Gerichtsvollzieher Einstellung Vollstreckung Kleinbetrag

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
samsara
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#11

11.05.2016, 10:21

Dr. House hat geschrieben: Und ja, es gibt darüber auch schon viele unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen.
Dann stell doch mal ein paar dieser Entscheidungen rein.
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OKK13401
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#13

11.05.2016, 14:08

Dr. House hat geschrieben:Ach ja, noch was: Vollstreckungsanordnungen ohne Unterschrift und Siegel gehen bei mir immer zurück. Analog hat übrigens der BGH am 18.12.2014 (Az. I ZB 27/14) entschieden.
Der Beschluss des BGH I ZB 27/14 vom 18.12.2014 ist meiner Meinung nach für eine Zwangsvollstreckung einer bayerischen Behörde, welche nach dem VwZVG vollstreckt, nicht anwendbar.
Bei dem Beschluss wird eindeutig nur auf eine Zwangsvollstreckung nach der JBeitrO eingegangen.


In Bayern darf nach dem VwZVG die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

Art. 19 VwZVG - Voraussetzungen der Vollstreckung
(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden,
1.
wenn sie nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden können oder
2.
wenn der förmliche Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat oder
3.
wenn die sofortige Vollziehung angeordnet ist.
(2) Die Vollstreckung setzt voraus, dass der zur Zahlung von Geld oder zu einer sonstigen Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung Verpflichtete (Vollstreckungsschuldner) seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt.


Neben dieser allgemeinen Voraussetzung der Vollstreckung gibt es noch die besonderen Voraussetzungen nach Art. 23 VwZVG:

(1) Ein Verwaltungsakt, mit dem eine öffentlich-rechtliche Geldleistung gefordert wird (Leistungsbescheid), kann vollstreckt werden, wenn
1.
er dem Leistungspflichtigen zugestellt ist,
2.
die Forderung fällig ist und
3.
der Leistungspflichtige von der Anordnungsbehörde oder von der für sie zuständigen Kasse oder Zahlstelle nach Eintritt der Fälligkeit durch verschlossenen Brief, durch Nachnahme oder durch ortsübliche öffentliche Bekanntmachung ergebnislos aufgefordert worden ist, innerhalb einer bestimmten Frist von mindestens einer Woche zu leisten (Mahnung).


Wenn alle diese Voraussetzungen gegeben sind, dann ordnet die Anordnungsbehörde oder die für sie zuständige Kasse oder Zahlstelle ordnet die Vollstreckung dadurch an, dass sie
1.
in den Fällen des Art. 25 das Finanzamt oder die nach dem Recht eines anderen Landes der Bundesrepublik Deutschland oder die nach einer völkerrechtlichen Vereinbarung zuständige Stelle um Beitreibung ersucht und auf das Beitreibungsersuchen die Erklärung setzt, dass der beizutreibende Anspruch vollstreckbar ist;
2.
in den Fällen der Art. 26 und 27 auf eine Ausfertigung des Leistungsbescheids oder eines Ausstandsverzeichnisses die Klausel setzt: „Diese Ausfertigung ist vollstreckbar“. (Art. 24 Abs. 1 VwZVG)


Ebenso regelt der Art. 24 VwZVG noch folgendes:
(2) Mit der Vollstreckungsanordnung übernimmt die Anordnungsbehörde oder die für sie zuständige Kasse oder Zahlstelle die Verantwortung dafür, daß die in den Art. 19 und 23 bezeichneten Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegeben sind.
(3) Bei einer Vollstreckungsanordnung, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können Unterschrift und Dienstsiegel fehlen.


Durch den Art. 26 VwZVG wird die Vollstreckung von Geldforderungen Bezirke geregelt.

Im Art. 26 Abs. 1 VwZVG steht, dass Gemeinden, Landkreise, Bezirke und Zweckverbände berechtig sind t, zur Beitreibung von Geldforderungen, die sie durch einen Leistungsbescheid geltend machen, eine Vollstreckungsanordnung zu erteilen.

Und in Abs. 2 wird geregelt, dass für die Vollstreckung die ordentlichen Gerichte zuständig sind.


Grundsätzlich wird vorab darauf hingewiesen, dass einerseits ein handschriftlich unterschriebener Vollstreckungsauftrag vom 22.10.2015 und andererseits ein maschinell erstelltes Ausstandsverzeichnis vom 22.10.2015 bei Gericht als Vollstreckungsunterlagen eingereicht wurden. Das vollstreckbare Ausstandsverzeichnis ist mit der Klausel versehen, dass „Diese Ausfertigung vollstreckbar ist“.


