdem muss nachgewiesen werden, dass die neue Firma quasi die Geschäfte der alten Firma weiterführt, samt Inventar, Mitarbeiter, Kunden und Aufträge und dass die neue Firma auch die Aufträge der alten Firma abwickelt. Es ist für einen Gläubiger fast unmöglich, diese Beweise zu erbringen. Am einfachsten ist es, eine Strafanzeige gegen den GF zu stellen und die Staatsanwaltschaft ermitteln zu lassen. Mit den entsprechenden Ermittlungsergebnissen kann man dann vielleicht etwas anfangen. Aber wie gesagt, es ist sehr kompliziert und "wackelig".
Warum ist am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig?!

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#8

19.08.2016, 10:27

Du kannst den Titel nicht auf die neue Firma "umschreiben" lassen.
Man könnte dem GF die Vermögensauskunft abnehmen lassen (Privatanschrift bekommt man vom HR), wenn nicht bereits eine Vermögensauskunft vorliegt. Ab und zu sitzt dann so ein GF im Ausland. Die Frage ist auch, ob tatsächlich nur ein GF-Wechsel vorliegt oder die Geschäftsanteile der Firma evtl. auch an den neuen GF oder eine weitere Person verkauft worden sind (gerne für 1,00 € gg. Übernahme sämtlicher Aktiva und Passiva). Dann bleibt noch die Prüfung der strafrechtlichen Konsequenzen des Verhaltens der B (z. B. wg. des Verdachts der Insolvenzverschleppung). Dazu bräuchte man aber einen Einblick in die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft.
Kann auch gut sein, dass die Firma demnächst Insolvenz anmeldet, wenn z. B. einer der Gläubiger zu aufdringlich wird. Man kann das HR darüber informieren, dass der GVZ mitgeteilt hat, dass die inländische Geschäftsanschrift tatsächlich verwaist ist und unter Hinweis auf die Verletzung der der Gesellschaft obliegenden Bekanntmachungspflichten das HR um entsprechende Recherche der neuen Geschäftsanschrift bitten. Das HR schreibt dann die Gesellschaft/den GF an und fordert ihn zur Mitteilung der aktuellen inländischen Geschäftanschrift auf. Reagiert er nicht, kann ein Bußgeld festgesetzt werden, das Ganze kann bis zur Löschung der Gesellschaft von Amts wegen gehen, aber damit ist einem dann auch nicht geholfen.
Diese Art Geschäftsmodell ist hier bekannt: Firma häuft Schulden an, wechselt fleißig den GF (gerne sog. "Firmenbestatter"), verkauft die ganze Chose für 1,00 € und der Gesellschafter/Geschäftsführer der letzten Gesellschaft wird dort als Geschäftsführer angestellt (für 900,00 € netto im Monat). Die alte Firma bleibt im HR, wird nicht abgemeldet und der GVZ erzählt einem dann was von 20 Firmenschildern an einem Briefkasten an einer Lagerhalle im Nirgendwo. Ich hatte hier schon Firmen, die angeblich in einem Parkhaus untergebracht worden sind oder wo nicht einmal eine Hausnummer zur Straße im HR verzeichnet war. Da kratzt man sich schon am Kopf.
Ich würde dem Mandanten in Ruhe das Kosten-/Nutzenrisiko darlegen und dann entscheiden, wie viel man hier investieren will.
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#9

19.08.2016, 10:37

:thx :thx :thx Vielen lieben Dank für eure Anmerkungen und Tipps! Ich werde mich nochmal eingehend mit der Sache beschäftigen und die Mandantin informieren!
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