Es wurde der für eine Zwangsvollstreckung zugrundeliegende Leistungsbescheid vom 03.02.2015 am 06.02.2015 durch Zustellungsurkunde zugestellt. Da gegen diesen Leistungsbescheid kein Widerspruch eingelegt wurde, war dieser einen Monat nach seiner Bekanntgabe rechtskräftig und konnte nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden. Die allgemeine Voraussetzung der Vollstreckung nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG lag somit vor. Ebenso wurde die besondere Vollstreckungsvoraussetzung nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG damit erfüllt.
Laut Leistungsbescheid war ein Betrag in Höhe von 49,14 € bis zum 02.03.2015 zu zahlen. Zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung war diese Forderung somit auch fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) und der Schuldner hat nicht durch die Zahlung von Geld seine Verpflichtung rechtzeitig erfüllt (Art. 19 Abs. 2 VwZVG).
Mit Datum vom 16.06.2015 wurde die Forderung gemahnt. Zahlungsfrist war hierfür der 06.07.2015. Somit wurde auch die Voraussetzung des Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG erfüllt.
Auch der Leistungsbescheid vom 06.05.2015 wurde mit Zustellungsnachweis am 11.05.2015 dem Schuldner zugestellt und nicht mit einem Rechtsbehelf angefochten. Die Summe von 223,56 € war zum 29.05.2015 fällig und wurde mit Mahnung vom 11.08.20015 (Zahlungsfrist bis 31.08.2015) gemahnt.
Beide Forderungen waren zum Zeitpunkt des Vollstreckungsauftrags somit eindeutig vollstreckbar.


Im Folgenden werden die vorgenannten bayerischen Rechtsvorschriften für eine Zwangsvollstreckung einer bayerischen Behörde (nach Art. 26 Abs. 1 VwZVG) mit dem Beschluss vom BGH vergleichen:


In Rz. 2 wird erwähnt:

„Nach Weiterleitung der Akte des Gerichtsvollziehers an das Amtsgericht verlangte dieses von der Gerichtskasse die Vorlage einer den Vollstreckungstitel ersetzenden aktuellen Einzelaufstellung der gegen den Schuldner zu vollstreckenden Forderung, die eine Bescheinigung über deren Fälligkeit und Vollstreckbarkeit aufwies und mit Dienstsiegel sowie Unterschrift im Original versehen war.“

In unserem (handschriftlich eigenhändig unterschriebenen) Vollstreckungsauftrag vom 22.10.2015 ist auf der letzten Seite eine Forderungsaufstellung des zu vollstreckenden Betrages. Ebenso liegt zusätzlich als Anlage ein in Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 erwähntes Vollstreckbares Ausstandsverzeichnis vom 22.0.2015 bei. Es ist nicht bekannt, dass eine gesetzliche Grundlage dafür gibt, dass ein Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher mit einem Dienstsiegel versehen werden muss.


In der Rz. 5 wird u.a. geschrieben:

„Der Verzicht auf die Prüfung des Richters, ob die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, könne bei Entscheidungen über eine Freiheitsentziehung nur gerechtfertigt werden, wenn die antrag-stellende Behörde die Verantwortung für deren Vorliegen übernehme und dies durch die Unterschrift eines hierzu befugten Beamten dokumentiert werde, wobei sich die Befugnis des Beamten regelmäßig aus dem seiner Unterschrift beigefügten Siegelabdruck ergebe.“

In unserem Fall ist davon auszugehen, dass der Bezirk Oberbayern nach Art. 24 Abs. 2 VwZVG die Verantwortung dafür über die allgemeinen und speziellen Vollstreckungsvoraussetzungen übernimmt. Dies ist laut derzeitig geltender Gesetzesgrundlage nach Abs. 3 auch ohne Unterschrift und Siegel zulässig, wenn das Ausstandsverzeichnis mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wurde, was hier der Fall ist.


Auch in der Rz. 13 wird darauf eingegangen, dass für „Vollstreckungsaufträge, die die Beitreibung von Gerichtskosten zum Ziel haben“ abweichendes gilt.
Und dass „weder für einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft noch für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Vermögensauskunft ist die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels erforderlich“.
Dies bezieht sich auf die Rz. 12:
„Grundsätzlich muss dem Gerichtsvollzieher mit dem Vollstreckungsauftrag die vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels übergeben werden.“

Wir vollstrecken keine Gerichtskosten. Wir vollstrecken öffentlich-rechtliche Sozialhilfeforderungen.
In unserem Fall wurde der Schuldtitel, nämlich der Leistungsbescheid, dem Schuldner ordentlich zugestellt. Dies wurde im (nach Art. 24 Abs. 2 als Alternative zu dem für vollstreckbar erklärten Ausfertigung des Leistungsbescheids) Ausstandsverzeichnis vom 22.10.2015 auch dadurch bescheinigt, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen würden.


In der Rz. 14 wird wieder ausschließlich ein Bezug auf Gerichtskostenforderungen genommen:

„Die dortige Regelung ist auf die Vollstreckung von Gerichtskostenforderungen nicht anwendbar. Wenn die Gerichtskasse im Rahmen der Vollstreckung von Gerichtskostenforderungen die Abnahme der Vermögensauskunft beantragt, hat sie sich gemäß § 7 Satz 1 Halbsatz 1 JBeitrO nicht - wie in § 5a Abs. 4 VwVG vorgesehen - an den Vollziehungsbeamten der Justiz, sondern an den zuständigen Gerichtsvollzieher zu wenden“.

Da die JBeitrO nicht für den Bezirk Oberbayern als bayerische Behörde anzuwenden ist, sehen wir keinen Zusammenhang mit dem Beschluss des BGH in unserem Fall, da im VwZVG eindeutigere Regelungen entsprechend der Vollstreckung von Forderungen getroffen sind.


Rz. 15:

„Gemäß § 7 Satz 2 JBeitrO ersetzt der Vollstreckungsauftrag zur Beitrei-bung von Gerichtskosten die nach §§ 754, 802a Abs. 2 ZPO grundsätzlich er-forderliche Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels an die zuständigen Vollstreckungsorgane. Obwohl § 7 Satz 2 JBeitrO dies nicht ausdrücklich regelt, kann die Vorschrift nur dahingehend verstanden werden, dass dies nicht nur für den Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft, sondern auch für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung von deren Abgabe gilt.“

Wir haben sowohl einen Vollstreckungsauftrag, als auch einen gesetzlich vorgesehenen und zulässigen Ersatz für die vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels, bei Gericht eingereicht.


Gemäß Rz. 16 wird darauf nochmals genauer eingegangen:

„Der Vollstreckungsauftrag zur Beitreibung von Gerichtskosten muss schriftlich gestellt werden, weil er den schriftlichen Schuldtitel ersetzt Da dieser Antrag die alleinige Voraussetzung für die Anordnung von staatlichem Zwang bis hin zu einer Freiheitsentziehung und damit die einzige Urkunde ist, die der Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht von der Gerichtskasse erhalten, dürfen keine Zweifel an seiner Echtheit bestehen.“

Wie bereits mitgeteilt, liegt in unserem Fall zusätzlich zum schriftlichen (unterschriebenen) Vollstreckungsauftrag dem Gericht ein vollstreckbares Ausstandsverzeichnis vor. Somit sollte auch gewährleistet und zu erkennen sein, welche Person für den Inhalt die Verantwortung übernimmt, welche das Gesetz nach Art. 24 Abs. 2 VwZVG eh der Anordnungsbehörde oder die für sie zuständige Kasse auferlegt, welches laut JBeitrO wohl nicht der Fall ist.


Ebenso in Rz. 16:
„Diesen Anforderungen genügte der Vollstreckungsauftrag vom 11. Juni 2013 nicht, weil er keine Unterschrift trug.“
Auch in Rz. 17 wird wieder auf einen „unterschriebenen Vollstreckungsauftrag“ Bezug genommen.

Unser Vollstreckungsauftrag ist, wie bereits mehrmals erwähnt, unterschrieben.


Es ist aus den vorgenannten Gründen eben nicht ersichtlich, dass das Vollstreckbare Ausstandsverzeichnis nicht den Anforderungen für den Erlass von einem Haftbefehl oder gar für eine ordnungsgemäße Zwangsvollstreckung genügt.
Der bayerische Gesetzgeber hat im Gegenteil sogar ausdrücklich gesetzliche Regelungen dafür getroffen, dass die von uns eingereichten Unterlagen zulässig sind.
Viele Grüße vom Alex
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#14

11.05.2016, 14:28

Ernie hat geschrieben:Vielleicht hilft dieser alte Artikel?

http://www.iww.de/ve/archiv/vollstrecku ... den-f31612

oder dieser neuere?

http://www.beck-shop.de/fachbuch/lesepr ... _aufl5.pdf
:thx
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#15

11.05.2016, 14:39

paralegal6 hat geschrieben:Ich fürchte wenn du Ratenzahlung ausschliesst bekommst du gar nichts
Das wäre mir eigentlich ganz recht. Bei mir geht es in diesem Fall um einen sog. Kostenbeitrag für häusliche Ersparnis. Das heißt, dass die Schuldner ihr behindertes Kind in eine Heilpädagogische Tagesstätte stecken und das Kind in dieser HTP Mittagessen bekommt. Dieses Mittagessen müssen die Eltern zahlen, wenn diese leistungsfähig sind. Denn durch das Essen in der HTP sparen die Eltern ja das Mittagessen unter der Woche zuhause.
Ob sie wirklich Leistungsfähig sind, das wissen wir allerdings nicht. So etwas müss(t)en uns die Eltern nachweisen.
Und so wie es meistens ist, weisen die nichts nach (trotz mehrmaliger Anhörung und Aufforderung) und lassen es auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ankommen. Oft kommt dann dabei raus, dass die Zahlungspflichtigen ALG II Empfänger oder Geringverdiener sind. Und in so einem Fall wird dann die Forderung aufgehoben und die Eltern als nicht leistungsfähig anerkannt. Das bedeutet für uns als Behörde (Sachbearbeiter und mich) weniger Aufwand.

Und falls/wenn ich nen Arbeitgeber oder ne Bankverbindung durch die VA mitgeteilt bekommen sollte, dann bin ich dazu berechtigt meine Forderung selbst mit Pfändungs- und Überweisungsverfügung zu pfänden.
Viele Grüße vom Alex
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